Ein gutes Pferd springt knapp
Das war eine mehr als spannende Bundesversammlung. Nach drei Wahlgängen wurde Christian Wulff Bundespräsident. Er muss nun zeigen, dass er diesem Amt gewachsen ist. Die Chance hat er trotz der kritischen Presse verdient, denn auch in den Diskussionen hinter verschlossener Tür wurde klar, dass die fehlenden Stimmen vor allem ein Denkzettel für die Parteivorsitzende und Bundeskanzlerin waren. In der Tat bin ja auch ich der Meinung, dass die Menschen zu Recht erwarten, dass wir Probleme lösen, bzw. Lösungen anbieten und nicht untereinander streiten. Im dritten Wahlgang wurde Christian Wulff zum Bundespräsidenten gewählt. Vielleicht gilt ja auch, weil er Niedersachse ist, der schöne Satz: „Ein gutes Pferd springt knapp.“
Die Bürgerinnen und Bürger unterscheiden sehr genau, ob Politiker in der Sache streiten oder sich nur versuchen, auf Kosten des politischen Gegners zu profilieren. Letzteres wollen die Leute nicht und ich glaube, die Politiker, die jede Schwäche der Konkurrenz zum Nachtreten nutzen, tun sich selbst und allen, die in der Politik Verantwortung tragen, keinen Gefallen. Auch hier tragen Politiker selbstverschuldet Verantwortung für das schlechte Image der politischen Klasse. Mich ärgert das, weil ich nicht nur in Berlin, sondern auch bei uns im Kreis sowohl bei den Bürgermeistern aller Parteien und den ehrenamtlichen Kommunalpolitikern viele kenne, die mit Herzblut und großem Einsatz ihre Aufgabe wahrnehmen. Dies gilt für Iris Schröder in Neuberg genauso wie für Jörg Muth in Langenselbold – um nur einmal zwei Beispiele zu nennen. Wenn wir die Politiker pauschal schlechtmachen, dann brauchen wir uns umgekehrt als Bürger auch nicht wundern, wenn niemand mehr bereit ist, Verantwortung in der Politik zu übernehmen. Darum darf man bei aller notwendiger Kritik an Politikern ruhig auch ab und an die positiven Beispiele nennen. Das wollte ich nur mal loswerden.
An der Stelle hat mein Kollege Sascha Raabe, den ich ansonsten schätze, ein böses Foul begangen. Auf einer Veranstaltung hat er laut Presse gesagt, der Rückzug von Roland Koch sei gut, denn der habe „ja schon immer gelogen“. Die Aussage, dass Roland Koch, der zweifelsohne streitbar wie nur wenige Politiker war (an anderer Stelle ärgern wir uns immer über weichgespülte Politiker, so ganz entscheiden für das eine oder andere fällt offensichtlich schwer), stets und ständig gelogen hat, wird nicht nur ihm gerecht, sondern ist auch deshalb gefährlich, weil auch hier der Grundgedanke des ersten Absatzes gilt. Sind wir alle so viel anders oder besser als Roland Koch? Mit solchen pauschalen und noch falschen Aussagen tun wir uns selbst keinen Gefallen, zumal dir lieber Sascha doch eigentlich bessere Argumente in der Auseinandersetzung mit Roland Koch einfallen müssten oder?
„Ich bin mit dem Herzen Deutscher und singe auch die Hymne mit.“ Na, wenn ich das sage, dann wundert das Niemand. Spannend ist der Satz erst, wenn Cacao, neuer Star unserer Nationalmannschaft das in einem großen Interview erklärt. Um es klarzustellen: Cacao hat schon die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt, da war noch nicht die Rede davon, er könne in der Nationalelf kicken. Er ist also „Überzeugungstäter“ und damit ein Beispiel dafür, was man unter gelungener Integration verstehen kann und sollte. Dass er außerdem zu seinen Wurzeln und seiner Herkunft steht, widerspricht dem Bekenntnis zu seinem neuen Vaterland nicht. Denn sonst hätte er wohl seinen christlichen Glauben, über den er offen spricht und für den er andere immer wieder begeistern will, ablegen müssen. Es ist in Deutschland nämlich zumindest bei den Menschen, die auf der Grundlage von Antidiskriminierungsrichtlinien und Political Correctness anderen vorschreiben, was richtig und falsch ist, verpönt, sich so klar zu bekennen.
Ganz ehrlich: Die Wahl des Bundespräsidenten am Mittwoch war schon ein Erlebnis. Das Drumherum und meine persönlichen Ausdrücke muss ich an anderer Stelle einmal ausführlich schildern, dazu reicht der Platz hier leider nicht. Auf jeden Fall war es nicht nur wegen der drei Wahlgänge ein hektischer Tag. Nach den ersten beiden Wahlgängen gab es jeweils eine Fraktionssitzung. Ein Sitzplatz war gar nicht so leicht zu finden. Ich habe mich vermeintlich strategisch geschickt neben der Tür postiert – auch weil dort die Steckdose für mein Handy war. Den Akku hatte ich doch im Laufe des Tages mehr als strapaziert. Auf einmal wurde es langsam dunkel im Saal. Ich hatte mich gegen den Dimmer gelehnt. Upss. Peinlich. Wahrscheinlich bin ich rot geworden. Als Volker Kauder dann sagte: „Mein lieber junger Kollege, geh‘ doch mal vom Lichtschalter weg.“ Ich war zwar ertappt, aber das „jung“ ging dann doch runter wie Öl.