Das Leistungsschutzrecht #seufz
Der Deutsche Bundestag hat diese Woche den dritten Gesetzesentwurf aus dem Justizministerium für ein Leistungsschutzrecht für Verlage in erster Lesung beraten. Entgegen der landläufigen Meinung ist er nicht beschlossen. Es folgt nun das ganz normale parlamentarische Verfahren. Ende Januar wird es eine Anhörung geben und dann werden sich die Fraktionen auf die weitere Zeitplanung, d.h. die 2. und 3. Lesung verständigen. In der 3. Lesung wird dann das Gesetz in wahrscheinlich veränderter Form beschlossen. Ob es so weit kommt werden wir sehen. Ich habe lange mit mir gerungen, ob ich dazu auch noch was schreibe, denn eigentlich ist meine kritische Haltung durch die Veröffentlichung des cnetz bekannt.
Worum geht es beim Leistungsschutzrecht? Die Verlage ärgern sich, dass Suchmaschinen und Newsaggregatoren auf ihre Inhalte verlinken und zugreifen, ohne dafür etwas zu bezahlen. Sie wollen etwas abhaben von den Milliarden Euro an Werbeerlösen, die vor allem Google einnimmt und von denen leider kein Euro an Steuern in Deutschland bleibt. Wer mag ihnen das angesichts sinkender Auflagen verübeln? Google (aufgrund seines „Monopols“ im Suchmaschinenmarkt in Deutschland offensichtlich das Ziel des Gesetzes) argumentiert, dass dank der Suchmaschine die Leser ja überhaupt erst auf die Seiten der Verlage kommen würden und die Verlage so Einnahmen aus der auf den eigenen Seiten geschalteten Werbung generieren könnten. Es ist also vor allem ein Kampf zwischen zwei wichtigen Säulen einer sich im Wandel befindenden Informationswirtschaft, die miteinander um Geld streiten. Um viel Geld.
Nach den Eindrücken der letzten Tage möchte ich nun doch aber ein paar Dinge loswerden, die nicht alle mit dem Leistungsschutzrecht selbst zu tun haben, aber zur Gesamtbetrachtung der Debatte dazu gehören. Mich hat die künstliche Aufregung gestört, weil das Gesetz am Donnerstag sehr spät auf der Tagesordnung stand. Wir beraten ständig zu später Stunde wichtige Themen. Und was wichtig ist, definiert jeder für sich anders. Manche finden ein totes Eichhörnchen auf der Straße wichtiger als das Leistungsschutzrecht. Das gilt vor allem für Menschen, in deren religiösen Vorstellungen Eichhörnchen eine besondere Bedeutung haben. Vielleicht ist das tote Eichhörnchen aber auch der Vorbote einer Epidemie? Wer möchte da entscheiden, was wirklich wichtig ist? Das Parlament berät darum alle Punkte mit der notwendigen Sorgfalt – egal um welche Uhrzeit.
Viele parlamentarische Debatten können übrigens leider gar nicht geführt werden, weil es so viele Anträge, Initiativen und Gesetzesentwürfe aus den Reihen der Fraktionen oder seitens der Regierung gibt, dass die Reden zu Protokoll gegeben werden. Wer dann behauptet, da sei eine Entscheidung im Schutze der Nacht getroffen worden, der hat mit Verlaub von parlamentarischer Demokratie und den Abläufen im Deutschen Bundestag null Ahnung. Kein Gesetz und kein Antrag wird einfach so beschlossen. Jedes Thema wird ausführlich in den zuständigen Ausschüssen beraten, oft gibt es Anhörungen. Die Tagesordnungen der Plenarwochen sind öffentlich einsehbar. Jeder kann sich also schlau machen, wenn er möchte. So ist und war das auch beim Leistungsschutzrecht. Deswegen fand ich die Rede von Staatssekretär Dr. Max Stadler in diesem Punkt gelinde gesagt schon merkwürdig.
Im Vorfeld der Debatte hatte es große Kritik an dem Vorhaben selbst vor allem von Bloggern, darunter auch viele Journalisten, gegeben. Die Verlage, die von einem Leistungsschutzrecht u.U. profitieren würden, habe alles an Lobbyisten in die Waagschale geworfen, was sie aufbieten konnten. Darüber hat man nicht so viel in der wenn es sonst um Lobbyismus geht kritischen Presse gelesen. Für die Öffentlichkeit ist das ein Problem, aber nicht nur für mich, sondern für alle Abgeordneten waren die einzelnen Akteure leicht identifizierbar. In der oft auf Twitter und anderenorts geführten Debatten waren und sind die einzelnen Kontrahenten zudem auch schnell für den interessierten Debattenteilnehmer zu erkennen gewesen.
Darum war aus meiner Sicht auch die Aufregung mehr als unnötig, als Google versucht hat, mit einer großen Aktion unter dem Motto „Verteidige Dein Netz“, die eigenen Nutzer zu mobilisieren, um den eigenen Interessen Nachdruck zu verleihen. Dass es dabei in der Ablehnung des Leistungsschutzrechtes zu merkwürdigen „Bündnissen“ kommt, sei nur am Rande bemerkt. Ich finde es zwar bedenklich, dass es offensichtlich Menschen gibt, die „das Netz“ und Google gleichsetzen, aber der Versuch von Google, seine Nutzer zu mobilisieren, ist weder verboten noch verwerflich. Ich erwarte im Gegenteil sogar, dass Unternehmen ihre Interessen und die ihrer Kunden klar und erkennbar vertreten. Google kämpft hier mit offenem Visier. Mir ist das lieber, als wenn der Internetriese Projekte und Initiativen finanziert, bei denen man im Zweifel erst nach mehrmaligem Hinsehen (wenn überhaupt) weiß, wer der Geldgeber ist. Und ein Bonmot ist auch die Tatsache, dass die Verlage das Geld von Google für die riesigen Anzeigen offensichtlich gerne genommen haben.
Noch ein Punkt: Es war gut, dass Google nicht auf Massenemails gesetzt hat, sondern den eigenen Nutzern „zugemutet“ hat, die Kritik am Leistungsschutzrecht selbst zu formulieren. Meine kritische Haltung zu solche Kettenemails wie sie campact u.a. auch zum LSR und zu anderen Themen immer verschickt bzw. verschicken lässt ist ja bekannt.
Ich habe viele Gespräche mit beiden Seiten geführt. Auch in meiner Fraktion gibt es Befürworter und Kritiker. Dies gilt natürlich auch für Bürgerinnen und Bürger, die sich an der Debatte intensiv beteiligt haben. Und ich habe viele Kommentare und Artikel gelesen. Mich hat dabei erschreckt, dass beide Seiten sehr stark dazu neigen, „argue picking“ zu betrieben. Da sucht man sich raus was passt, um die eigene Position zu untermauern – und zwar so dreist und platt, wie ich das sonst selten erlebe. Das gilt wohlgemerkt für beide Seiten. Dies hat dazu geführt, dass ich leicht schizophrene Züge an den Tag gelegt habe. Gegenüber den Befürwortern habe ich die aus meiner Sicht guten Gegenargumente ins Feld geführt. Wenn ich mit den angeblichen Lordsiegelbewahrern des freien Internets diskutiert habe, hörte ich mich auf einmal tendenziell für ein LSR sprechen. Keine Sorge. Meine Kritik überwiegt, aber die Annahme, dass LSR sei das Ende des Internets wie wir es kennen hat schon etwas von Bielefeldverschwörung.
Inhaltlich ist die Unsicherheit aber in der Tat groß. Nicht nur viele Blogger haben sich kritisch geäußert. Das Max-Planck-Institut für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht hat eine negative Stellungnahme abgegeben. Auch der BDI und der BITKOM haben sich ablehnend geäußert. Der nun eingebrachte dritte Entwurf beinhaltet einige Aspekte des ersten Entwurfes nicht mehr. Blogger sind vom LSR ausgenommen. Dies gilt auch für private Nutzer und sogar einen großen Teil der gewerblichen Nutzer mit Ausnahme von Suchmaschinen und Newsaggregatoren. Aber es ist offen, ob dies so bleibt und ob das Gesetz nicht trotzdem zu Abmahnungen führen kann. Das befürchten zumindest viele Nutzer wie ich in der Debatte feststellen konnte.
Ich persönliche sehe nicht den schon vielfach beschworenen Untergang des Abendlandes heraufziehen, wenn ein Leistungsschutzrecht beschlossen werden würde. Es ist übrigens auch kein weltweit einmaliger Vorgang. Was würde passieren? Schließen die deutschen Verlage einen Rahmenvertrag mit Microsoft, damit deren Suchmaschine Bing (Ja! Es gibt andere Suchmaschinen als Google!) endlich an Relevanz zunimmt? Wie reagieren die Verlage, wenn Google wirklich von sich aus auf die Verlinkung von Texten von SPON, Focus oder der taz verzichten würde? Fordern sie dann eine „must carry“-Regelung, die dann automatisch ein LSR obsolet macht? Und was macht die SPD, die das LSR ja ablehnt, mit ihrem Zeitungsimperium? Verzichten die Genossen auf ein LSR, beteiligen sie sich nicht an der absehbaren Gründung einer entsprechenden Verwertungsgesellschaft und lassen ihre Blätter weiter frei von den Suchmaschinen listen? Fragen über Fragen.
Offen ist auch die Frage, wie ich abstimmen werde. Das hängt von der Anhörung, der Frage, ob meine Bedenken ausgeräumt werden können und dem Verlauf der weiteren Debatte ab. Meine Fraktionsführung kennt meine grundsätzlich skeptische Haltung
Ich finde, dass der Gesetzesentwurf immer noch extrem unklar ist. Unter §87g (4) steht „Zulässig ist die öffentliche Zugänglichmachung von Presseerzeugnissen oder Teilen hiervon soweit sie nicht durch gewerbliche Anbieter … die Inhalte entsprechend aufbereiten.“
1. Dann wären Suchmaschinen ja raus, z.B. so wie Google derzeit aufgebaut ist?? Denn sie bereiten ja nichts inhaltlich auf. Sie geben nur Linksammlungen weiter evtl. inklusive einer Kopie eines Text/Bildauszugs (Snippet). (Bei Google News kann ich auch keine inhaltliche Aufbereitung sehen.)
2. Oder ist „Inhalte entsprechend aufbereiten“ schon die Zusammenstellung von Links zu einem Thema, z.B. Verweisliste auf alle Textquellen in freien Online-Angeboten der großen Zeitungen über ein großes Ereignis wie Hochwassser? Wo ist die Grenze?
3. Wieso sind Blogger raus? Im gesamten Gesetzestext taucht das Wort nicht auf. Ich habe einige juristische Kommentare gelesen, das ein flattr-Button ein Blog automatisch gewerblich macht. Da wäre mein Blog ein „gewerblicher Anbieter von Diensten“ gemäß §87g (4).
Unabhängig von der Sinnhaftigkeit des LSR, müssten für eine verständliche Diskussion vorerst die Begriffe
– Dienst
– gewerblich
– „Inhalte entsprechend aufbereiten“
– Suchmaschine
eineindeutig definiert sein. Sonst weiß man nicht, wie das Gesetz – falls es verabschiedet wird – in der Praxis angewendet wird.
Danke! Das sind genau die entsprechenden Punkte. Die zuständigen Fachkollegen haben die Absicht formuliert, dass flattr-Button ausgenommen sind, so wie Blogs generell. Das scheint aber wie Ihr Posting zeigt, so noch nicht klar zu sein. Gewerblich darf der Blog ja übrigens auch sein – nur eben nicht in dem Sinne, dass er darauf abzielt, Presseerzeugnisse öffentlich zugänglich zu machen. Und ja: nach meinem Verständnis ist die „normale“ Googlesuche ausgenommen… Aber da ich kein Jurist bin kann ich natürlich keine abschließende Aussage machen. Ich verweise u.a. auf die Rede des Kollegen Thomas Silberhorn zu diesem Thema in der Debatte zum LSR, der dazu etwas gesagt hat.
Danke für die Rückmeldung. In dem Begründungstext steht zwar diese Absicht, aber im Gesetzestext spiegelt sich diese nicht wider. Entweder ist im Gesetzestext zweifelsfrei der Adressatenkreis definiert, inklusive – noch wichtiger – was „inhaltliche Aufbereitung“ ist, oder aber wenn der Adressatenkreis vage und offen gehalten werden soll, sind die Ausnahmen eineindeutig und zweifelsfrei zu definieren. Eine bloße Erwähnung des Begriffs Blog ist da sicherlich nicht ausreichend. Die Art und Weise der aktiven Teilnahme der Blogs am Internet/Web2.0, das ja zu einem wesentlichen Anteil in Verlinken, gegenseitigen Zitieren und Weiterführen und Kombinieren von (fremden) Gedanken besteht, müsste beschrieben und als Ausnahmetatbestand ausgeschlossen werden.
Ich bin auch kein Jurist und sicherlich ist dies schwierig, wenn nicht unmöglich. Aber wenn das nicht ganz zweifelsfrei klar gestellt wird, sollte man auf das Gesetz verzichten.
Ich muss mich noch entschuldigen, Google News genannt zu haben. Diese Anwendung wir ja ganz ohne Werbung angeboten, ist also nicht gewerblich und wäre damit ja sowieso von Vorne herein nicht betroffen.
Oh, jetzt wird mir dieser Satz erst richtig bewusst: „Gewerblich darf der Blog ja übrigens auch sein – nur eben nicht in dem Sinne, dass er darauf abzielt, Presseerzeugnisse öffentlich zugänglich zu machen.“
Aber die Presseerzeugnisse sind doch schon öffentlich verfügbar (?). Ein Newsaggregator würde diese Fundstellen doch nur gesammelt und themengeordnet (Inland, Ausland, Sport, usw.) darstellen. Und zwar die Fundstelle, nicht den Inhalt. Wenn natürlich jemand aus unterschiedlichen Quellen ganze Textpassagen „klaut“ und diese als neuen text zusammenbaut oder daraus einen Ausarbeitung zu einem Thema veröffentlicht, das geht nicht. Das ist aber doch schon sowieso verboten. Dazu bräuchte man kein neues Gesetz.
Oder ist gemeint, dass jemand Presseerzeugnisse (Print) kopiert und diese dann öffentlich macht?
Langsam wird mir immer unklaren, was das LSG will. Hätte ich mal bloß nicht den Entwurfstext genau gelesen. 😉