Endlich! Schwarze Netzpolitik!
Jetzt hat die CDU endlich auch einen eigenen Ort im Netz, um die netzpolitischen Vorstellungen und Ziele deutlich zu machen und zur Diskussion zu stellen. Zu finden unter: www.netzpolitik.cdu.de.
Ich freue mich sehr, dass wir damit ein Angebot sowohl für die Partei selbst, aber auch darüber hinaus machen, um netzpolitische Vorstellungen der CDU zu erarbeiten und zu diskutieren.
Ziel ist dabei nicht, irgendjemandem hinterherzulaufen. Spackeria oder Netzaktivisten, die sich dem linken politischen Spektrum zuordnen, werden angesichts unserer Positionen nicht laut jubeln und applaudieren. Kein Wunder, denn sie werden bei uns nicht ihre einfachen Antworten wiederfinden. Wie meist, ist die Position der CDU differenzierter.
Das Thema Netzneutralität ist hierfür ein gutes Beispiel. Da die CDU eine gesetzliche Regelung nur für den Fall treffen will, dass Netzneutralität ernsthaft gefährdet sein sollte – und entgegen den Behauptungen der politischen Linken ist sie es in Deutschland derzeit nicht –, riecht manch einer sofort Verrat. Wer also nicht für eine „Vorratsgesetzbung“ zur Netzneutralität ist, der ist anscheinend grundsätzlich gegen Netzneutralität, so die Unterstellung. Das ist natürlich falsch. Die CDU ist für Netzneutralität. Kein Wunder, denn wir sehen darin einen Grundpfeiler des Internets.
Wir wollen aber weder eine Vorratsgesetzgebung noch errichten wir Dogmen. Netzwerkmanagement lehnen wir genauso wenig grundsätzlich ab wie unterschiedliche Qualitätsklassen. Diese kann nicht anstelle des Best-Effort-Internets geben, sondern allenfalls ergänzend. Mehr zu diesem Thema unter: http://petertauber.wordpress.com/2011/10/20/netzneutralitat-ja-bitte/
Die Forderungen des AK Netzpolitik sind auch ein Debattenbeitrag zur Meinungsfindung in der CDU. Dass die Union hier bereits zahlreiche Diskussionen ausgefochten hat – beispielsweise zum Thema Netzsperren, aber auch noch zahlreiche Positionen formuliert und gefunden werden müssen, ist kein Geheimnis. Ich gebe zu: Wir haben dabei in unserer Partei noch Überzeugungsarbeit zu leisten.
Ich beteilige mich gerne an den Debatten im Arbeitskreis Netzpolitik meiner Partei, denn ich denke, wir bleiben bei den nun gefundenen Positionen in vielfacher Hinsicht unserer grundsätzlichen Linie als Christdemokraten treu: Wir haben selten spektakuläre Ziele formuliert, sondern wir suchen meist nach einem dritten Weg. Die Soziale Marktwirtschaft redet weder dem Sozialismus noch dem Kapitalismus das Wort, sondern ist ein erfolgreicher Versuch, etwas Neues zu schaffen. Genauso wollen wir mit unseren netzpolitischen Vorstellungen einen anderen Weg suchen: Wir setzen weder auf die Regulierungsmacht des Staates noch auf die vollständige Freiheit – was immer darunter zu verstehen wäre.
Übrigens stelle ich immer wieder mit Erstaunen fest, dass es gerade diejenigen sind, die eben noch den Staat und seine Institutionen verdächtigen, Bürgerrechte aushöhlen zu wollen, die dann von eben diesem Staat erwarten, dass er das „freie Internet“ durch Gesetze sichert. Das ist ein Widerspruch, den die politische Linke bis heute nicht ausräumen kann.
Wir wollen, dass das Internet zu einem Segen für unser Land, für unsere Bürgerinnen und Bürger und für unsere Volkswirtschaft wird. Wie so oft sind wir dabei auch der Überzeugung, dass die Politik in wesentlichen Punkten nur die Rahmenbedingungen setzen darf.
In kaum einem anderen Politikfeld wird in der Netzpolitik deutlich, wie wichtig der Einzelne ist. Die Verantwortung, die aus der Freiheit erwächst, verlangt eben von jedem Bürger nicht nur eine stärkere Beteiligung am öffentlichen Diskurs in der digitalen Gesellschaft. Wir sollten uns auch fragen, wie wir diesen Diskurs führen und wie wir öffentliche Teilhabe organisieren.
Weil der Staat im Netz nicht alles regeln kann, regeln will und regeln darf, wird die Verantwortung des Einzelnen wachsen. Wie wir miteinander umgehen – gerade auch im Internet – wird am Ende zeigen, ob wir eine aufgeklärte, reife und wirklich tolerante Gesellschaft sind.
„Übrigens stelle ich immer wieder mit Erstaunen fest, dass es gerade diejenigen sind, die eben noch den Staat und seine Institutionen verdächtigen, Bürgerrechte aushöhlen zu wollen, die dann von eben diesem Staat erwarten, dass er das „freie Internet“ durch Gesetze sichert. Das ist ein Widerspruch, den die politische Linke bis heute nicht ausräumen kann.”
Den Widerspruch kann ich hier beim besten Willen nicht erkennen. Die politische Linke will in ihrer Mehrzahl einen Staat, der die Freiheitsrechte seiner Bürger schützt und dafür notwendige Maßnahmen selbstverständlich umsetzt. Dieser Staat soll mit seinen drei klassischen Gewalten sicherstellen, dass die Freiheit — um im Beispiel der Netzneutralität zu bleiben — nicht durch wirtschaftlichen Wettbewerb eingeschränkt wird. Deswegen ist ein Ansatz des Abwartens bei der Netzneutralität auch so fatal: der Zugangsmarkt hat kein Interesse an einem neutralen Netz, weil die Zugangsanbieter hierdurch keinen Mehrnutzen haben. Im übrigen erinnere ich hier an die Entwicklungen der letzten Jahre, als beispielsweise VoIP in vielen Mobilfunknetzen gesperrt oder P2P gedrosselt wurde. Es wurden also schon sehr wohl Netze beschränlt.
Ein Staat, der Freiheitsrechte sichert, ist zwingend notwendig. Ein Staat, der seinen Bürgern misstraut und etwa durch Vorratsdatenspeicherung potentiell misstraut, ist hingegen nicht unterstützenswert.
„Ich will einen Staat, der die Freiheitsrechte seiner Bürger schützt“ ist doch eine hohle Leeraussage, weil sie sich vor der Kernfrage drückt wessen und welche Freiheit gemeint ist. Grad so wie die Aussage „ich will Gerechtigkeit – sag aber nicht dazu welche ich meine“. Und dann kann sich der geneigte Leser selbst raussuchen ob Chancen- oder Ergebnisgerechtigkeit gemeint ist; was meist so ziemlich 180 Grad gegenüber liegt.
Versuchen wir es mal mit den Freiheitsrechten. Ist die Freiheit gemeint dass der böse Bube sich ungestört zu bösen Taten verabreden oder jegliches schräge Gedenkengut verbreiten darf? Ist die Freiheit gemeint, anderer Leute geistiges Eigentum unbezahlt zu nutzen oder gar dran zu verdienen? Sprechen wir von der Freiheit dass ein erwachsener Mensch selbst entscheiden kann wie weit er auf Facebook und co die Hosen runterlassen will?
„’Ich will einen Staat, der die Freiheitsrechte seiner Bürger schützt‘ ist doch eine hohle Leeraussage, weil sie sich vor der Kernfrage drückt wessen und welche Freiheit gemeint ist.”
Nun, die Kommentarspalte in einem Blog ist nur schwer für eine breite Auslegung des Freiheitsbegriffs zu nutzen. Ich will es trotzdem kurz versuchen.
Im konkreten Fall der Netzneutralität stehen sich zwei Grundfreiheiten gegenüber: Das Recht der Bürger auf ihre politischen und persönlichen Freiheiten auf der einen und das Eigentumsrecht der Zugangsanbieter auf der anderen Seite. Und in diesem Fall ist das Grundgesetz recht eindeutig: Im Artikel 14 kennt es die Bindung des Eigentums an das Wohl der Allgemeinheit, wozu auch die Wahrnehmung der Grundrechte zählen dürfte. Mithin ist sicherzustellen, dass Bürger bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte — und das geschieht heute mit Hilfe des Internets — nicht deswegen eingeschränkt werden, weil die Eigentumsrechte anderer höher gelten. Deswegen halte ich eine Sicherung dieser Freiheit durch eine Vorschrift zur Netzneutralität sehr wohl für richtig und gerechtfertigt. Da darf man auch nicht warten, bis die Grundrechte denn faktisch durch Markthandeln eingeschränkt werden.
Hier ein wunderbares Beispiel warum ich ein Problem habe mit der typisch deutschen Haltung zum Datenschutz. Zitat aus dem Bericht des CDU Arbeitskreis Netzpolitik: „Die Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten ist nach der Gesetzeslage in Deutschland grundsätzlich verboten. Nur in gesetzlich geregelten Ausnahmefällen oder beim Vorliegen einer Einwilligung des Betroffenen ist dies gestattet.“
Übertrieben verkürzt: es ist erstmal alles verboten.
Wenn ich einfach mal schau wo wir geschichtlich herkommen, von der European Human Rights Convention, zu den OECD Richtlinien bis zur e-Privacy Directive oder ganz aktuellen Meinungen der Art.29 working party dort geht es immer um die positive orientierte Frage was muss getan werden um Datenaustausch ZU ERMÖGLICHEN und nicht was braucht es zu dessen VERHINDERUNG.
Bei gleichen Grundannahmen dessen was wir sicherstellen wollen, tun wir Deutsche uns unnötig schwer, weil wir nur das Verbot im Auge habe. Andere im Detail die gleichen Dinge erreichen sie gehen es aber mit einer konstruktiven Haltung an. Etwa „wie kann ich Daten erheben, speichern, verarbeiten, austauschen, löschen und dabei die Rechte des Individuums sicherstellen“. Das ist eine ganze andere Fragestellung als die oben zitierte Einleitung.
Wir Deutschen sollten mal anfangen und uns die blöde Geisteshaltung abzugewöhnen dass wir immer zuerst ein bisschen heiliger als der Papst sein müssen. Egal welche neue Geschichte daher kommt wir sehen zuerst die Gefahren; andere sehen in der gleichen Situation zuerst die Möglichkeiten. Beide müssen sich an die gleichen Gesetze halten. Aber ich wette dass der mit der weltoffenen Haltung sowohl am Start als am Ziel die besseren Karten hat.
Ich bin ja hoch erfreut, dass die CDU sich endlich auch der Netzpolitik widmet. Früher stand die CDU für großen Lauschangriff, Vorratsdatenspeicherung, Zugangserschwerungsgesetz, Verschärfung des Urheberrecht (wie bei der Beschnüffelung von Lehrer und Schülern durch Copyright-Trojaner) und Erstellung von Bildschirmkopien mit Schnüfffeltrojanern und der Fähigkeit beliebige Software nachladen zu können, obwohl Richter nur die Überwachung der Kommunikation (mit Skype) angeordnet hatten.
Ich fände, es wäre ein großartiger Schritt, wenn die Abgeordneten im Bundestag darauf drängten, dass die Gesetze, die sie der Regierung vorgegeben haben auch eingehalten werden. Der Prof. Dirk Heckmann von der CSU hatte doch gutachterlich ermittelt, dass das von der CDU und CSU (sowie FDP in Bayern und Sachsen im Bundesrat) mitbeschlossene Zugangserschwerungsgesetz keine Ermächtigung enthalten habe für die Regierung, den Vollzug des Gesetzes auszusetzen, wie der der BMI von der CSU nun handhabt. Hier wäre es ein gutes Signal für die Union, wenn man Gesetze, die man beschliesst einfach auch umsetzt.
Da nun aber mittlerweile die Mitstreiter von Ursula von der Leyen für das Zugangserschwerungsgesetz nicht mehr so zahlreich sind und sich andere von der CDU mitbeschlossene Gesetze wie die Vorratsdatenspeicherung vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig beurteilt wurden, wäre es da nicht ein gutes Signal, dass man das Personal, dass VDS und Zugangserschwerungsgesetz unbedingt haben wollte, aber zur Missachtung des Zugangserschwerungsgesetzes schweigt, einfach austauscht, um die Netzpolitik auch mit Glaubwürdigkeit auszustatten? Ich habe da ein großes Problem mit, wenn Abgeordnete der Union im Hauptberuf Gesetze beschliessen, deren Einhaltung sie nicht überwachen.
Aber ich glaube, die Piraten haben der Union so viel Dampf gemacht, dass es auch in der Union mit der Netzpolitik was ordentliches werden könnte. Das freut mich sehr. Ich bin da gespannt auf ihre neuen personellen und inhaltlichen Vorschläge. Eine Anpassung des Urheberrechtes an die Neuzeit wie auch eine Neugestaltung des Datenschutzes fände ich persönlich drängend.
Vielleicht noch ein Hinweis: es wird immer noch als Grundsatzprogramm der CDU im Internet verbreitet, dass ein Ausstieg aus der Atomenergie nicht möglich sei, obwohl unsere Bundeskanzlerin, die ja auch CDU-Mitglied ist, eine andere Politik macht. Lassen sich da die Netzverlautbarungen nicht auch mit der Realität synchronisieren?
Danke für den Kommentar. Zum letzten Punkt: Es ist nunmal nicht möglich, dass ein online-Redakteur im Konrad-Adenauer-Haus einfach mal das Grundsatzprogramm umschreibt, wenn die Bundestagsfraktion und eine von der Union geführte Regierung anders handelt, als es einmal auf einem Parteitag im Grundsatzprogramm beschlossen wurde. In der Tat müsste also ein Parteitag diese Passage per Beschluss ändern. Solang es anders im Grundsatzprogramm steht ist es wohl eher eine Mahnung, dass wir unseren neuen energiepolitischen Kurs gut erklären und begründen müssen.
„… und zur Diskussion zu stellen.“
„… zu erarbeiten und zu diskutieren.“
„… wie wir diesen Diskurs führen …“
Jetzt schreiben Sie so viel von Diskussionen und wenn ich den Link durchklicke, sehe ich nur eine müde Kommentarfunktion auf der Hauptseite und einen „Kontakt“-Link. Das ist keine Diskussion! Das wird nicht reichen!