Die Berliner Abendplanung

Dem Klischee nach ist der Politikbetrieb in Berlin ja von den so genannten „Häppchen-Partys“ geprägt. An den Abenden werden die Abgeordneten angeblich von Unternehmen und Verbänden durchgefüttert und von Lobbyisten belagert. Für die Öffentlichkeit kaum nachvollziehbar werden dann – so die böswillige Vermutung – die wichtigen Entscheidungen im Hinterzimmer und ohne Öffentlichkeit getroffen. Wie so oft sieht die Wirklichkeit dann doch ein bisschen anders aus.

Auch ich bekomme pro Tag in der Sitzungswoche mindestens 20 Einladungen zu Veranstaltungen, die ich an den Abenden besuchen könnte. Parlamentarische Abende, Diskussionsveranstaltungen, Hearings, Hintergrundgespräche, Abendessen, Präsentationen: es gibt fast nichts, was es nicht gibt. Da fällt die Auswahl schwer. Was tun? Sinnvoll kann man aus meiner Sicht maximal zwei Termine pro Abend wahrnehmen. In der Regel entscheide ich mich für die Veranstaltungen, die einen Bezug zu meiner inhaltlichen Arbeit in den Ausschüssen haben. Ein Abendessen mit der Evangelischen Jugend oder ein Gespräch mit Freiwilligenorganisationen steht dann in der Abwägung der Vorstellung einer Jugendstudie oder einem Gedankenaustausch in vertrauter Runde mit der Arbeitsgemeinschaft Jugendhilfe gegenüber. Will man nicht nur kurz reinschauen und winken und zum nächsten Termin weiterhetzen, dann sollte man sich mindestens eine Stunde Zeit nehmen. So versuche ich es zumindest zu handhaben.

Bei den größeren Veranstaltungen kommt noch etwas hinzu: das gemütliche Essen fällt meist deswegen flach, weil ständig Menschen auf mich zukommen, die ein Anliegen haben, um einen Termin bitten oder mich als Ansprechpartner für ihre Anliegen kennenlernen wollen. Auch nach zwei Jahren im Bundestag treffe ich immer wieder engagierte Menschen und Verbandsvertreter aus dem weiten Feld der Kinder- und Jugendpolitik, die ich noch nicht kenne. Und natürlich trifft man viele bekannte Gesichter. „Wann stellen Sie Ihre nächste Studie vor?“ „Konnten Sie unsere Stellungnahme zum neuen Gesetzesvorhaben schon lesen?“ „Darf ich Sie zu einem Gespräch mit 150 Freiwilligen in den Odenwald einladen?“ Außerdem sind diese Veranstaltungen oft auch eine tolle Gelegenheit, um mit den meist ebenfalls zahlreich anwesenden Kolleginnen und Kollegen – auch aus den anderen Fraktionen – zu sprechen. Oft kann man noch einmal Diskussionen fortführen. Fraktionsübergreifend entstehen gute Gespräche. Man kennt und schätzt oft die Kollegen der anderen Feldpostnummer – bis hin zur freundschaftlichen Verbindung.

Für nicht wenige Kollegen enden diese Abende recht spät im Büro. Denn schließlich warten da noch Briefe, die unterschrieben werden wollen und Post, die beantwortet werden muss. Wer glaubt, man könne sich an den Abenden als Bundestagsabgeordneter dem süßen Nichtstun hingeben, den lade ich gerne einmal ein, mich einen Tag zu begleiten. Damit ich nicht falsch verstanden werde: viele dieser Termine sind durchaus angenehm. Aber jedem Gesprächspartner die verdiente Aufmerksamkeit zu widmen, sich Anliegen und Fragen zu notieren, sich natürlich auch kritischen Diskussionen zu stellen – das ist ein Teil meiner Arbeit und es ist durchaus anstrengend. Mir macht es trotzdem Spaß, denn es ist die Gelegenheit, mit Fachleuten, Journalisten und Kollegen auch dort über die Richtigkeit von Entscheidungen zu diskutieren.

Ganz oft kommt es übrigens auch vor, dass ich meine Abendplanung über den Haufen schmeißen muss. Dann darf mein Büro noch kurzfristig um 20 Uhr beim Gastgeber anrufen, um mich zu entschuldigen. Der Grund ist in der Regel die Präsenz im Plenum. Auch letzten Donnerstag habe ich bis 23 Uhr an der Plenardebatte teilgenommen. Statt Häppchen gab’s dann Currywurst an der S-Bahnstation in der Nähe meiner Wohnung im Wedding. Ganz ehrlich: nach einem langen Tag schmeckt die tausendmal besser als Louisanna-Flußkrebse oder Antipasti.

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