Rettet die Pressefreiheit!

Mit großem Interesse habe ich in den letzten Tagen die Debatten um die angebliche Beeinflussung der Presse durch Parteien, deren Pressesprecher und die daraus folgende künstliche Empörungswelle verfolgt. Eigentlich wollte ich außer Kopfschütteln nichts dazu beitragen. Eigentlich. Nachdem es nun einen offenen Streit zwischen Marina Weisband (Piraten) von Merlind Theile (Spiegel-Journalistin) über eine Geschichte im Spiegel gibt, in der angeblich nicht freigegebene Zitate zu lesen sind, möchte ich nun doch ein paar persönliche Punkte zu diesem Thema loswerden. Mich hat nämlich vor allem genervt, dass diejenigen, die vorgeben haben, nun mal eine ganz andere Politik machen zu wollen, jetzt so tun, als ob sie nicht nur in diesem Fall, sondern jüngst immer häufiger „Opfer“ der Presse wären, weil Journalisten nach dem Reiz des Neuen nun auf einmal auch kritisch über die Piratenpartei berichten. Und übrigens nicht kritischer als über andere Parteien – aber da sind wir schon beim Problem: die eigene Wahrnehmung.

Mich nervt das schwarz-weiß Denken und die wie gesagt aus meiner Sicht künstliche Empörung. Die Pressefreiheit ist in der Tat ein hohes und schützenswertes Gut, aber sie ist wohl kaum in Gefahr (gewesen). Genauso wenig ist zu konstatieren, dass in den Redaktionen jeden Tag Willkür herrscht und die journalistische Sorgfaltspflicht verletzt wird. Selbst in den vielen Zeitungen, die der SPD gehören, kann man hin und wieder was Kritisches über die Sozialdemokratie lesen. Schon die Debatte um den CSU-Sprecher empfand ich als lächerlich.

Leute! Jeden Tag rufen Pressesprecher in Redaktionen an, versuchen Infos weiterzugeben, Geschichten zu platzieren, Hinweise auf vermeintlich falsche Darstellungen zu geben, Hintergrundinfos zu liefern und zu erreichen, dass der Laden für den sie arbeiten, möglichst gut dargestellt wird. Das ist ihr Job. Und dabei kommt es sicherlich auch vor, dass sie sich mal im Ton vergreifen. Journalisten treiben das umgekehrte Spiel und lassen sich für die entsprechenden Infos auch darauf ein, mal was „Nettes“ zu schreiben. Für eine gute Geschichte macht man eben Kompromisse. Es soll sogar schon vorgekommen sein, dass Journalisten eine Story schon fertig hatten, aber nur noch den Namen eines Politikers suchten, dem sie ihre „Zitate“ in den Mund legen konnten. Das ist natürlich nicht das, was wir unter „Qualitätsjournalismus“ verstehen. Aber es bedeutet auch nicht den Untergang des Abendlandes.

So etwas kommt übrigens schon in der Kommunalpolitik vor. Ich kenne Bürgermeister, die haben schon den Rauswurf von Redakteuren beim Verlagschef gefordert. Oppositionsfraktionen, die geschlossen das Abo ihrer Tageszeitung als politisches Signal kündigen wollten, weil eben jener Bürgermeister ständig (und aus ihrer Sicht zu gut) präsent und meist positiv dargestellt wurde. (Übrigens spannend, wie unterschiedlich offensichtlich der Bürgermeister und die Opposition die Darstellung in der Presse wahrnehmen. Wir reden nämlich von Bürgermeister und Opposition in ein und derselben Stadt.)

Ich kenne Abgeordnete, die zählen die Zeilen ihrer Artikel und vergleichen das mit dem Konkurrenten der anderen Partei, um dann die Redaktion anzurufen und sich zu beschweren. Und ich kenne Journalisten, die schneiden Abgeordnete im wahrsten Sinne des Wortes und drucken keine Fotos oder Artikel ab, in denen der Abgeordnete Erwähnung findet. Machen kann man da nichts.

Wer täglich mit der Presse zu tun hat und selbst ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert hat, der weiß noch von der Uni und lernt jeden Tag erneut, dass das Streben nach Objektivität eben genau das bleibt: ein Streben danach. Und die Wahrnehmung, was eine objektive Berichterstattung ist, hängt vor allem von Leser ab und nicht allein vom Autor eines Textes.

Auch Journalisten haben es nicht leicht. Es hat sich etwas verändert. Heute müssen sie sich ganz anders für Texte und Argumente rechtfertigen. Durch Blogs und social media müssen sie Rückfragen aushalten und Gegenpositionen werden anders sichtbar als in den überflüssigen Gegendarstellungen, die die Redaktionen ja meist dort verstecken, wo sie keiner findet. Das verändert auch die Arbeit von Journalisten.

Wer Politik macht, der muss mit Kritik leben – auch und gerade mit Kritik, die er selbst als ungerecht empfindet. Natürlich kenne ich auch Journalisten, bei denen ich den Eindruck habe, dass sie mich offensichtlich nicht „mögen“. Da bekomme ich in jedem Kommentar eine mit. Na und? Locker bleiben. Erstens steht nirgendwo geschrieben, dass Leser diese Meinung eins zu eins übernehmen – vielleicht bewirkt es genau das Gegenteil. Und zweitens gleicht sich das oft wieder aus. Drittens sei angemerkt: man kann es nicht ändern.

Natürlich sage ich Journalisten auch, wenn ich mich nicht richtig widergegeben fühle. Das müssen Journalisten aushalten. Wie immer, wenn Menschen miteinander zu tun haben, sollte man dabei freundlich und respektvoll miteinander umgehen. Viele Journalisten, die ich kenne, nehmen ihre Arbeit sehr ernst. Und dann müssen sie eben kritisch sein.

Wer damit nicht umgehen kann oder schlimmer noch, die Schuld zuerst bei anderen sucht und nicht bei sich, der ist aus meiner Sicht wirklich ungeeignet für die Politik. Da gilt der alte Satz meines Freundes Friedrich Bohl, ehemaliger Kanzleramtsminister unter Helmut Kohl, der mal zu mir gesagt hat: „Wem es in der Küche zu heiß ist, der darf eben nicht Koch werden.“

18 Kommentare zu “Rettet die Pressefreiheit!

  1. Ich finde, der Artikel trifft nicht den Punkt, der speziell durch die Kontroverse um Marina Weisbands Interview hoch gekocht ist – bzw. wirft den Mantel des „das ist doch normal und war schon immer so!“ darüber.

    Es ging da nicht im KRITIK an piratischen Positionen oder Personen, sondern darum, dass der Artikel der Journalistin quasi „Meldungen kreierte“, die keine Basis in der Realität des Interviews (wie es Marina berichtete) hatten. Es wurde behauptet, Marina „erwäge ein Comeback“, obwohl sie deutlich machte, dass sie derzeit an so etwas nicht denke.

    Klar, das ist journalistische Normalität: Man führt ein Gespräch,. schafft Vertrauen, indem man über die Themen des Gegenübers spricht – und pickt sich dann doch etwas ganz Anderes aus den Interview,. gewichtet Worte anders als sie gemeint waren – und schon HAT MAN SEINE STORY.

    Dass die Piraten das kritisieren, finde ich gut und angesagt! Die Pressefreiheit kommt dadurch nicht die Bohne in Gefahr – es wird aber deutlicher, wie und für was diese Freiheit benutzt wird!

    Meine Empfehlung: Wer sich interviewen lässt, tut gut daran, das Gespräch selber aufzunehmen – dann kann man hinterher zeigen, was tatsächlich gesagt wurde und was der/die Journalist/in daraus gemacht hat!

  2. Sie kennen Bürgermeister und Oppositionelle, die die Entlassung von Redakteuren verlangten… Stellen Sie sich vor, ich kenne Politiker, die das geschafft haben! Dazu braucht es zwei Seiten, klar: Verlagsleitungen sind nicht immun gegen Drohungen politisch interessierter Anzeigenkunden. Wer aber ein Demokrat ist, überschreitet hier schon mit der Forderung bzw. der Drohung wissentlich eine Grenze, daher ist ein solches Vorgehen gerade von Politikern verwerflich. Der CSU-Sprecher hat ja nicht einfach etwas gewollt: Er hat gedroht mit „Diskussionen“. Und in den Gremien des ZDF reiben sich bekanntlich sogar Chefredakteure an „Diskussionen “ auf.

    1. Sie haben vollkommen Recht. Nur gibt es ja Unterschiede. Kritik zu üben oder einem Redakteur zu drohen sind zwei paar Schuhe. Darum war der Rücktritt richtig – gerade falls der Sprecher dem Redakteur gedroht haben sollte.

  3. „Drittens sei angemerkt: man kann es nicht ändern.“

    Stimmt genau wie Korruption, sexuelles Belästigung, Kinderlähmung …

    Ach nein, Kinderlähmung ist weitgehend ausgerottet. Man kann wohl doch etwas ändern. Man muss es nur WOLLEN.

    1. Na ich habe ja nicht gesagt, dass es in Ordnung ist. Ich mag nur die künstliche Aufregung nicht. Hier arbeiten Menschen zusammen. Die machen Fehler und die sind unterschiedlich schwer, man muss drüber reden und den sich immer um ein höchstmöglichstes Maß an Professionalität und Transparenz bemühen.

  4. ich finde es ehrlich gesagt befremdlich wie sie mit dem thema umgehen..es geht bicht darum die eigene person oderpartei gut aussehen zu lassen..sondern darum das ein beitrag über die oppositionspartei..in dem fall uhdes sozialdemokraten in bayern…wo die csu verhindern wollte das ard und zdf über den parteitag und die wahl uhdes zum ministerpräsidenten-kandidaten zu berichten..oder würden sie das auch gut heißen wenn zumbeispiel diegrünen/SPD in baden würtemberg verhindern wollten,das einbeitragüber den cdu parteitag gebrachwird..ich denke das würden sie protestieren..das esaberjemandvondercsumach..iss es natürlich nicht so schlimm..gelll

    1. Da ist ihre Annahme nicht richtig. Ich habe das Verhalten des besagten Pressesprechers klar kritisiert. Sein Rücktritt war richtig. Und ich verharmlose auch nicht, dass es solche Bemühungen schon immer gab. Ich habe „nur“ meine Wahrnehmung beschrieben.

  5. Hmm… ist es dann nicht aber auch künstliche Empörung sich in einem Blog öffentlich über die künstliche Empörung zu empören? 😉 Solange sich ein Publikum findet, das solche Sachen thematisiert, wird die Empörungsmaschinerie auch weiter laufen. Und ja, ich bin mir bewußt, dass ich mit einem solchen Kommentar bereits ebenfalls Teil genau dessen geworden bin.

    Bestes Mittel wäre also um es mit Badesalz zu halten: Dabrauchemergarneddrübberredde

  6. Vielen Dank für den Beitrag, ich fand ihn sehr lesenswert und informativ. Bin über bildblog hier gelandet, werde aber sicherlich mal wieder reinschauen.

  7. Ok,
    ich möchte hier tatsächlich nur kurz erwähnen, dass es Frau Weisband darum ging, die Hauptaussage des Interviews – nämlich das sie nicht in die aktive Poltik zurück möchte (zumindest momentan) im Spiegel gezielt falsch dargestellt wurde – unter Anwendung von aus dem Kontext gerissen Zitaten. Es geht ihr also mitnichten darum, ob über sie positiv oder negativ berichtet wird. Und genau darauf zielt ihre Kritik – das Journalisten eher schreiben was Quote, Klicks, Auflage bringt als was der Interviewte zum Ausdruck bringen wollte. Das zu Beginn dieses Artikels das ganze schon wieder falsch dargestellt wird bzw. ohne die Ansicht von Frau Weisband in diesem Zusammenhang zumindest zu erwähnen zeigt eigtl. auch nur, das ihre Kritik am Journalismus nicht ganz so unberechtigt ist.

  8. Die Bohl-Aussage ist ein wenig wohlfeil. Genauso könnte man ätzen, wir bräuchten überhaupt keine Straßenverkehrsordnung, denn wer Angst hat, auf der Straße zu Schaden zu kommen, kann ja in der Wohnung bleiben… Und natürlich bräuchten wir dann auch keine TÜV…

    Nehmen wir mal ein näheres Beispiel. Nehmen wir an, Herr Tauber, Sie hätten Familie, und ein Interviewer würde Sie fragen, ob Sie Ihren Sohn schlagen. Was tun Sie dann?
    „Das geht Sie nichts an.“ erzeugt am nächsten Tag den Satz „Tauber schwieg zu den Vorwürfen.“
    „Nein. Ich habe eine Tochter.“ sorgt für die Zeitungsmeldung „Darauf sagte der Bundestagsabgeordnete: ‚Ich habe eine Tochter.'“
    Und ein schlichtes „Nein“ bringt immerhin den Satz hervor: „Tauber dementierte den Vorwurf.“
    Die Suggestion hingegen wäre in der Welt. Wie würde Ihnen das gefallen? Vor allem, da sich schlechte Presse an den Stammtischen immer weiter kolportiert als gute.

    Sind Sie tatsächlich schon so in den Lügenbetrieb der deutschen Politik embedded, dass sie politisch gewollte Falschdarstellung und fehlende Integrität als natürliche Umgebungsvariable auffassen und keinen Grund sehen, daran auch nur irgendwas zu ändern? Wundern Sie sich dann aber bitte nicht, wenn nächstes Jahr weniger als 70% Wahlbeteiligung zustande kommt! Wenn Sie bereit sind hinzunehmen, dass davon Extremisten profitieren – denn das tun sie immer.

    1. Das Wort Lügenbetrieb gefällt mir nicht weil es wieder nur Klischees bedient. Können wir uns davon nicht lösen? Die Verallgemeinerungen bringen uns nicht weiter. Und nur weil man Objektivität nicht immer erreicht heißt das natürlich nicht, dass man nicht danach Streben sollte.

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