Beim Bundespräsident

Die Kollegin der SPD hat es treffend formuliert. Es war eine besondere Ehre und Wertschätzung, dass der Bundespräsident den Ausschuss Arbeit und Soziales zu einem Gespräch eingeladen hat. Und es war eine außergewöhnliche Unterbrechung der normalen Sitzungswoche. Dass nicht nur ich und die besagte Kollegin der SPD dies so empfanden, wurde schon bei der vorher stattfindenden regulären Ausschusssitzung deutlich. Die Herren waren diesmal ausnahmslos mit Krawatte erschienen und dunkle und gesetzte Farben prägten das Bild. Sind es sonst eher CDU und FDP, die die Würde des Parlaments auch durch die eigene Kleidung zum Ausdruck bringen, empfanden wohl alle Abgeordneten eine Einladung des Bundespräsidenten als etwas Besonderes.

Um es vorweg zu nehmen: das war es in der Tat. Bei der Ankunft im Schloss Bellevue und der obligatorischen Ausweiskontrolle stand schon am Eingang des Schlosses das Protokoll bereit. Zunächst folgte der Eintrag ins Gästebuch. Schwere Teppiche und wunderbare Gemälde – im Foyer grüßten Reichspräsident Friedrich Ebert und der erste Bundespräsident Theodor Heuss – gaben den Räumen die entsprechende Würde und Stil. So stellt man sich das vor, wenn man beim Staatsoberhaupt zu Gast ist. Dann folgte das Warten auf den Bundespräsidenten. Christian Wulff begrüßte die Abgeordneten herzlich und kam doch gleich zur Sache.

Keineswegs ging es nur um einen erneuten Schlagabtausch zwischen den Fraktionen unter der Gegenwart des Bundespräsidenten. Mindestlohn hier und erfolgreiche Krisenbewältigung da. Die Unterschiede wurden in Gegenwart des Staatsoberhauptes dann doch eher mit dem Bemühen um Konsens vorgetragen. Komisch, dass das sonst nicht geht. Christian Wulff hörte nicht nur aufmerksam zu. Er schrieb den Abgeordneten auch gleich etwas ins Stammbuch. Er hinterfragte sowohl die Forderung nach dem Mindestlohn kritisch und forderte umgekehrt die Regierungsfraktionen auf, sich noch stärker der Frage der Niedriglöhne zu widmen. Ich hatte den Eindruck, dass seine mahnende Worte aufmerksam zur Kenntnis genommen wurden. Christian Wulff hat eben entgegen aller „Besserwisser“ vor seiner Wahl die Statue eines Bundespräsidenten und füllt das Amt mit der notwendigen Würde und Ernsthaftigkeit aus. Das merkt man deutlich.

Seine Botschaft an die Abgeordneten war klar: Unser Land braucht den Mut zum Wandel und zur Veränderung. Und es ist die Hauptaufgabe der Politik für ein Mehr an Gemeinsamkeit in der Gesellschaft zu sorgen. Dies gelte sowohl für jung und alt, als auch für arm und reich sowie für Deutsche und Migranten. Sich bei Entscheidungen stets danach zu fragen, welche Folgen diese unter dem Aspekt des Miteinanders haben, ist neben den Notwendigkeiten der Tagespolitik sicherlich eine berechtigte Mahnung. Seine Hauptforderung war jedoch: Die Politik dürfe nicht den Umfragen nachlaufen und machen, was ankommt, sondern worauf es ankommt. Wohl wahr!

Die Sorge des Staatsoberhauptes galt aber neben der inhaltlichen Debatte auch der Zukunft unserer Demokratie ganz allgemein. Wie schon vor seiner Wahl gab Christian Wulff ein klares Bekenntnis zu den Parteien ab. Seine kritische Anmerkung, ob wir unsere Aufgabe wirklich erfüllen können, wenn schon zu Jahresbeginn mehr als 1.000 Termine im Kalender feststehen – vom Ausschuss bis zum Neujahrsempfang im Wahlkreis – ist nicht so falsch. In der Tat ist es schwierig, genug Zeit zu finden, um über Probleme grundsätzlich nachzudenken. Denn schließlich muss man nicht nur an den Gremiensitzungen in Berlin teilnehmen, sondern auch im Wahlkreis erwarten die Bürger durchaus ja zu recht eine ständige Präsenz. Unabhängig von den gewählten Volksvertretern gilt das von ihm gesagte auch ohne Abstriche für die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker, die wir im März neu wählen.

Auch über diese wird immer wieder geschimpft. Auch diesen unterstellt man allzu oft, sie würden ihr Amt nur ausüben, weil sie sich Vorteile davon versprechen oder weil der Befriedigung persönlicher Egoismen diene. Ganz ehrlich: Es gibt wohl wenige Klischees in unserem Land, die so falsch sind wie dieses. Nahezu alle ehrenamtlichen Politiker haben zunächst einmal unseren Dank dafür verdient, dass sie sich für ein solches Amt zur Verfügung stellen. Und wer findet, dass da nicht die besten, klügsten oder engagiertesten Bürgerinnen und Bürger kandidieren, der sollte selbst seinen Hut in den Ring werfen. Es ist nämlich ebenso ein Klischee, dass man in Parteien vor Ort nicht mitarbeiten kann. In der Regel sind alle Parteien froh, wenn Bürger mitarbeiten wollen. Also treten Sie in eine Partei ein und machen Sie mit, bevor Sie nächstes Mal bequem schimpfen.

Und übrigens: auf dem Tisch lag ein kleiner weißer Block mit dem Wappen des Bundespräsidenten für entsprechende Gesprächsnotizen. Den habe ich mitgenommen als meine persönliche Erinnerung an dieses Gespräch. Ich bin ganz der Meinung meiner Kollegin aus der SPD. Es war eine Ehre mit dem Bundespräsident zu diskutieren.

1 Kommentar zu “Beim Bundespräsident

  1. Schöner Bericht, Danke! Als einfacher kleiner Bürger hat man eher seltener Gelegenheit den Bundespräsidenten zu treffen.

    Die passende Meldung zu diesem Blogeintrag war gerade auf heise.de zu lesen:

    Bundespräsident Christian Wulff will den Dialog „zwischen Volk und Volksvertretern durch neue, transparente Formen der Beteiligung beleben“. Die Ankündigung liest sich gut, man darf gespannt sein wie die Initiative bei den Bürgern ankommt.

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