Tu was für Dein Land. Tu was für Dich.
Am Montag der vergangenen Woche sind vorerst die letzten Wehrpflichtigen in Deutschlands Kasernen eingerückt. Und es werden voraussichtlich die letzten bleiben, bis sich – was Gott verhüten möge – die sicherheitspolitische Lage so dramatisch verändert, dass unser Land wieder auf das Prinzip von Gerhard von Scharnhorst (1755-1813) zurückgreifen muss, nachdem „alle Bürger des Staates geborene Verteidiger desselben“ sind. Manche bejubeln nun das Ende des „Zwangsdienstes“. Ich weiß offen gestanden nicht so recht, ob ich über das Ende von Wehr- und Zivildienst froh sein soll. Vielleicht liegt das auch an meinen eigenen Erfahrungen. Ich bekenne: Ich bin am Anfang auch nicht freiwillig und mit Begeisterung zu den Fahnen geeilt. Ich musste, weil Heuschnupfen und Allergie als Grund zur Ausmusterung nicht ausreichend waren.
Für mich war die Zeit bei der Bundeswehr in vielerlei Hinsicht lehrreich. Zwar konnte ich einen großen Teil der militärischen Kompetenzen im Zivilleben nicht wirklich gebrauchen – ein Rekord beim Zerlegen und Zusammensetzen des MG ist im Studien- und Berufsalltag selten hilfreich -, aber es gab durchaus Dinge in der Ausbildung, von denen ich heute noch profitiere. Meine Ausbilder haben nicht nur viel von mir – von uns – verlangt, sie haben mir und meinen Leidensgenossen auch etwas zugetraut. Ich habe Dinge getan, bin an die Grenzen meiner Belastbarkeit gegangen und habe diese Herausforderungen gemeistert. Herausforderungen, denen ich mich freiwillig nie gestellt hätte. Und am Ende habe ich gemerkt: Du kannst viel mehr, als du ahnst.
Die zweite Erfahrung war, dass man meist die gestellten Aufgaben gemeinsam besser meistert und dabei die oft unausweichlichen Entbehrungen besser zu tragen sind, wenn man nicht wegschaut und jeder versucht, dem anderen zu helfen. Wer beim Gefechtsmarsch nach gefühlten 20 Kilometern und blutigen Blasen an den Füßen auf einmal gefragt wird, ob man noch laufen könne oder der Vordermann für die nächsten Kilometer den Rucksack für einen tragen soll, der weiß wovon ich rede. Wir haben das schlicht Kameradschaft genannt und nicht viel Aufhebens darum gemacht. Und wir wussten, wir können uns aufeinander verlassen.
Die viel beschworene Alkoholexzesse gab es in meiner Grundausbildung nicht. Ein gepflegtes Dienstabschlussbier am Donnerstag war da schon das höchste der Gefühle. An Feiern und Diskobesuche war während der Grundausbildung sowieso nicht zu denken, denn an der Ankündigung unserer Ausbilder, dass der erste Teil des Films Full Metal Jacket ihr erklärter Lieblingsfilm sei, war einiges dran. Natürlich war es längst nicht so schlimm. Aber für uns „verwöhnte Abiturienten“ war es eine enorme Umstellung. Wie oft haben wir geflucht und uns gefragt, warum wir nicht verweigert haben (dass wir geflissentlich ignorierten, dass auch viele Zivildienstleistende keinen leichten Job hatten, war uns natürlich klar).
Dass nicht jede dienstliche Tätigkeit sinnvoll schien und wir auch Tage hatten, die man als „Gammeldienst“ bezeichnen könnte, mag so sein, aber es war dann doch eher die Ausnahme von der Regel. Unterm Strich waren wir eigentlich recht froh, dass es nach der Grundausbildung eben nicht so weiterlief, wie in den ersten drei Monaten.
Der Wehrdienst war für mich eine Herausforderung, eine unliebsame Notwendigkeit, der ich mich gestellt habe. Interessant ist, dass diejenigen, die sich offen darauf eingelassen haben, in der Regel positive Erfahrungen und Erinnerungen mitgenommen haben. Wer ständig negativ und meckernd durch die Welt läuft, der findet und fand natürlich auch beim Bund genug Dinge, die man kritisieren konnte. Ich kann für mich nur sagen, dass ich viel über mich selbst, aber auch über andere Menschen gelernt habe. Manche nennen das abstrakt soziale Kompetenzen. Ich persönlich kann nur sagen, dass ich diese Erfahrungen nicht missen möchte.
Mit der Aussetzung der Wehrpflicht können junge Männer diese Zeit nun anders verplanen. Ob sie sie besser nutzen, sei dahingestellt. Darum kann ich jedem nur empfehlen, sich nach der Schule und der Ausbildung gut zu überlegen, sich für ein Freiwilliges Soziales Jahr, den neuen Bundesfreiwilligendienst oder eben auch einen einjährigen freiwilligen Dienst bei der Bundeswehr zu verpflichten. Unabhängig davon, dass unser Land von diesem Dienst profitiert, hat auch jeder selbst etwas davon. Tu was für Dein Land. Tu was für Dich.
Ging mir sehr ähnlich. Hatte nur sehr bedingt Interesse am Wehrdienst. Wollte aber auch nicht mit (v)erlogenen Argumenten verweigern. Im Nachhinein war der Dienst eine gute Erfahrung; man hat sehr viel über Menschen gelernt, über Zusammenhalt und in der Tat auch wie man über sich (bzw. die vermuteten eigenen Grenzen) hinauswachsen kann mit gutem Heranführen an Herausforderungen und Zusammenhalt. Möchte die Zeit nicht missen.