Wo wart ihr liebe Journalistinnen und Journalisten?

Nur der Tagesspiegel berichtete online ausführlich, ansonsten war Schweigen im Blätterwald. Nur in einigen Lokalmeldungen fanden sich Artikel. Worüber haben die meisten deutschen Medien in der letzten Woche nicht berichtet? Über den „Marsch zum Gedenken“. Jetzt werden viele Mitbürgerinnen und Mitbürger, auch diejenigen, die sonst aufmerksam die Nachrichten verfolgen, fragen: „Was bitte ist der Marsch zum Gedenken?“

Zunächst eine kurze Erklärung: Der Marsch zum Gedenken erinnert an die Toten der Auslandseinsätze der Bundeswehr und die in Ausübung ihres Dienstes Verstorbenen. Eine wunderbare Idee, die von unten, aus den Reihen der Veteranen und der Reserve, erwachsen ist. Eine Graswurzelbewegung also.

Beim Marsch zum Gedenken marschieren aktive Soldatinnen und Soldaten sowie Reservistinnen und Reservisten 116 Kilometer (für die Gefallenen in den Auslandseinsätzen und einsatzgleichen Verpflichtungen) und zusätzlich noch einmal weitere 3377 Meter (für die 3377 Toten der Bundeswehr, die in Ausübung des Dienstes ihr Leben verloren haben). Der Marsch endet jedes Jahr am Ehrenmal der Bundeswehr.

Fassen wir zusammen: Seit Gründung der Bundeswehr haben also fast 3500 Angehörige der Bundeswehr ihr Leben gegeben, damit wir in heute Frieden und Freiheit leben können. An sie wird im Ehrenmal der Bundeswehr erinnert. Dort stehen ihre Namen. Und dort endet der Marsch mit einer Kranzniederlegung. Ein Trompeter des Wachbataillons spielt „Ich hatt‘ einen Kameraden“ und eine Ehrenwache zieht auf. Staatssekretär Zimmer und Generalleutnant Laubenthal begrüßten dieses Jahr die Marschgruppen im Bendlerblock. Mitmarschiert ist auch Generalmajor Frevel. Ein starkes Zeichen. Für mich war es eine Ehre, wieder bei der Kranzniederlegung dabei sein zu dürfen.

Die Bundeswehr wird ihre Toten nicht vergessen. Und das Land, für dessen Freiheit und Frieden, diese Menschen gestorben sind?

Die Schlagzeilen des Tages waren andere: „Demonstranten stürmen das Parlament im Irak“, „Die US-Notenbank erhöht den Leitzins“ und „Hannover 96 setzt Geschäftsführer Martin Kind ab“. Wie gesagt: Über den Marsch zum Gedenken, der bereits 2018 erstmals stattfand, wurde nicht berichtet. Immerhin veröffentlichte die Bundeswehr auf Ihrer Internetseite einen Bericht. Das war es dann auch schon.

Nun haben wir „Zeitenwende“. Der Krieg in der Ukraine nimmt in der Berichterstattung immernoch breiten Raum ein. Die Kriegsflüchtlinge in Deutschland führen uns täglich vor Augen, dass Frieden keine Selbstverständlichkeit ist. Der Generalinspekteur mahnt an, die Bundeswehr müsse an ihrer Einsatzbereitschaft arbeiten, ihre Pflichten im Bündnis erfüllen können, kriegstauglich werden.

Doch über die Bundeswehr wird am liebsten berichtet, wenn es einen Skandal oder einen vermeintlichen Skandal bzw. Versäumnisse aufzudecken gilt. Selten stehen die Menschen mit ihrem oft nicht leichten Dienst im Mittelpunkt der Berichterstattung. Und über den Marsch zu berichten und die Geschichten derjenigen für die und derjenigen die mitmarschierten, zu erzählen, darauf kommt man in deutschen Redaktionsstuben wohl leider nicht. Manche sagen: Es fehlt halt an eindrucksvollen Bildern.

Jeder Marschierende trägt das Namensband eines Toten oder Gefallenen. Am Brandenburger Tor trifft die Marschkolonne auf die Hinterbliebenen. Man liegt sich in den Armen. Es fließen Tränen. Und es ist zudem ein zwar ungewohntes aber beeindruckendes Bild, wenn die Marschkolonnne durch Berlin zieht: Die Parlamentsarmee marschiert am Bundestag vorbei. Soldaten tragen die schwarz-rot-goldene Fahne des demokratischen Deutschlands voran. Nein, an Bildern und Geschichten, die es wert sind, erzählt zu werden, mangelt es wahrhaftig nicht.

Vielleicht kann sich ja manch ein Journalist, manch eine Redaktion einen kleinen Merkzettel für das nächste Jahr in den Kalender kleben. Natürlich darf es auch eine kritische Berichterstattung sein. Hauptsache, wir sprechen sowohl über die Toten, als auch darüber, dass offensichtlich Frieden, Freiheit und Demokratie einen Preis haben, der sich in Leben und nicht in Geld bemisst. Die Toten der Bundeswehr haben mit ihrem Dienst diesen Preis für uns bezahlt. Wir sind ihnen etwas schuldig. Mindestens ein würdevolles Erinnern.

Der Marsch zum Gedenken wird auch 2024 wieder stattfinden. Wieder werden am Ehrenmal im Bundesministerium der Verteidigung Kränze niedergelegt und der Toten und Gefallenen gedacht. Es wäre schön, wenn mehr Medien über den Marsch selbst und warum er stattfindet, berichten würden.

Fotos: Melanie Schreiber

11 Kommentare zu “Wo wart ihr liebe Journalistinnen und Journalisten?

  1. Ein paar Anmerkungen zu dem lesenswerten Kommentar von Herrn Tauber:
    1.) der Generalinspekteur hat Recht wenn er sagt, dass die Bundeswehr an ihrer Einsatzbereitschaft arbeiten muss. Aber diese Einsatzbereitschaft muss auch ermöglicht werden; und hier wären unsere Politiker gefordert. Ohne die finanziellen Mittel kann die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr und damit, und das muss man hier ganz klar sagen, die Sicherheit Deutschlands im Rahmen der NATO und der EU nicht gewährleistet werden.
    2.) von der Zeitenwende, in der wir uns befinden, wird zurecht immer wieder gesprochen. Erschreckend ist allerdings, dass dieses Wort von unseren Politikern nicht mit Leben gefüllt wird: es fehlt hier auch eine geistige Wende hin zu einem deutlichen Bekenntnis zu unserer Armee. Kein Politiker, der Bundesregierung – von unserem Verteidigungsminister einmal abgesehen – setzt ein Zeichen für Anerkennung, Wertschätzung und Respekt gegenüber der Bundeswehr. Dieser Marsch für die Gefallenen wäre, wenn er es wollte, ein willkommener Anlass für unseren Bundespräsidenten, einmal öffentlichkeitswirksam nicht nur ein überfälliges Bekenntnis zu unserer Bundeswehr abzulegen, sondern gleichzeitig die Jugend daran zu erinnern, dass Freiheit leider immer wieder verteidigt werden muss. Es wäre aber auch eine gute Gelegenheit für den neuen Regierenden Bürgermeister von Berlin gewesen, sich an der Seite der Bundeswehr zu zeigen.
    Quintessenz. Es wird noch ein langer Weg sein, bis die Bundeswehr wieder den selbstverständlichen Stellenwert in unserer Gesellschaft hat, den sie haben sollte.

  2. Sehr geehrter Herr Dr. Tauber,
    Ich danke Ihnen für diese Zeilen und hoffe, sie mögen von den richtigen Menschen, von den Adressaten, auch gelesen werden.
    Wenn die Fans von Taylor Swift durch ihr hysterischen Gehabe bei einem Konzert messbare seissmische Schwingungen auslösen, ist das eine Schlagzeile wert. Der Marsch des Gedenkens nicht. Das sagt alles über den Zustand der Berichterstattung, aber auch der Gesellschaft aus.

  3. Sehr geehrter Herr Dr. Tauber,
    Ich danke Ihnen für diese Zeilen und hoffe, sie mögen von den richtigen Menschen, von den Adressate, auch gelesen werden.
    Wenn die Fans von Taylor Swift durch ihr hysterischen Gehabe bei einem Konzert messbare seissmische Schwingungen auslösen, ist das eine Schlagzeile wert. Der Marsch des Gedenkens nicht. Das sagt alles über den Zustand der Berichterstattung, aber auch der Gesellschaft aus.

  4. Es muss nicht nur eine vernünftige Erinnerungskultur geben, auch mehr Respekt und Wertschätzung von Soldatinnen und Soldaten muss gefördert werden. Unser Verein möchte, dass auch unsere Streitkräfte und ihr Dienst ein fester Bestandteil der Erziehung und Bildung werden.

    Um das zu erreichen haben wir bei vielen Ministerien und Entscheidungsträgern bereits um Unterstützung gebeten und werden dies auch weiter fortsetzen.

    Was in vielen anderen Ländern selbstverständlich ist, sollte es auch hier sein.

    Uns ist bewusst, dass wir jede nur mögliche Art der Unterstützung brauchen um die Bevölkerung zu motivieren den Mensch hinter der Uniform wahrzunehmen und wertzuschätzen.

    MfG
    Wir für unsere Einsatzkräfte e. V.
    Manuela Keck (1. Vorsitzende)

  5. Sehr geehrter Herr Tauber,
    haben Sie vielen Dank für Ihren Artikel. Ich durfte den gesamten Marsch fur mein Projekt „Gesichter des Lebens“ fotografisch begleiten, also Aussage „ es fehlt halt an eindrucksvollen Bildern“ kann nicht mehr verwendet werden. Ich durfte die Menschen ein bisschen kennenlernen die marschierten, ich durfte den Angehörigen begegnen und auch ihr Gefühle mit meinen Kameras festhalten. Und ich stellte mir ebenfalls die Fragen „Wo sind unsere Abgeordneten, wo ist ihr Anstand und Respekt gegenüber den Soldaten und den Menschen die ihren Sohn, Mann, Bruder verloren haben …. es hat leider keine Priorität“. Dies macht traurig, beschämt mich und zeigt was Worte und dann eben Taten sind. Und ich hoffe das wir als „Gesichter des Lebens“ mit unseren Fotos ein kleinwenig für Menschlichkeit – Wertschätzung – Anerkennung mit beitragen können. Danke!

  6. On der heutigen Zeit ist es doch so das man nicht mehr stolz sein darf und die Flagge nicht zeigen darf.
    Ich bin stolz auf unsere Bundeswehr, damals und auch heute!

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