Eine Rede zu Protokoll
Manche stellen sich das ganz einfach vor, eine Rede im Bundestag zu halten. Unabhängig von der Rede selbst, gibt es da aber eine Menge Dinge zu beachten. Im letzten Jahr konnte ich fünf Mal im Plenum sprechen. Da stellt sich dann irgendwann auch so etwas wie Routine ein. Vor der ersten Rede – das gebe ich unumwunden zu – ist man allerdings schon etwas nervös, selbst wenn man sich einredet, dass das im Prinzip auch nichts anderes sei, als wenn man im Kreistag redet. Wie läuft das eigentlich ab, bin ich mehrfach gefragt worden. Zunächst wird man einige Tage – im Idealfall eine Woche vorher – informiert, dass man zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt spricht. Es kommt aber auch schon vor, dass man erst einen Tag vorher von seinem Einsatz erfährt. Die Redner und die Redezeiten werden von den jeweiligen Vorsitzenden der Arbeitsgruppen in der Fraktion festgelegt. Entscheidend ist dabei natürlich vor allem, ob der Tagesordnungspunkt sich in den so genannten „Berichterstattungen“ widerspiegelt. Wer also in der Fraktion Berichterstatter zum Thema „Hartz IV“ ist, der wird mit großer Wahrscheinlichkeit oft im Bundestag sprechen. Wer für Tierschutzfragen oder Zivildienst zuständig ist, vermutlich seltener. Nun kann es natürlich sein, dass ein Thema unerwartet in den Focus der Öffentlichkeit gerät und es regelmäßig wiederkehrende parlamentarische Diskussionen gibt – und schon ist man ein „gefragter Redner“. Als Berichterstatter für die Freiwilligendienste konnte ich daher aufgrund der Aussetzung der Wehrpflicht im vergangenen Jahr drei Mal sprechen. Und wahrscheinlich wird es zu diesem Thema noch weitere Parlamentsdebatten geben.
Nachdem man dann weiß, zu welchem Thema man spricht, beginnt die Vorbereitung. Natürlich liest man nicht nur den jeweiligen Antrag. Gab es zu dem Thema in der vergangenen Legislaturperiode schon Debatten? Was haben die Redner dort vorgetragen? Welche Partei hat welche Position? Was sagen Experten und Betroffene? Mit wem kann man sich vorher eventuell noch austauschen? All diese und noch weitere Punkte gilt es abzuarbeiten. Bei der ersten Rede kommen noch andere, vermeintlich banale Aspekte hinzu: Wie bekomme ich das hin, dass ich die Redezeit nicht überziehe (oder – was mindestens genauso „schlimm“ ist – Redezeit verschenke)? Wie reagiere ich auf Zwischenrufe oder Fragen? Und wie um Himmelswillen bekomme ich das Rednerpult eigentlich auf die richtige Höhe eingestellt? Die guten Ratschläge von Kolleginnen und Kollegen aus der Fraktion sind ehrlich gesagt nicht immer dazu angetan, zur Beruhigung beizutragen. Man fragt sich selbst: Soll ich die Rede ausformulieren oder Stichworte benutzen? Am Ende – wie so oft – war alles halb so wild. Und es gibt bei der ersten Rede im Bundestag einen schönen Brauch: Am Ende der Rede gratuliert der Bundestagspräsident zu dieser ersten gehaltenen Rede und wünscht viel Erfolg für die weitere parlamentarische Arbeit. Und dann klatschen alle anwesenden Kolleginnen und Kollegen Beifall – was ja nicht unbedingt üblich ist in den normalen politischen Debatten. Das ist übrigens ein gutes Beispiel für den oft kollegialen Umgang miteinander, den ich oft erlebe (wobei auch Ausnahmen hier die Regel bestätigen).
Zwei Mal durfte ich im vergangenen Jahr eine Rede zu Protokoll geben. Was das nun wieder bedeutet? Manche Tagesordnungspunkte können aufgrund von Verzögerungen im parlamentarischen Ablauf nicht mehr beraten werden. Nicht zu jedem Thema kann und muss das Parlament um 2 Uhr morgens debattieren. Dann verständigen sich die Fraktionen darauf, Tagesordnungspunkte nicht in der Aussprache zu beraten und die Reden werden dann zu Protokoll gegeben. Dass diesen Reden dann eine gewisse „Würze“ fehlt, kann man sich vorstellen. Denn weder gibt es Zwischenrufe – wie ich das gerne tue – noch kann man auf diese in seiner eigenen Rede reagieren. Nun bin ich aber gespannt, wie oft ich im Jahr 2011 im Plenum des Deutschen Bundestages reden darf!
In Paragraph 33 der Geschäftsordnung des Bundestages steht: „Die Redner sprechen grundsätzlich in freiem Vortrag.“ Wie geht das denn, wenn Reden erst gar nicht gehalten werden? Wie soll jemand frei reden ohne Manuskript?
„Damals“, im Bonner Bundestag, so kommt es jedenfalls in einem Bericht „Redereste aus dem Bonner Bundestag“ vor, ermahnt die Vorsitzende: „Abgeordnete haben frei zu reden.“
Jetzt heißt es wohl nur noch: „Können ihre theoretisch gehaltenen Manuskripte zu Protokoll geben.“
Gute Frage. Da eine Rede zu halten ist gar nicht so leicht. Ich spreche immer frei, aber auch nicht ohne ein paar Stichworte auf einem Zettel.
Wofür schreibt man eine Rede, wenn sie nur zu Protokoll gegeben wird. Liest die jemand? Sind die wichtig für den weiteren Verlauf? Ist das nicht unnötige Arbeit?
Die Frage, wer diese Rede liest, ist gut. Meine Erfahrung ist, dass die betroffenen Verbände und besonders interessierte Bürger durchaus auch die zu Protokoll gegebenen Reden lesen. Und natürlich müssen die Referenten der Oppositionsfraktionen die Reden lesen – um zu wissen, was wir zu den jeweiligen Themen zur Protokoll gegeben haben! 🙂