Warum Copy and Paste uncool ist
„Campact organisiert Kampagnen, bei denen sich Menschen via Internet an gesellschaftlichen Debatten beteiligen können. (…) Schnelles Handeln verbindet Campact mit phantasievollen Aktionen, die Öffentlichkeit für eine sozial gerechte, ökologisch nachhaltige und friedliche Gesellschaft herstellen.“ So weit die Selbstdarstellung der Initiative Campact im Internet (https://www.campact.de/campact/ueber-campact/campact-im-ueberblick/). Wie die erwähnten „phantasievollen Aktionen“ – offenbar eine freundliche Umschreibung für „unkreative Massenware zum Zwecke der Effekthascherei“ – unter anderem aussehen, zeigt folgende E-Mail, welche die Mitglieder der Landesgruppe Hessen im Deutschen Bundestag vor einigen Tagen erreichte:
https://www.campact.de/Volksentscheid-Aktion
Bitte informieren Sie mich über die mediale Öffentlichkeit über Ihre PERSÖNLICHE Meinung zur Demokratie!
Beste Grüße
J.W. (Name bekannt)
Mein Fraktionskollege Matthias Zimmer hat dem Unterzeichner wie folgt geantwortet:
ich weiß nicht, was mich an Ihrem Schreiben mehr ärgert: Die historische Unkenntnis, die sich darin manifestiert, oder die gewisse Rotzlöffeligkeit des Urteils. Deshalb, bevor ich Ihre Frage beantworte, ad usum delphini einige Vorbemerkungen.
Sie schreiben, es gäbe Widerstände gegen die Demokratie in der CDU-Bundestagsfraktion, nur weil dort wohlerwogene Gründe gegen die von Ihnen gewollten direkten Volksentscheide vorgetragen werden. Sie unterstellen damit, die CDU sei nicht mehr demokratisch bzw. sei es nur dann, wenn wir Ihre Forderungen teilen. Ich gehöre einer Partei an deren Gründungsgeneration die Schrecken der Naziherrschaft am eigenen Leib zu spüren bekommen hat. Einige davon haben im Widerstand gegen das Naziregime ihr Leben riskiert. Ich erinnere nur an Jakob Kaiser, der einer der Namensgeber der Bundestagsgebäude ist. Ich könnte aber auch an viele kirchlich und gewerkschaftlich gebundene Mitglieder der Gründungsgeneration der Union erinnern. Ihnen war allen die Demokratie ein heiliger Schatz nach den Gräueln des Nationalsozialismus. Einige haben ganz bewusst das Ende der Weimarer Republik erlebt und daraus die Konsequenz gezogen, die Demokratie selbst zu stärken. Vielleicht wissen Sie das alles nicht. Vielleicht ist Ihnen der beinahe existenzielle Ernst nicht bekannt, mit dem mit der Gründung unserer Partei Demokratie gelebt und verteidigt wurde. Ich kann Ihnen aber versichern: Dies ist nach wie vor der Fall.
Demokratie lebt von der Gewaltenteilung und der Repräsentation; das ist seit Montesquieu und Locke ein fester Bestandteil demokratischen Selbstverständnis. Zwar gibt es, etwa in der Tradition von Rousseau, auch durchaus Elemente identitärer und direkter Demokratie. Mir scheint aber, dass diese im terreur der Gesinnung unter Robespierre gründlich diskreditiert worden sind. Sie sind als Vorbild und Gestaltungsprinzip für unsere Demokratie wenig geeignet. Nicht wenige hatten bei der Gründung der Bundesrepublik Deutschland die große Sorge, dass es auch plebiszitäre Elemente gewesen sind, die mit zum Untergang der Weimarer Republik geführt hatte. Deswegen hat man Elemente direkter Volksentscheidung mit großer Vorsicht und Zurückhaltung betrachtet.
Ihre Sprache und ihre Unduldsamkeit mag auf Ihre Jugend zurück zu führen sein, aber sie könnte auch Ausdruck jenes terreur der Wohlmeinenden sein, die schon immer andere Meinungen nicht gelten lassen wollten und zunächst einmal als undemokratisch oder gegen den Geist der Demokratie diskreditiert haben. Das war und ist die Vorstufe totalitärer Denkhaltungen. Vielleicht tue ich Ihnen Unrecht, aber dann sollten Sie weniger missverständlich formulieren und einer Partei, die aus dem Terror des Dritten Reiches die Demokratie geformt hat unterstellen, wir seien nicht demokratisch, nur weil wir nicht Ihrer Meinung sind.
Und nun zur Antwort: Ja, ich lehne eine Ausweitung von Volksentscheiden auf Bundesebene aus grundsätzlichen Erwägungen ab. Darüber diskutiere ich auch gerne, aber nicht mit Leuten, die mich dann antidemokratischer Umtriebe verdächtigen.
Mit freundlichen Grüßen
Prof. Dr. Matthias Zimmer MdB
Dem ist aus meiner Sicht wenig hinzuzufügen. In einem Blog-Beitrag (http://blog.petertauber.de/?p=1291) habe ich bereits vor einigen Monaten deutlich zum Ausdruck gebracht, was ich von solchen Massenemails halte. Hier noch einmal eine kurze Zusammenfassung:
Wer einem Abgeordneten schreibt und möchte, dass seine Email auch direkt gelesen wird, der sollte ein paar simple Regeln beachten.
1. Die Anrede sollte individualisiert sein. Briefe und Emails an “Sehr geehrte Damen und Herren” oder am besten noch mit einer Anrede, bei der das Geschlecht des Adressaten durch “Sehr geehrte/r” individuell wählbar ist, steigern nicht die Lust des vermeintlichen Adressaten die Email auch wirklich zur Kenntnis zu nehmen geschweige denn sie zu lesen!
2. Copy and Paste ist nicht cool. Wer ein Anliegen hat, der sollte sich die Mühe machen, drei individuelle Zeilen zu formulieren. Seiner Empörung durch das simple Kopieren von Textbausteinen zum Ausdruck zu bringen schwächt die Empörung doch deutlich ab. Und im politischen Diskurs sollte das eigene Argument im Mittelpunkt stehen und nicht das, was Lobbyisten von Campact und Co. vorformuliert haben. Selber denken wird von Abgeordneten erwartet – zu recht. Aber selber denken sollten auch Bürgerinnen und Bürger und sich nicht vereinnahmen lassen.
3. “It’s the Internet, stupid!” Das Internet wird gepriesen als u.a. ein Ort des Austauschs zwischen Menschen. Dann sollte man es auch entsprechend nutzen. Es geht um die Kommunikation zwischen Menschen. Da passen Massenemails auch nicht wirklich. Sie sind technisch und kalt, wecken keine Emotionen und erlauben keinen wirklich persönlichen Austausch. Also lasst es bleiben. Schreibt Emails, twittert oder postet in sozialen Netzwerken – das ist Kommunikation.