Nachhaltigkeit und die Bundeswehr

Wo stehen wir heute und wo wollen wir hin?

Gute fünfeinhalb Jahre seit Verabschiedung der 17 Nachhaltigkeitsziele durch die Vereinten Nationen, der sogenannten Sustainable Development Goals, ist es an der Zeit, den Beitrag der Bundeswehr im Rahmen der nationalen Verpflichtung zur Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung in den Blick zu nehmen und nach der Bedeutung für die deutsche Sicherheits- und Verteidigungspolitik zu fragen.

Nachhaltigkeit in ihren unterschiedlichen Dimensionen

Unter Nachhaltigkeit wird „die Konzeption einer dauerhaft zukunftsfähigen Entwicklung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Dimension menschlicher Existenz“ verstanden.[1] Dabei gehen die 17 Ziele, die Teil der globalen Nachhaltigkeitsagenda 2030 sind und sich gegenseitig bedingen, viel weiter als man zunächst annehmen mag.

Warum aber ist Nachhaltigkeit ein so wichtiges Thema für Deutschland? Die Antwort ist schlicht: Eine nachhaltige Entwicklung sichert Wohlstand, Freiheit, Frieden und Demokratie. Sie bedeutet Sicherheit und Stabilität und setzt sie gleichzeitig voraus: „There can be no long-term security without development. And there can be no long-term development without security”[2], wie der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan 2015 auf der Münchner Sicherheitskonferenz klarstellte. Nachhaltigkeit ist also kein Luxus, sondern in unserem nationalen Interesse.

Warum sollten sich die Streitkräfte mit Nachhaltigkeit befassen? Ist es hier eben nicht doch so, dass Nachhaltigkeit im Einsatz oder im Krieg zurücktreten muss hinter das Erreichen des Ziels und die Erfüllung des Auftrags?

Gemeinhin wird die Bundeswehr wohl auch wegen einer solchen Annahme nicht mit Nachhaltigkeit in Verbindung gebracht. Tatsache ist, dass bei all dem, was beim Gefecht gebraucht wird und dort bestehen muss, nicht die gleichen Maßstäbe im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Schutz der Umwelt gelten können wie in anderen Bereichen. Auftragserfüllen, Sieg oder Niederlage und auch der Schutz der Soldatinnen und Soldaten, also deren Überlebenschancen und Kampffähigkeit stehen klar im Fokus.

Erfolge der Bundeswehr im Bereich Umweltschutz

Fakt ist aber auch, dass die Bundeswehr sich dem „Staatsziel“ Nachhaltigkeit nicht einfach entziehen kann. Und leider wissen nur die wenigsten, wie viel dort in den letzten zwei Jahren passiert ist. Nachlesen kann man das in dem zuletzt 2018 erschienenen Nachhaltigkeitsbericht des Bundesministeriums der Verteidigung und der Bundeswehr.[3] Darin wird deutlich, wie die Nachhaltigkeitsziele umgesetzt werden. Konkret benannt werden die Ziele 6,12 und 15 (S. 29 ff), die den Umwelt- und Naturschutz betreffen. Die Bundeswehr verfügt mit ihren Truppenübungsplätzen über große Flächen naturbelassener Landschaft, mit denen sie verantwortungsvoll umgeht, etwa durch das Betretungsverbot und periodische Stilllegungen für das Befahren mit Ketten- und Radfahrzeugen. Durch die Regeneration von Ökosystemen und die Begünstigung von Biodiversität trägt die Bundeswehr maßgeblich zum Natur- und Landschaftsschutz bei.

Den Beitrag der Bundeswehr steuert dabei maßgeblich das BAIUDBw, das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen unter der Führung von Frau Präsidentin Ulrike Hauröder-Strüning. Die Männer und Frauen der Präsidentin engagieren sich auf vielfältige Weise. Dazu gehört ein Umdenken. Nicht jede Wiese in einer Kaserne muss akkurat gemäht werden. Platz für Blühstreifen, um zum Beispiel Artenvielfalt zu stärken und Insektensterben zu bekämpfen, gibt es vielerorts.

Der Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung hat seinen Strom- und Wärmeenergieverbrauch verbessert und sich damit Ziel 7 und 13 genähert: Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien und der Bekämpfung des Klimawandels (vgl. S. 36 ff). Seit 2015 beziehen die beiden Dienstsitze des BMVg in Bonn und Berlin zu 100% Ökostrom. Insgesamt konnten im Zeitraum von 1990 bis 2017 die CO2-Emissionen der Bundeswehr aus der Erzeugung von Strom und Wärme um 79% gesenkt werden. Auch beim Bau von Infrastruktur trägt die Bundeswehr Ziel 9 der Agenda 2030 Rechnung und hat eine Zielvereinbarung getroffen, die bei der Materialauswahl „Nachhaltigkeit zum Beispiel durch langlebige und schadstoffarme Baustoffe“ (S. 33) berücksichtigt.

Ein gutes Beispiel für den gesamtstaatlichen Ansatz Deutschlands in seiner Vorreiterrolle im Bereich der Nachhaltigkeit ist der im Koalitionsvertrag vorgesehene „Leitfaden zur nachhaltigen Textilbeschaffung“. Dieser sieht vor, dass ein Großteil der Textilien der Bundesverwaltung, also Bekleidungstextilien und Wäsche, Bettwäsche und Bettwaren sowie Matratzen nach ökologischen und sozialen Kriterien beschafft werden. Die Bundeswehr als maßgeblicher Textilabnehmer des Bundes spielt in der Erarbeitung sowie Umsetzung des Leitfadens eine entscheidende Rolle. Alle Textilien, die nicht den besonderen militärischen Anforderungen eines Einsatzes und Gefechts standhalten müssen, werden zukünftig nachhaltig beschafft. Somit wird die Bundeswehr auch im Bereich der Textilbeschaffung Vorreiter bei der Einbeziehung ökologischer und sozialer Anforderungen sein.

Das gilt auch für den Bereich der Mobilität, aber natürlich nicht für den Leopard 2. Im Dienstbetrieb in den dienstlichen Liegenschaften setzt die Bundeswehr längst auf nachhaltige Elektromobilität und tauscht Dieselfahrzeuge aus, sodass die CO2-Emissionen der durch die Bundeswehr genutzten Fahrzeuge „beispielgebend niedrig“ sind (S. 42). Die Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz stärken das Umweltbewusstsein und müssen künftig weiter vorangetrieben werden. Eine weitere Einsparung kann sich aus der durch die Corona-Pandemie notwendig gewordenen Stärkung der digitalen Kommunikation ergeben. Telefon- und Videokonferenzen ersetzen seitdem die häufigen Dienstreisen von Bonn nach Berlin, die meist mit dem Flugzeug durchgeführt worden sind. Hier ist zu erwarten, dass auch nach der Pandemie die Zahl der Dienstreisen durch die Etablierung neuer Arbeitsweisen reduziert bleiben kann.

Die Bundeswehr gewährleistet soziale Nachhaltigkeit

Das achte Nachhaltigkeitsziel definiert „produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit.“ Die Bundeswehr legt besonderen Wert darauf, die Attraktivität des Dienstes sicherzustellen. Ausreichende Kinderbetreuung gehört genauso dazu wie das in Zeiten von Corona ausgeweitete Angebot flexibler Telearbeit. Es geht darum, die Vereinbarkeit von Dienst und Familie sowie eine nachhaltige Personalgewinnung und -zufriedenheit zu gewährleisten. Gleichzeitig dient die Umsetzung dieses Ziels der Geschlechtergleichstellung und der wirksamen Teilhabe von Frauen an Karriereoptionen, wie sie in Ziel 5 der Agenda formuliert ist. Im BMVg stellt ein eigens eingerichtetes Stabselement anhand von Fortbildungsmaßnahmen, einem Mentoring-Programm und Gleichstellungsbeauftragten die Chancengerechtigkeit, Vielfalt und Inklusion von Minoritäten sowie die Sensibilisierung von Vorgesetzten in diesen Themenbereichen sicher. Der Anteil von Frauen mit Führungsaufgaben ist von 10,5% 2013 auf 13% im Jahr 2017“ (S. 50) gestiegen. Mit über 100 Ausbildungsberufen und 70 Bachelor-, Master und Weiterbildungsstudiengängen macht die Bundeswehr Ziel 4 der UN-Nachhaltigkeitsagenda, also „inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung“, alle Ehre.

Auch Ziel 3, das den Schutz und Erhalt der Gesundheit zum Inhalt hat, wird genüge getan. Hierzu zählen neben grundsätzlicher ärztlicher Versorgung auch effektive Maßnahmen zur Suchtprävention. Die Gewissheit der Truppe, im Notfall medizinisch hervorragend versorgt zu werden, stärkt nachhaltig das Vertrauen in die Bundeswehr und ist Ausdruck der Fürsorge des Dienstherrn (S. 57). Hier ist die Bundeswehr Vorreiter und international ein echtes Vorbild.

Korruptionsbekämpfung zur Stärkung der Nachhaltigkeit

Aus dem Auftrag der Bundeswehr ergibt sich darüber hinaus die Verpflichtung, einen maßgeblichen Beitrag zur Umsetzung von Ziel 16 der Nachhaltigkeitsagenda zu leisten: „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“. Hierzu zählt besonders die Bekämpfung von Korruption, da Korruption die nachhaltige Entwicklung massiv schwächt. Aufgrund seines hohen Beschaffungsvolumens führt das BMVg regelmäßig Risikoanalysen durch und sieht Personal- und Aufgabenrotation, Sensibilisierungs- und Belehrungsmaßnahmen sowie Aus- und Fortbildungsschulungen zu diesem Thema vor (S. 18 ff). Maßnahmen der Kleinwaffenkontrolle, an denen wir als Nation im Rahmen der OSZE beteiligt sind und zu denen die Bundeswehr mit ihrer Fachexpertise wesentlich beiträgt, entsprechen ebenfalls Ziel 16 und speziell dem Unterziel 16.4, der „Verringerung illegaler Finanz-und Waffenströme“ (vgl. S. 24). Auch durch den „Aufbau einer eigenen Befähigung zur Krisenprävention und -bewältigung sowie zur Friedenskonsolidierung“ (S. 27) wird durch die Bundeswehr bei ihren Auslandseinsätzen maßgeblich an der Implementierung des Nachhaltigkeitsziels 16 mitgewirkt: „Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern […] und leistungsfähige, rechenschaftspflichtige und inklusive Institutionen auf allen Ebenen aufbauen.“

Nachhaltiges Handeln meint auch Fortentwicklung als Investition in die Zukunft, was die stetige Professionalisierung der Bundeswehr, ihres Knowhows und ihres Wertes für die Zivilgesellschaft umfasst. Es ist daher umso wichtiger, die Forschung und Entwicklung in Schlüsseltechnologiefeldern zu fördern und sicherzustellen, dass im Dienst Fähigkeiten vermittelt werden, die der Gesellschaft nicht nur im Streitfall als Ressource zugutekommen. Eine verstärkte Bildung und Qualifizierung sowohl im Bereich der Inneren Führung als auch der Digitalisierung bedeuten einen nachhaltigen Zugewinn an Kompetenzen, die in die Gesellschaft getragen werden und auch ihr zugutekommen, etwa bei der Bildung von Resilienz gegenüber den zunehmenden Bedrohungen aus dem Cyberraum.

Sicherheit als Garant für multidimensionale Nachhaltigkeit

Wie sich zeigt, ist der Erhalt von Sicherheit als der Kernauftrag der Bundeswehr wesentlich vereinbar mit den Zielen der Nachhaltigkeit. Denn ohne Sicherheit keine Stabilität und ohne Stabilität ist auch keine nachhaltige Entwicklung möglich. Der größte Nachhaltigkeitsbeitrag, den die Verteidigungspolitik Deutschlands und unsere Streitkräfte seit 1945 leisten, ist die Sicherung des Friedens in Europa. Dieser Beitrag macht Nachhaltigkeit überhaupt erst möglich, auch wenn er sich schlecht in Zahlen fassen lässt.

In dem Auftrag, „Deutschlands Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen und seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen […], die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit Deutschlands abzustützen und zu sichern […], die Verteidigung unserer Verbündeten und die Sicherheit und Stabilität im internationalen Rahmen zu fördern sowie die europäische Integration, transatlantische Partnerschaft und multinationale Zusammenarbeit zu stärken“ (S. 12), liegt das eigentliche Potential der Streitkräfte im Hinblick auf eine national wie global nachhaltige Entwicklung. Nachhaltigkeit sicherzustellen heißt Verantwortung zu übernehmen. Deutschland kann Vorreiternation eines starken und nachhaltigen Europas sein und weltweit eine Vorbildfunktion einnehmen. Nachhaltigkeit als kategorischen Imperativ zu begreifen, also als grundlegendes Prinzip ethischen Handelns nach Immanuel Kant: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde“, ist wichtiger denn je; je mehr internationale Akteure sich diesem philosophischen und politischen Leitsatz anschließen, desto eher funktioniert die globale Umsetzung und Erreichung der Nachhaltigkeitsziele und desto eher ist die dauerhafte Stabilität gesichert; nicht nur in Deutschland, sondern in Europa und darüber hinaus.

[1] Bundestags-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“, 1998.

[2] https://www.instagram.com/p/CEzK2nsHa63/?igshid=1q2igcj0nn1vk.

[3] https://www.bmvg.de/de/aktuelles/verteidigungsministerium-veroeffentlicht-nachhaltigkeitsbericht-2018-28376.

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