Grün, grün, grün …. weiß alles besser!
Coverausschnitt: Norbert Golluch, Stano Kochan: Die grüne Wende. Frankfurt am Main, Eichborn Verlag 1985.
Als ich das letzte Mal darüber geschrieben habe, dass die Grünen inzwischen die Partei sind, die dem Bevormundungsstaat wieder das Wort reden, wurde ich kritisiert. Die von mir genannten Beispiele seien doch Einzelfälle, auch in anderen Parteien gebe es immer wieder Rufe nach neuen Verboten. Außerdem solle ich nicht auf anderen Parteien „rumhacken“. Nun gut. Nicht nur im Wahlkampf wird oft die Frage gestellt, was die Parteien denn eigentlich unterscheidet. Aus meiner Sicht sind es genau diese Punkte, die Union und Grüne unterscheidbar machen.
Ich bleibe dabei: Die Grünen unterscheiden sich vor allem deswegen von der CDU, weil sie ihre Politik moralisch überhöhen. Sie wissen, was richtig oder falsch ist. Das ist bei uns Christdemokraten anders. Erstens haben wir innerhalb unserer Volkspartei oft so ein großes Meinungsspektrum, dass wir es uns schlichtweg nicht erlauben können, jeden, der von der Parteilinie abweicht, zum Idioten und rücksichtslosen Egoisten abzustempeln, wie es die Grünen eben meist tun. Zweitens lehrt uns das christliche Menschenbild, dass der Mensch Fehler macht, dass er Schwächen hat und dass wir ihn annehmen sollen wie er ist. Das grüne Menschenbild geht zwar auch davon aus, dass Menschen Fehler machen (aber nicht alle, nur die, die noch nicht unter der Sonnenblume leben), aber man kann ihn „umerziehen“, zum besseren bekehren und im Zweifel durch Verbote die Welt besser machen.
Neue Beispiele für grüne Verbotsfantasien? Bitte, gerne! Cem Özedemir schrieb neulich auf Facebook, er wolle nichts mehr davon lesen, wenn CDU-Politiker zu Konzerten von Rock-Bands wie AC/DC gehen. Diese Musikgruppen würden sich sicherlich nicht mit der Politik der CDU identifizieren, darum sollten die „konservativen Politiker“ das doch sein lassen, so schrieb er sinngemäß. Das wäre ungefähr so, wie wenn man Cem Özdemir als grünem Politiker das Fliegen verbieten wolle. Ach halt, da war ja mal was mit den Bonusmeilen lieber Cem oder? Wer im Glashaus sitzt…
Ein Nutzer auf Facebook hat das wie folgt kommentiert: „Rock’n Roll steht nicht für Rauchverbot, Glühbirnenverbot und Motorrollerverbot. Rock’n Roll steht nicht für das subventionierte Solardach auf dem Reihenhäuschen. Rock’n Roll steht nicht für Political Correctness, Binnen-I und Gender-Gap. Rock’n Roll steht nicht für vegetarische Donnerstage in Beamtenkantinen. Rock’n Roll steht für viel, aber ganz bestimmt nicht für grüne Politik!“
Wer das Beispiel einfach abtun möchte, der sollte die dahinter zutage tretende Geisteshaltung nicht übersehen, die sich auch in anderen Bereichen zeigt: Keinesfalls harmlos ist der verdeckte Boykottaufruf mancher grüner Politiker, keine israelischen Produkte mehr zu kaufen – wegen der israelischen Politik in den „besetzten Gebieten“. Da hilft es auch nichts, wenn manche grüne Politiker das auf Produkte aus dem Westjordanland reduziert sehen wollen und eine Kennzeichnung solcher Produkte fordern. Die israelische Botschaft in Berlin reagierte zu Recht irritiert und erklärte, es handle sich um einen „weiteren Versuch, Israel negativ herauszuheben und dabei zu einem wirtschaftlichen Boykott aufzurufen“. Die Grünen sind natürlich empört. Bei einer Kennzeichnung von Produkten gehe es mitnichten um Boykott, sondern nur um die Ermöglichung einer „informierten Kaufentscheidung“. Danke, liebe Grüne. Wer also Produkte aus den – nach eurer Lesart – besetzten Gebieten kauft, der soll dabei wenigstens ein schlechtes Gewissen haben. Unabhängig davon, hat Euch Grünen keiner gesagt, wie haarscharf ihr damit an der Grenze des Antisemitismus entlangschrammt oder sie sogar überschreitet?
Drittes Beispiel: Die nordrheinwestfälische Gesundheitsministerin Barbara Steffens ist ein großer Freund homöopathischer Medizin. Als Privatperson ist das ihr gutes Recht. Es steht jedem frei, seine Gesundheit einem Arzt der eigenen Wahl anzuvertrauen. Bedenklich wird das ganze allerdings, wenn eine Ministerin ernsthaft naturwissenschaftliche Erkenntnisse in Zweifel zieht. Fehlt nur noch, dass Sie Charles Darwin als Scharlatan abstempelt. Was hat die Frau gesagt? Hier eine Kostprobe: “Also Erstens: Ich bin überzeugt davon, dass es wirkt, und dass es [die Homöopathie] individuell in vielen Fällen einfach das beste Mittel ist oder beste Weg ist, um die Selbstheilung der Menschen zu aktivieren. Das Zweite ist einfach, dass ich es anmaßend finde, dass irgendwer meint, dass man naturwissenschaftlich den Menschen, Krankheitsprozesse und Genesungsprozesse mal eben so einfach erklären könnte.“ Dazu fällt einem nicht mehr viel ein, finde ich. „Mal eben so einfach“ Krankheiten zu erklären, so machen das Ärzte ja. Da bleibt kritisch zu fragen, welches Wissenschaftsbild diese Ministerin pflegt. Als Politikerin sollte sie wissen, dass die Welt – und das gilt auch für Krankheiten – meist komplexer ist und einfache Erklärungen selten zu einer Lösung führen. Kein Naturwissenschaftler oder Mediziner wird die Bedeutung sozialer oder psychologischer Einflüsse auf den Krankheitsverlauf verneinen, aber umgekehrt Krankheit zu einer Frage der inneren Einstellung zu machen ist hanebüchen – erst recht für eine Ministerin.
Man ist versucht zu sagen: „Am grünen Wesen soll die Welt genesen.“ Doch in Wahrheit steckt dahinter auch eine linke Hoffnung auf eine Hegemonie des Denkens in unserer Gesellschaft und am besten noch darüber hinaus.