Koalitionsverhandlungen – Wie funktioniert das eigentlich?
Endspurt! In Kürze soll er stehen, der Koalitionsvertrag mit der SPD. Ich bin gespannt, welche Forderungen der Arbeitsgruppen sich im endgültigen Entwurf von CDU, CSU und SPD wiederfinden werden. Als Mitglied der Arbeitsgruppe Kultur und Medien sowie der Unterarbeitsgruppe „Digitale Agenda“ war ich in den vergangenen Wochen unmittelbar an den Verhandlungen beteiligt. Sehr viel öfter als eigentlich vorgesehen führte mich mein Weg deswegen in die Hauptstadt. Die Wahlkreisarbeit vor Ort durfte aber natürlich trotzdem nicht zu kurz kommen – ein organisatorischer Balanceakt, der nur dank der Unterstützung meines Teams mit vereinten Kräften zu stemmen war.
Wer für die Union am Verhandlungstisch Platz nehmen darf, wurde nach den Sondierungsgesprächen und der grundsätzlichen Entscheidung für eine Große Koalition von der engeren Parteiführung festgelegt. Kurz danach ist CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe an mich herangetreten und hat mich von meiner Berufung in die beiden genannten Arbeitsgruppen unterrichtet. Eine große Ehre – nicht zuletzt aufgrund der Rekordstärke unserer Fraktion. Die Aufteilung der jeweiligen Fachpolitiker erfolgte nach Kompetenz und Erfahrung, aber auch nach Proporzgründen, die innerhalb der CDU, auch im Zusammenspiel mit der CSU, gewahrt werden mussten.
Da mein Schwerpunkt auf der Unterarbeitsgruppe „Digitale Agenda“ lag, hier nun einige persönliche Eindrücke, die sich in abgewandelter Form natürlich auch in der Arbeitsgruppe Kultur und Medien sowie sicherlich auch in anderen Arbeitsgruppen wieder fanden.
Spannend war die Frage, wen die SPD entsenden würde. In der Unterarbeitsgruppe „Digitale Agenda“ waren das unter anderem Lars Klingbeil und die ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, zwei Kollegen, mit denen ich bereits in der Enquetekommission „Internet und Digitale Gesellschaft“ gut zusammengearbeitet habe. Neu kennen- und in der politischen Arbeit schätzen gelernt habe ich Gesche Joost, vor wenigen Wochen noch „Internet-Schattenministerin“ unter Peer Steinbrück, und Björn Böhning, den ich bislang nur aus den Medien kannte. Die Arbeitsatmosphäre habe ich als sehr offen und kollegial empfunden. Natürlich wurde an der ein oder anderen Stelle auch mal hart gestritten oder gemeckert, am Ende sind wir uns in den wesentlichen Punkten aber einig geworden. Gerade mit Lars Klingbeil war das ein guter offener Austausch.
Wer glaubt, dass Koalitionsverhandlungen erst mal bei Null beginnen, der irrt gewaltig. Die „Knackpunkte“ wurden schon vor Beginn identifiziert und die wesentlichen Unterschiede herausgearbeitet, bzw. man weiß ja um die grundsätzlich unterschiedlichen Positionen aufgrund der politischen Debatten der zurückliegenden Legislaturperiode. Anhand dieser Linien haben wir anschließend bei rund einem halben Dutzend offizieller Sitzungen sowie unzähligen Terminen, Telefonaten und E-Mail-Wechseln um Kompromisse gerungen. Die eigentliche Arbeit wird oft parallel, quasi „zwischendurch“ erledigt. Apropos E-Mail: Soviel „elektronische Post“ wie in den vergangenen Wochen habe ich in manchen Arbeitsgruppen in der kompletten vergangenen Legislaturperiode nicht erhalten. Nicht alle klugen Dinge habe ich tatsächlich lesen können, dafür war die schiere Masse einfach zu groß.
Nachdem die ersten Papiere kursierten, traten natürlich zahlreiche Lobbyisten auf den Plan und haben – mehr oder weniger subtil – versucht, Einfluss auf die Verhandlungen zu nehmen. Um es deutlich zu sagen: Das hat oft genug genervt! Irgendwann habe ich via Twitter augenzwinkernd damit „gedroht“, jedem Lobbyisten, der etwas von mir möchte, genau das Gegenteil in den Koalitionsvertrag schreiben. Danach wurde es tatsächlich etwas ruhiger – so zumindest mein subjektiver Eindruck. Grundsätzlich ist es aus meiner Sicht in Ordnung, wenn Verbände ihre Sorgen und Interessen artikulieren. Das ist in einer parlamentarischen Demokratie sogar notwendig. Ob dazu gehört, dass man gewählten Volksvertretern Textbausteine schickt, damit diese dann in den Koalitionsvertrag eingefügt werden, mag jeder für sich selbst beurteilen.
Das von uns erarbeitete Grundlagenpapier – nachzulesen hier: UADA – liegt mittlerweile der „Großen Runde“ aus Union und SPD zur weiteren Beschlussfassung vor. Allen, die jetzt bemäkeln, dass dieses oder jenes fehlt oder aus ihrer Sicht zu schwammig formuliert ist, sei gesagt: Ein Koalitionsvertrag ist eine Absichtserklärung und nicht in Stein gemeißelt. Wir werden in den kommenden Jahren noch oft erleben, dass gut gemeinte Pläne an die aktuellen Entwicklungen der Tagespolitik angepasst werden müssen. Einige Themen, wie ein Internetministerium oder die Schaffung eines entsprechenden Ausschusses im Bundestag, haben wir bewusst in unseren Entwurf hineingeschrieben, wohl wissend, dass sich diese Vorschläge in dieser Form nicht im Koalitionsvertrag wiederfinden werden. Strukturfragen werden am Ende geklärt und tauchen in den Papieren folglich nicht auf. Vom Tisch sind sie deswegen noch lange nicht. Manchmal geht es eben auch darum, Themen zu setzen, damit die Parteiführungen sich damit auseinandersetzen. Am Ende werden wir feststellen, dass noch nie in einem Koalitionsvertrag so viel zum Thema Digitalisierung zu lesen war, wie in dem jetzt vorliegenden Entwurf. Damit kann man arbeiten.
Politik ist und bleibt das Bohren dicker Bretter.
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