Meine Begegnung mit Joachim Gauck

Heute war Joachim Gauck zu Gast in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Von dieser Begegnung möchte ich aufgrund zahlreicher Nachfragen noch kurz berichten. Nachdem er als gemeinsamer Kandidat der demokratischen im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien am 18. März voraussichtlich zum Bundespräsidenten gewählt werden wird, hat er sich heute in unserer Fraktion vorgestellt. Im Mittelpunkt stand dabei – so habe ich seine Vorstellungsrede verstanden – das Verbindende und das Mutmachende. So wünsche ich mir ein Staatsoberhaupt auch. Er soll die Menschen verbinden und Mut machen für unser Land. Gejammer und Meckerei haben wir schließlich genug.

Joachim Gauck sprach von einer Nähe, die er verspüre. Damit meinte er nicht unbedingt parteipolitische Übereinstimmung. Aber beide – er sprach von sich in der dritten Person -, der Kandidat und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wollten dem Land dienen und dies „unverdrossen“ und ohne Abhängigkeit vom Zeitgeist tun. Außerdem gebe es viele Wertvorstellungen, die unsere Fraktion und er teilten, so Gauck. Von sich aus sprach er die Frage an, was denn der Leitgedanke seiner Präsidentschaft sein werde. Dabei ließ er keinen Zweifel aufkommen, dass er – ohne Fragen wie die soziale Gerechtigkeit ausblenden zu wollen – bei „seinem“ zentralen Thema bleiben werde: der Freiheit.

Für ihn sei Freiheit aber durchaus etwas anderes, als dass, was viele junge Leute darunter verstehen würden. (An der Stelle würde mich näher interessieren, welchen Freiheitsbegriff er der jungen Generation zuschreibt und ob diese vielleicht der Kürze der Vorstellung geschuldete Pauschalisierung nicht problematisch ist.) Für ihn bedeute Freiheit dabei vor allem auch Verantwortung. Dieser Verantwortung sollten sich die Menschen stellen. Er wolle der weit verbreiteten Angst in unserer Gesellschaft etwas entgegensetzen und Mut machen.

Die Fraktion dankte ihm diese Vorstellung mit Applaus und einige Kolleginnen und Kollegen nutzten die Gelegenheit zur Nachfrage. Gauck war offen und ehrlich, als er bei zwei Fragen eine Antwort schuldig blieb und darauf verwies, dass ihm diese Themen noch nicht vertraut genug seien, als dass er darauf zur Zufriedenheit der Fragestellenden antworten könne.

Etwas intensiver ging er auf die Frage nach seiner Herkunft als Bürger der ehemaligen DDR ein. Aus seiner Sicht gebe es durchaus noch kulturelle Unterschiede zwischen Ost und West. Während man im Westen von einer Zivilgesellschaft sprechen könne, sei die Gesellschaft im Osten noch eine „Transformationsgesellschaft“. Gerade deshalb sei es wichtig, die Freiheit zu betonen und die daraus erwachsenden Chancen. In einigen Wortmeldungen wurde er aus der Fraktion ermutigt, den Umgang mit der deutschen Teilung und die Geschichte des DDR-Unrechtsregimes zu thematisieren.

Auch zu aktuellen Themen wurde Joachim Gauck befragt. Natürlich kam das Gespräch auf seine immer wieder zitierte angebliche Kritik an der Occupy-Bewegung. Gauck bestätigte diese Kritik indirekt. Dabei ging es ihm nicht so sehr um das Anliegen, sondern um die Attitüde, die er für bedenklich hielt. Er bemängelte einen fehlenden inhaltlichen Unterbau. Man dürfe aus seiner Sicht nicht Haltung mit Klamauk oder Beliebigkeit verwechseln. Dort wo junge Menschen allerdings für ein Anliegen ernsthaft werben würden und für Veränderungen einstehen, hätten sie in ihm immer einen Fürsprecher.

Einem plumpen Antikapitalismus erteilte er in diesem Zusammenhang eine klare Absage. Eine durch linke Rhetorik geschickt mit dem Antikapitalismus unterschwellig verbundene Ablehnung der parlamentarischen Demokratie werde er entschieden entgegen treten. Er verstehe sich als Bürgerpräsident, sei gleichwohl ein Verfechter der repräsentativen Demokratie und werde nicht in gängige Parteienschelte einstimmen. Es sei sein Anliegen, gemeinsam mit den Parteien unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu stärken.

Mein Fazit: Joachim Gauck wird noch manchen überraschen. Ich glaube er wird ein bisweilen unbequemer Bundespräsident sein. Dies gilt für die politische Linke am Ende wahrscheinlich sogar noch mehr als für das bürgerliche Lager. Umso spannender wird es sein, zu beobachten, wie die Öffentlichkeit mit ihm umgeht. Ich wünsche mir in jedem Fall, dass wir wieder zu einem angemessenen, würde- und vor allem respektvollen Umgang mit unserem Staatsoberhaupt zurückfinden. Gerade in den Diskussionen, wo wir uns nicht repräsentiert fühlen. Dort zeigt sich, wie ernst wir es meinen mit einer demokratischen Kultur – auch in den Debatten im Netz.

Und übrigens: wer jetzt schon wieder nach Skandalen sucht, dem sei gesagt, dass es zumindest mit dem kolportierten angeblichen „Steuerbetrug“ aufgrund der Tatsache, dass er seit vielen Jahren getrennt von seiner Ehefrau lebt, aber noch verheiratet ist, nichts wird. Ich soll Euch sagen, dass Joachim Gauck sein Einkommen in der Einkommenssteuerklasse 1 versteuert.

3 Kommentare zu “Meine Begegnung mit Joachim Gauck

  1. Eben nicht, Volker. Das sucht sich nämlich jede Behörde selbst aus, heißt: Für das Finanzamt ist Gauck getrennt lebend und damit Steuerklasse 1. Würde seine getrennt lebende Ehefrau allerdings ein Sozialfall, würden die zuständigen Ämter sich erinnern, daß sie ja einen Gatten hat.

    Ich habe seinem Buch entnommen, daß er mit Freiheit diejenige der Erwachsenen meint, das heißt, die Verantwortung, die man damit _für_ sein eigenes Leben hat. Die Freiheit der 18-jährigen ist eher eine Freiheit _von_ etwas, etwa von Bevormundung. Das klang für mich nicht abwertend.

  2. Keine Sorge.
    Skandale produziert der Typ ganz alleine.
    Und das er Freiheit Mit Verantwortung umschreibt ist nicht besonders… was auch immer sondern stellt nur klar das er die Freiheit einschränken will.

    Schließlich sieht Mr. Gauck das Internet als Gefahr für die Verfassung. Als Gefahr für meinungsfreiheit, Pressefreiheit und die Würde des Menschen.
    Genau, das Internet welches für Millionen Menschen auf der Welt die einzige Chance ist gegen ihre Diktaturen vorzugehen und ihre meinung zu äußern.

    Schade, seine Vergangenheit ist kein Garant.
    Eher scheint er gebrannt von der Art der Möglichkeiten und sieht alles Neue, alles was er nicht kennt, als Gefahr an, die ausgerottet werden muss.

    Und Nein: Ich beziehe mich nicht auf ein aus dem Kontext gerissenes Zitat sondern auf das Vorwort der Internet Studie der Deutschen Post. Schnell mal eben nachzulesen bei Indiskretion Ehrensache.

  3. Danke für den Augenzeugenbericht. Sehr interessant. Ich bin gespannt wie Herr Gauck sich macht.
    Ein Gerede wegen „Steuerbetrug“ war mir neu. Wie albern! Den Steuervorteil gibt es schließlich für einen Status: Verheiratet sein. Ob man mit der Frau/Mann zusammen lebt ist vollkommen egal. Wenn der Gesetzgeber etwas anderes gewollt hätte, hätte erst es ins Gesetz geschrieben.
    Schon traurig wenn Leute krampfhaft nach Argumenten suchen, um Personen zu diskreditieren. Schön aber wenn die Argumente so blödsinnig sind, dass man gleich die Natur der „Kritiker“ erkennt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert