Deutsche Interessen wahren, unsere Währung schützen.
Es war keine leichte Entscheidung, die der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit getroffen hat. Die Ausweitung des vorläufigen Euro-Rettungsschirmes EFSF im Vorlauf zum ESM, dem geplanten dauerhaften Schutz- und Stabilisierungsmechanismus, hat für heftige Debatten gesorgt. Ich selbst habe an mehreren Stellen Zweifel auch öffentlich zum Ausdruck gebracht und Forderungen erhoben, die ich als Bedingung für meine mögliche Zustimmung formuliert hatte. Ich habe der Ertüchtigung des EFSF zugestimmt. Die Überlegungen, die zu meiner Entscheidung geführt haben, möchte ich hier darlegen.
Auch unter den Journalisten auf der Tribüne heftig diskutiert und aufmerksam verfolgt: die heutige Abstimmung zum Euro im Deutschen Bundestag.
Viele Bürgerinnen und Bürger – gerade auch Anhänger und Mitglieder meiner Partei – sind verunsichert und haben Angst, dass deutsche Interessen bei den jetzt anstehenden Entscheidungen nicht hinreichend berücksichtigt worden sind und die Bundesrepublik und ihre Bürger dauerhaft zum „Zahlmeister“ Europas werden. Dabei hat die christlich-liberale Koalition unter Führung von Bundeskanzlerin Angela Merkel seit Beginn der Eurokrise, die eigentlich eine Schuldenkrise verschiedener Euroländer ist, in Europa durch ihre beharrliches Drängen auf staatliche Reformen und Haushaltskonsolidierung nicht nur Begeisterungsstürme ausgelöst. Ohne diese harte deutsche Haltung der derzeitigen Bundesregierung wäre die Transferunion und eine Vergemeinschaftung der Schulden längst Wirklichkeit.
Wer die christlich-liberale Koalition nun kritisiert, der sollte sich die Alternativen vor Augen führen. Rot-Grün hat die Misere zu einem erheblichen Teil mit verschuldet. Es war eine rot-grüne Bundesregierung, die Griechenland gegen die Stimmen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion in den Euroraum aufgenommen hat. Es war eine rot-grüne Bundesregierung, die damals die strengen Kriterien von Maastricht zur Stabilität des Euros unterlaufen hat und dann selbst verhindert hat, dass Deutschland dafür bestraft wurde. All das waren keine guten Vorzeichen, um nun auf die Einführung einer Schuldenbremse und auf Haushaltsdisziplin in anderen Ländern Europas zu drängen und doch waren die Bundesregierung und die christlich-liberale Koalition mit ihrer harten Haltung bis jetzt erfolgreich. SPD und Grüne haben gestern noch einmal deutlich gezeigt, dass sie aus der aktuellen Krise nichts gelernt haben. Im Europaparlament stimmten beide gegen eine Verschärfung des Stabilitätspaktes mit dem Argument, Investitionen der öffentlichen Hand seien nicht berücksichtigt. Wieder wird aus ideologischen Gründen das alte Fass aufgemacht, es gebe gute und schlechte Schulden. Es ist erschreckend unverantwortlich und entlarvend zugleich, wenn man den neuen Stabilitätspakt, der endlich eine Art Schuldenbremse ist, mit Argumenten aus der Mottenkiste torpediert.
Alle betroffenen Länder haben teilweise drakonische Sparprogramme beschlossen und fast überall zeigen die Bemühungen Erfolge. Irland und Portugal sind auf einem guten Weg. Spanien konnte durch ein striktes Sparprogramm bisher die Inanspruchnahme des Rettungsschirmes verhindern. Das zeigt, dass die konsequente deutsche Haltung erfolgreich ist und richtig war. Nur in Griechenland ist die Situation weiter mehr als schwierig. Darum muss die griechische Regierung einerseits ihre Sparbemühungen fortsetzen und wir müssen andererseits dafür Sorge tragen, dass eine Ansteckungsgefahr für die gesamte Eurozone im Falle einer Insolvenz Griechenlands weitgehend ausgeschlossen werden kann. Dass wollen wir mit dem nun gefassten Beschluss erreichen. Deshalb brauchen wir zunächst den EFSF und dann den ESM, dessen Ausgestaltung aber ebenfalls noch zahlreiche Diskussionen notwendig machen wird. Am Ende muss zudem eine Insolvenzordnung für Staaten stehen, so dass man für den durchaus von verschiedener Seite erwarteten Fall einer Insolvenz Griechenlands gerüstet ist.
Weitere Entscheidungen und Maßnahmen neben der Schaffung einer Insolvenzordnung sind notwendig. Der Beschluss des Europaparlaments zur Verschärfung der Stabilitätskriterien ist ein wichtiger Schritt. Künftig muss die Einhaltung der „Maastrichtkriterien“ genau überwacht und überprüft werden. Ein „Schummeln“, so wie es Deutschland unter Rot-Grün als schlechtes Beispiel vorgemacht hat, darf es nicht mehr geben. Aber auch der Beschluss der EU-Kommission, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, ist ein wichtiges Signal. Damit leistet auch der Finanzsektor einen angemessenen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung.
Für meine Zustimmung war neben der deutlichen Ablehnung von Eurobonds auch entscheidend, dass künftig der Bundestag bzw. der Haushaltsausschuss des Parlaments bei allen relevanten Entscheidungen das letzte Wort hat. Das Bundesverfassungsgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Parlamentsbeteiligung unerlässlich ist.
Peter Tauber während der Debatte um die Rettung des Euros im Parlament am 29. September 2011.
Wenn Rot-Grün heute die Bundesregierung stellen würde, dann wäre die Situation in der Tat eine ganz andere. Deutschland hätte bereits Milliardenhilfen ohne jede Auflage bewilligt, denn genau das hatte Rot-Grün zu Beginn der Eurokrise gefordert: helfen ohne Bedingungen zu stellen. Und wir hätten bereits eine Vergemeinschaftung der Schulden mit allen negativen Folgen für Deutschland. Eine solche Politik hätte jeglichen Sparwillen zerstört und wäre zudem aus meiner Sicht falsch verstandene europäische Solidarität. Dies ist eben nicht die Haltung der christlich-liberalen Koalition. Darum verlangen wir eine Haushaltskonsolidierung und die Verankerung einer Schuldenbremse in den nationalen Verfassungen, so wie es die Bundesrepublik vorgemacht hat. Viele Länder sind uns auf diesem Weg inzwischen gefolgt.
Es geht bei dem nun gefassten Beschluss im Kern darum, angesichts einer drohenden, vielleicht sogar absehbaren Insolvenz Griechenlands ein Übergreifen der Verschuldungskrise gerade auch auf die Finanz- und Realwirtschaft zu verhindern. Nicht zuletzt aufgrund dieser Sorge hoffen alle G20-Staaten auf eine entsprechende Entscheidung Europas und vor allem Deutschlands. Ziel ist es, Ansteckungs¬effekte in der Währungs¬union gezielt bekämpfen zu können.
Künftig gilt:
• Der Deutsche Bundestag muss Anträgen auf Notmaßnahmen, Änderungen an mit den Schuldnerländern getroffenen Vereinbarungen sowie Anpassungen am Rettungsschirm zustimmen. Für Fälle besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit wird ein eigens gewähltes Gremium aus Mitgliedern des Haushaltsaus¬schusses eingerichtet. Ohne Zustimmung des Deutschen Bundestages erfolgen keine Zahlungen. Es gibt keinen Automatismus.
• Durch die Aufstockung des deutschen Haftungsanteils von 123 auf 211 Milliarden Euro sichern wir die Spitzenbonität des Rettungsschirms. Das macht die Finanzierung von Hilfsmaßnahmen leichter und kostengünstiger. Auch die anderen Euroländer sind bereit, dazu ihren nationalen Bürgschaftsrahmen aufzustocken.
• Außerdem wird ein Bankenrettungsschirm aufgespannt, der wie eine Brandmauer zwischen überschuldeten Staaten und der Finanzwirtschaft wirkt. Damit können künftig strauchelnde Finanzinstitute stabilisiert werden. Dieses neue europäische Instrument hilft An¬steckungsgefahren bis hin in die Realwirtschaft zu bannen. Damit schützen wir auch unsere exportorientierte Wirtschaft.
• Zur Ertüchtigung des Rettungsschirms gehört das neue Instrument der Kreditlinien. Die Schuldnerländer werden damit in die Lage versetzt, am freien Kapitalmarkt doch noch Kredite zu erhalten, so dass keine effektiven Hilfsmittel erforderlich werden. Der Internationale Währungsfonds IWF hat mit dieser Form des „Dispokredits“ gute Erfahrungen gemacht.
• Für Ausnahmefälle sollen Aufkäufe von Staatstiteln durch den Rettungsschirm am Primär- und Sekundärmarkt möglich sein. Damit kann übermäßiger Preisdruck an den Märkten abgeschwächt werden. Auch können so Finanzinvestoren an Kursverlusten unmittelbar beteiligt werden. Vor allem aber entlasten wir damit die Europäische Zentralbank, die bislang allein Staatstitel am Sekundärmarkt aufkauft, um Preisverzerrungen zu vermeiden und die Währungsunion vor Spekulation zu schützen.
Sicherlich war die erneute Abstimmung über die Erweiterung des EFSF die bisher schwierigste in meiner zweijährigen Zugehörigkeit zum Deutschen Bundestag. Ich bin weit davon entfernt zu behaupten, dass ich alle Aspekte der europäischen Schuldenkrise verstehe oder erklären kann. Ich glaube, dass dies in der Tat nur die wenigsten können – dies gilt für Abgeordnete und auch für die Fachleute selbst, die oft sich widersprechende Stellungnahmen und Ratschläge erteilt haben. Ich persönliche halte die Folgen bei einer anderen Entscheidung – also beispielsweise einer unkontrollierten Insolvenz Griechenlands ohne eine vorherige Absicherung durch die Erweiterung des Rettungsschirmes für nicht kalkulierbar. Selbst die Experten, die diese Lösung favorisieren, können nicht ausschließen, dass dies zu einer neuen Wirtschaftskrise, zur Vernichtung von Volksvermögen in bisher ungekanntem Ausmaß und zu steigender Arbeitslosigkeit führt. Der nun eingeschlagene Weg birgt indes auch zahlreiche Gefahren und Risiken. Wenn es auf Dauer nicht gelingt, die Haushalte zu konsolidieren und die Schulden zu begrenzen, dann stehen uns schlimme Zeiten bevor. Die Krise ist – auch wenn es uns Deutschen so gut geht wie lange nicht mehr – noch lange nicht vorbei.
Vielen Dank für eine sachliche, verständliche und deutliche Erläuterung. Vor allem die Tatsache, dass mit den heute gefassten Beschlüssen eben kein Fass ohne Boden aufgemacht wurde, sondern Zeit gewonnen werden soll, um Ansteckungsgefahren zu mindern und mit Bedacht eine Insolvenzordnung für Staaten zu erarbeiten, findet meines Erachtens bisher zu wenig mediale Aufmerksamkeit.
Ob die von Ihnen beschriebene Haltung der Bundesregierung tatsächlich hart war, wage ich allerdings zu bezweifeln. Unter entschlossenem Handeln verstehe ich etwas anderes.
Dennoch, ich halte die Entscheidung für richtig. Womit neben der „großen Sache“ noch Platz für Parteipolitik bleibt. Auch hier gefallen mir Ihre Argumente gut. Denn die Tatsache, dass eine Vielzahl unserer Mitbürger eben keine Schuldengemeinschaft will und Euro-Bonds ein sicherer Schritt zur Vergemeinschaftlichung der Schulden wäre, muss deutlichen Anlass zur Betonung der Oppositionsmeinung und deren Vorliebe für Euro-Bonds sein. Ein ordentlicher Generalsekretär sollte sich meinem Verständnis nach um solche Geschichten kümmern.
Ich gehe mal davon aus, das die Parlamentarier die eventuell dagegen sind erpresst wurden. Entweder du stimmst mit uns oder du bist ein Aussenseiter und bekommst keinen vernünftigen Listenplatz mehr. Feigheit vor dem Feinde könnte man auch dazu sagen. Verrat Deutscher Interessen. Es ist doch jedem klar, das Griechenland und Co. wirtschaftlich nur wieder auf die Beine kommen können durch ein Abwertung Ihrer eigenen Währung, sprich Drachme usw.
In Zukunft sollen wir auch noch bestraft werden weil wir einen Exportüberschuss haben. Wie können Sie sich noch im Spiegel anschauen und sich in Ihrem wahlkreis blicken lasen? Die Zeichen stehen auf Hyperinflation, dass hatten wir schon mal und was danach kam wissen wir alle hoffentlich noch! Nur diesmal sind Sie MITSCHULDIG!!!
Wie sollte denn die Erpressung aussehen? Bei mir war das Gegenteil der Fall. Ich hatte ja erhebliche Bedenken und mich hat niemand von der Fraktionsspitze „einbestellt“. Ich bin von mir aus auf die Fraktionsführung zugegangen und habe gesagt, dass ich noch zahlreiche Fragen habe und ich ohne eine gute Antwort nicht zustimmen kann. Dann folgte ein sachliches Gespräch. Mehr war da nicht. Ich verstehe ja, dass man in Dinge, die man nicht kennt, gerne etwas hineininterpretiert, aber die parlamentarischen Abläufe in der Realität sehen doch ganz anders aus.