Danke für Euren Dienst! – Meine Gedanken zu 60 Jahre Bundeswehr
Ich erinnere mich noch an den Tag als ich erstmals durch das Kasernentor in Schwarzenborn trat. Dort habe ich meine Grundausbildung im PzGrenBtl 152 absolviert. Vor dem Kasernentor hielt ich an. Den Einberufungsbescheid hatte ich dabei. Was nun? Zum Glück war da ein anderer junger Mann, mit dem ich später die Stube teilen und den ich künftig mit „Kamerad“ ansprechen würde, und so trauten wir uns gemeinsam zur Wache.
Damit begangen die vielleicht 12 intensivsten Wochen meines Lebens. Es war fordernd – nicht nur körperlich, sondern auch mental. Nie wieder habe ich mich so sehr danach gesehnt, zu schlafen, weil ich chronisch übermüdet war. Ich habe 12 Kilo in der Grundausbildung bei den Panzergrenadieren abgenommen. Am Sonntag hatte ich Bauchschmerzen wenn ich wieder zum Dienst musste und war am Freitag zu Hause so müde, dass meine damalige Freundin permanent genervt war. Von wegen erholsames Wochenende. Mein Geburtstag im Biwak war so ziemlich der schlimmste, an den ich mich erinnere. Es regnete, ich war wieder übermüdet aufgrund der nächtlichen Streife und Wache im Alarmposten. Da half auch der Apfel nicht, den der Spieß mir als „Geschenk“ zugedacht hatte.
Trotzdem oder vielleicht deswegen habe ich wie die anderen Kameraden meines Zuges mit Stolz die grünen Litzen meiner Waffenfarben und das grüne Barett am Ende der Grundausbildung nach der erfolgten Rekrutenbesichtigung in Empfang genommen und getragen. Als ich die restliche Dienstzeit in einer Kompanie der Fernmeldetruppe diente, schrieb ich lieber eine Verlustmeldung für das grüne Barett, das ich heute noch zu Hause habe, als es gegen ein rotes zu tauschen, wie es mir und anderen Kameraden, die nach Mainz versetzt worden waren, befohlen worden war. Keiner gab das so mühsam erdiente grüne Barett freiwillig preis. Der als Spott gemeinte Satz „Er ist kein Mensch, er ist kein Tier. Er ist ein Panzergrenadier.“ ärgerte uns nicht, wir sagten ihn selbst mit einem breiten Grinsen, das eine Menge Stolz beinhaltete.
Nicht jeden Tag bei der Bundeswehr empfand man als Wehrpflichtiger als sinnstiftend. Natürlich gab es auch Langeweile und Monotonie. Und das Zerlegen und Zusammensetzen eines Maschinengewehr oder das Überwinden der Hindernisbahn gehören zum Glück nicht zu den Dingen, die mir in meinem zivilen Alltag nach Ende der Dienstzeit geholfen haben. Aber ich habe viel erlebt und viel über mich selbst und andere gelernt in diesen Monaten als Soldat. Darum denke ich wie viele andere auch mit Dankbarkeit an meine Dienstzeit zurück.
Was hat mir die Bundeswehr gegeben? Erstens habe ich Herausforderungen gemeistert, die ich mir selbst nie zugetraut hätte. Ich habe gelernt, dass ich mehr kann als ich denke, wenn ich mich überwinde und einen Schritt weitergehe. Zweitens habe ich die Erfahrung gemacht, unangenehme Dinge auch einmal auszuhalten. Der Weg des geringsten Widerstandes führt eben nicht immer zum Ziel. Drittens habe ich gelernt, Rücksicht zu nehmen auf andere – das geht gar nicht anders, wenn man sich mit sechs Mann eine kleine Stube teilen muss und Privatsphäre auf einmal ein Fremdwort ist. Viertens habe ich mir das Jammern abgewöhnt. Es nützt meistens nichts, zu jammern, und die Kraft, die das kostet, kann man besser aufwenden um den Grund für das Jammern zu überwinden. Zugegeben: Der letzte Punkt ist manchmal eher ein Vorsatz. Es klappt bei mir nicht immer.
Noch etwas habe ich erlebt. Es gibt sie wirklich: die Kameradschaft, bei der ein Kamerad einem die Hand reicht, ohne zu fragen, was er davon hat oder dafür bekommt, wenn er dir hilft. Vielleicht auch nur, weil er sich ebenfalls darauf verlässt, dass Du ihm beistehst, wenn er dich braucht. Dieser in der Bundeswehr gelebte Geist tut gut, und es würde nicht schaden, wenn er weiter verbreitet wäre – auch außerhalb der Truppe. Die Bundeswehr ist in dieser Hinsicht eben doch eine „Schule der Nation“.
Die Bundeswehr blickt inzwischen auf eine eigene bewegte Geschichte zurück und reiht sich ein in die guten militärischen Traditionen von den Freiheitskriegen bis zu den Männern des 20. Juli 1944. Sie hat eine eigene Tradition ausgebildet, auf die sie stolz sein kann.
Millionen Deutsche, Männer und Frauen, haben seit der Gründung der Bundeswehr 1955 in unserer Armee gedient. Davon haben über 3100 ihr Leben im Dienst für das Vaterland gelassen. 106 sind im Kampf gefallen oder im Einsatz ums Leben gekommen. Die Bundeswehr hat Ihnen mit dem Ehrenmal am Bendlerblock ein Denkmal gesetzt. Wir sollten ihnen dankbar sein und sie nicht vergessen.
Ich salutiere vor den toten Kameraden und den Männern und Frauen, die heute die deutsche Uniform tragen und sage: „Danke für Euren Dienst.“
Hallo Peter,
Ein super Blog, ein super Text mit sehr viel Inhalt. Hat mir gefallen. Kameradschaftliche Grüße aus dem Rheinland, Rüdiger