Buchbesprechung: Die Kanzlermaschine

Tauber_Merzhausen

Mit wachem Auge beobachtet er die CDU und ihre führenden Köpfe: Volker Resing, Journalist und Historiker hat jüngst ein Buch über Julia Klöckner veröffentlicht und auch Angela Merkel aus einer etwas anderen Perspektive porträtiert: als Protestantin.

Vor kurzem hatte ich die Gelegenheit, mit ihm mehrfach über die CDU und ihre Rolle als prägende politische Kraft der Bundesrepublik zu diskutieren. Grundlage dafür war sein Buch „Die Kanzlermaschine. Wie die CDU funktioniert.“

Denkt man beim Titel zunächst daran, dass sich hier ein Journalist wieder an dem Klischee des Kanzlerwahlvereins abgearbeitet hat, so muss zumindest ich nach der Lektüre sagen, dass es mir auch neue Sichtweisen auf meine eigene Partei vermittelt hat. In der Tat stimmt es nämlich: Im Gegensatz zur SPD, die an ihren Kanzlern immer gelitten, bisweilen deren Sturz selbst betrieben hat, stellt die CDU gerne den Kanzler oder die Kanzlerin. Und darum geht es ja auch in der Demokratie: das Streben nach Verantwortung.

Ansonsten hält Resing den Lesern, die wohl eher der Union positiv gegenüberstehen oder sich ihr verbunden fühlen, nicht nur den Spiegel vor. Er weist auch auf Besonderheiten oder Merkpunkte in der Geschichte der CDU hin, die nicht jedem bewusst sind – und auch ich habe oft gestaunt.
Heute ist zum Beispiel vielen Mitgliedern und Anhängern der CDU nicht bewusst, dass nicht Angela Merkel diejenige ist, die der CDU den größten Modernisierungsschub ihrer Geschichte verpasst hat, sondern der junge Helmut Kohl mit seinem Generalsekretär Heiner Geißler. Das verwundert nicht. Da heute vor allem der Kanzler der Einheit, der nach langen 16 Jahren 1998 aus dem Amt schied, in Erinnerung geblieben ist, gilt Kohl eher als Bewahrer denn als Reformer mit Blick auf die Partei.

An einer Stelle attestiert Resing der amtierenden CDU-Vorsitzenden jedoch einen Modernisierungsimpuls, den er als „Mutter aller Modernisierungen“ beschreibt: die „Ausländerfrage“. In der Tat ist das für die Partei wohl die größte Herausforderung.

Damit meine ich nicht nur die symbolisch aufgeladene Frage der doppelten Staatsbürgerschaft. Heute erzählen mir CDU-Mitglieder, die Muslime sind oder eine Einwanderungsgeschichte haben, die man ihnen aufgrund ihrer ethnischen Abstammung ansieht, dass sie nicht nur in der Partei, sondern oft auch in der Gesellschaft nicht automatisch als Landsleute akzeptiert werden. Die Frage „Wo kommst du eigentlich her?“ signalisiert eben nicht Interesse, sondern kann auch in dem Sinne verstanden werden: „Du gehörst nicht richtig dazu!“ Ich finde, die CDU sollte sich an die Seite derjenigen stellen, die gerne in unserem Land leben, die fleißig sind und sich etwas aufbauen wollen und die Deutschland zu ihrer Heimat machen wollen. Die Frage, ob jemand ein „guter Bürger“ unseres Landes ist, würde dann endgültig nicht mehr von der Abstammung abhängen, sondern von der Frage, was er für dieses Land tut, welchen Beitrag er bereit ist zu leisten für eine gute Zukunft.

Unabhängig von der Anpassung und Modernisierung der Partei kennzeichnet die CDU als Partei, dass sie „nicht als Kampfgemeinschaft Gleicher, sondern als Verbindung Unterschiedlicher zum gemeinsamen Handeln entstanden“ ist. In der Tat ist das „U“, wie das „C“, ein Alleinstellungsmerkmal der CDU.

Publikum_Merzhausen

Dem ausgeprägten Wunsch nach einer wertorientierten Politik durch die Mitglieder und treuen Anhänger steht der Ruf nach pragmatischen Antworten auf tagespolitische Herausforderungen gegenüber. Die CDU begegnet diesem Wunsch mit Regionalkonferenzen für die Mitglieder und einer vielerorts sehr guten „Verzahnung mit dem vorpolitischen Raum“, wie Resing schreibt. Doch er weist zu Recht darauf hin, dass diese Stärke nicht gottgegeben ist, sondern die Partei angesichts sinkender Mitgliederzahlen hier vor einer grundsätzlichen Veränderung steht. Der Finger in der Wunde tut weh, aber der Hinweis stimmt.

Auch eine zweite analytische Kritik Resings trifft den Kern der Sache. Die CDU zählt immer noch weit über 400.000 Mitglieder, aber sie repräsentiert in ihrer Struktur längst nicht mehr einen Querschnitt der Bevölkerung. Sie zählt zu wenig Frauen, zu wenig junge Menschen und zu wenig Bürger mit einer Einwanderungsgeschichte in ihren Reihen. Dies ist nicht nur ein Problem mit Blick auf die Repräsentativität.

Ganz praktisch: Die Kandidaten, die die Zustimmung der Mitglieder finden, treffen vor diesem Hintergrund eben nicht mehr automatisch den Nerv bei Wählerinnen und Wähler. Resing formuliert es provokativ so: „Die Mitglieder der CDU sind nicht mehr Spiegelbild der Anhänger- und Wählerschaft. Anhänger und Wähler sind aber letztlich wichtiger als Mitglieder. Oder?“

Dieser Idee mag ich mich nicht anschließen. Es braucht Mitglieder, die in einer Volkspartei eben nicht nur Ämter und Funktionen anstreben, sondern die Politik der CDU mittragen und in der Diskussion in der Familie, am Arbeitsplatz oder im Freundeskreis verteidigen. Diese Mitglieder kann man nicht bezahlen. Sie sind Gold wert für eine Partei und wir haben viele Männer und Frauen, die eben aus Überzeugung und mit Herzblut Christdemokraten sind. Übrigens: Aus ihren Reihen wird auch der nächste Kanzler oder die nächste Kanzlerin der CDU nach Angela Merkel kommen. Wann das ist, das bleibt abzuwarten. Kanzlermaschine aber will die CDU bleiben.

Auch weil Christdemokraten für sich in Anspruch nehmen, dass wir fürs Land arbeiten und die Ergebnisse und Entscheidungen die Bundesrepublik zu dem gemacht haben, was sie heute ist: das beste Deutschland, das es je gab.

(Fotos: Judith Hoppermann)

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