Computerspiele sind ein Kulturgut? Computerspiele sind ein Kulturgut!
Die Gamescom „spült“ ein Thema ins öffentliche Bewusstsein, dass uns dieses Jahr bereits rund um die Verleihung des Deutschen Computerspielpreises beschäftigt hat. Die Auszeichnung als bestes deutsches Computerspiel für den Ego-Shooter Crysis 2 hat am Ende nicht nur eine erneute Debatte um Ego-Shooter und Computerspiele ganz allgemein ausgelöst. Im Hintergrund stand bei manchen Diskussionsteilnehmer die mehr oder weniger offen formulierte Frage, ob Computerspiele generell ausgezeichnet werden sollten. Sind Computerspiele also prinzipiell nicht preiswürdig? Sind sie kulturell nicht wertvoll? Diesen Streit gibt es nicht nur in Deutschland, aber leider wird er bei uns auf eine Art und Weise geführt, die ärgerlich ist. Niemand würde in Zweifel ziehen, dass Filme ein Kulturgut sind (ohne zu behaupten, dass jeder Film automatisch kulturell wertvoll ist). Das „Spiel des Jahres“ – wohlgemerkt eine Auszeichnung für Brettspiele – gilt als echtes Qualitätsmerkmal. Nicht nur Leute, die gerne Brettspiele spielen, sondern auch die, die welche verschenken, orientieren sich an diesem Gütesiegel. Warum tun sich manche also so schwer mit Computerspielen?
Damit verbunden ist die Frage, ob einzelne Genres differenziert betrachtet werden oder man eine grundsätzliche Haltung einnimmt. Um es klar zu sagen: nach meiner Auffassung sind Computerspiele genauso ein Kulturgut wie Filme, Musik oder auch die bildende Kunst – zumal Computerspiele oft Elemente aus allen drei Kulturgütern enthalten und vereinen. Mit dieser Meinung stehe ich offensichtlich nicht alleine. An der Zahl begeisterter Spieler mangelt es längst nicht mehr, wie eine Umfrage des BITKOM jüngst ergab: 35 Prozent aller Deutschen spielen Computerspiele!
Auch in den USA ein Thema
In den USA arbeiten 120.000 Menschen in der Spielebranche konnte man in einem spannenden Artikel in der USA today vom März diesen Jahres nachlesen. Im berühmten Smithsonian American Art Museum zeigt eine Ausstellung unter dem Titel „The Art of Video Games“ zu genau diesem Thema, zu der man auch im Netz zahlreichen Informationen findet. Die Ausstellung macht noch einmal bewusst, welche Entwicklung Computerspiele in den letzten Jahrzehnten genommen haben – und gerade aus heutiger Sicht sind die Klassiker von PacMan bis Super Mario Brothers nicht nur Kult, sondern Teil einer eigenständigen Kultur geworden. An modernen Spielen fasziniert nicht nur die Technik. Namhafte Künstler – von Musikern bis hin zu Designern – arbeiten heute an Computerspielen mit oder werden durch diese inspiriert.
Das Museum hat die Ausstellung mit den Worten angekündigt: „We certainly are offering games that we feel have a lot of creativity and a lot of artistic qualities to them, and we are inviting the audience to come form their own opinion.“ Diese Sicht würde ich mir auch in Deutschland wünschen – vor allem auf Seiten der Kritiker von Computerspielen. Denn oft drängt sich da ja der Eindruck auf, dass die größten Kritiker sich selbst noch gar nicht mit Games auseinandergesetzt haben.
Wie ist es Deutschland?
Laut Angaben des Branchenverbandes BIU ist die „Szene“ in Deutschland deutlich kleiner. Aber immerhin 10.000 Menschen finden hier Arbeit und Brot. Es gibt 275 deutsche Unternehmen am Markt, 23 Millionen Deutsche spielen regelmäßig Computerspiele, und Deutschland setzt gerade im Bereich der Online- und Browsergames Maßstäbe. Hinzu kommt mit Crytek, ansässig in Frankfurt, ein echter global player, dessen Ego-Shooter Crysis 2 gerade mit dem Deutschen Computerspielpreis 2012 als bestes deutsches Computerspiel ausgezeichnet wurde. Über die Entscheidung der Jury, der ich angehört habe, gab es eine breite Debatte. Ich habe dazu im Spiegel ein Interview gegeben, das man hier nachlesen kann.
Vielleicht erreicht man die Kritiker aber auch mit einem anderen Argument, wenn man sie nicht für die Faszination von Computerspielen als solchem begeistern kann. Immerhin geben die Deutschen 1,99 Milliarden Euro für Computerspiele aus. Damit sind Spiele in jedem Fall ein Wirtschaftsfaktor. Games sind inzwischen innerhalb der deutschen Unterhaltungsindustrie damit die Nr. 1. Aber zurück zum eigentlichen Thema. Wie ist es mit der Kultur? Offenbar gibt es da Nachholbedarf, sonst würde nicht der andere Branchenverband G.A.M.E. – der Bundesverband der Computerspieleindustrie – explizit das Eintreten für die Gleichbehandung der Computerspielbranche mit anderen Teilen der Kreativwirtschaft zu einer seiner zentralen Aufgaben erklären. Wenn ich mir die gelungene Preisverleihung des DCP und der LARA vor Augen führe, aber im Vergleich dazu sehe, wie sich andere Bereiche der Kulturbranche in Szene setzen, dann gibt es hier in der Tat noch etwas zu tun. Und auch die mediale Aufmerksamkeit für Computerspiele außerhalb der einschlägigen Magazine ist verbesserungswürdig.
Hochqualifizierte Jobs aber mit welcher Ausbildung?
Ich habe mich ja schon einmal mit der Frage auseinandergesetzt, welche Arbeitsplätze da eigentlich entstehen. Hier zu Erinnerung der Link! Wer weitere Details über die wirtschaftlichen Eckdaten wissen möchte, dem empfehle ich den Games-Report 2012 zur Lektüre! Kultur ist hier – was in Deutschland ja nicht selbstverständlich ist – kein Widerspruch zu wirtschaftlich erfolgreichem Handeln. Oder muss man bei uns subventioniert werden, damit man den Ansprüchen derjenigen gerecht wird, die im Feuilleton darüber entscheiden, was Kultur ist und was nicht? Ich glaube kaum.
Eine Reise wert – das Computerspielemuseum
Nicht nur im Netz gibt es die Möglichkeit, sich dem Thema Computerspiele und Kultur zu nähern! Wer sich mit dem Thema „Computerspiele als Kulturgut“ näher beschäftigen möchte, dem empfehle ich einen Besuch im Computerspielemuseum in Berlin. Nach meiner Kenntnis ist es das einzige nicht subventionierte Museum in Berlin. Und es ist sein Eintrittsgeld wert! Spätestens nach dem Besuch dürfte die Frage, ob Computerspiele eine Kulturgut sind, zu einer rhetorischen geworden sein. Die beiden Bilder dieses Blogposts sind übrigens Artworks aus dem ausgezeichneten Spiel „Crysis 2“. Ich danke Crytek für die Bereitstellung der Bilder.
sehr intresant