Gedanken zum 50. Jahrestag des Mauerbaus
Am Ende war der Fall der Mauer, die vor 50 Jahren gebaut wurde, der Grund für mich, Politik zu machen. Ich habe an die deutsche Teilung – beim Fall der Mauer war ich gerade 16 Jahre alt – eher kindliche Erinnerungen. Ich erinnere mich an schweres militärisches Gerät auf den Landstraßen im Kinzigtal und im Vogelsberg im Herbst bei den Manövern und auch an das aus heutiger Sicht doch erschreckend naive Schild am Ortseingang von Wächtersbach, auf dem sich meine Heimatstadt zur Atomwaffenfreien Zone erklärte.
Als die Mauer fiel war ich gerade mit meiner Familie am Tegernsee im Urlaub. Ich saß begeistert vor dem Fernseher und war gebannt von den Bildern, von der wirklich überschäumenden Freude, die dort sichtbar wurde. Ich hatte nicht nur das Gefühl, einen historischen Moment unmittelbar am Bildschirm mitzuerleben. Auf dem Heimweg wenige Tage später war ich erstaunt, dass diese „Autos“ aus Pappe mit vier Rädern wirklich fuhren. Mehr als 150 Trabbis begegneten uns auf der A3 Richtung Heimat. Ich habe damals genau mitgezählt.
In den kommenden Wochen und Monaten wurde mein persönliches Interesse für Politik geweckt. Für Geschichte hatte ich mich bereits interessiert. Das war mein Lieblingsfach in der Schule. Für mich stellte sich mit Blick auf die Veränderungen im Osten Deutschlands und den anderen Ländern des Warschauer Paktes die Frage, ob die dort erkennbaren Prozesse willkürlich abliefen oder zufällig waren oder Menschen die Entscheidungen trafen. Nicht nur durch die Person Helmut Kohls, sondern auch an den runden Tischen in der DDR, in der Bürgerrechtsbewegung dort, verfestigte sich mein Eindruck, dass Geschichte von Menschen gemacht wird.
Als ich in einem total überfüllte Dorfgemeinschaftshaus in Neudorf dann den damaligen CDU-Generalsekretär Volker Rühe erleben durfte, war das ein nächster Schritt für mich, mich künftig selbst politisch zu engagieren. Freilich gab es zusätzlich noch Erlebnisse vor Ort. Welchem Beitrag der damalige Wächtersbacher Bürgermeister Rainer Krätschmer für meinen Weg in die Politik geleistet hat, darüber berichte ich ein anderes Mal.
Für die Junge Union, in die ich damals eintrat, waren Freiheit auf der einen und deutsche Teilung auf der anderen Seite die zwei wesentliche Grundüberzeugungen über lange Jahre gewesen aus denen heraus man sich politisch engagierte. Für mich ist es spannend zu erleben, aus welchen Gründen heute junge Leute in die Junge Union eintreten, denn die Nachwuchshoffnungen meiner Partei sind inzwischen alle Kinder der deutschen Einheit mit Geburtsjahren nach 1990 auf ihrem Mitgliedsausweis. Geblieben ist bei ihnen der Wille, unser Land zu gestalten und die Überzeugung, dass wir als Bürger in der Demokratie aktiv teilnehmen und mitarbeiten müssen – nicht nur am Wahltag.
Es ist und bleibt ein Gottesgeschenk, dass wir in Deutschland damals friedlich das Unrechtsregime der SED hinwegfegten. Dies war dem Protest der Menschen in der ehemaligen DDR aber auch dem besonnenen Handeln der Politiker der Bundesrepublik zu verdanken. Die Menschen, die an der Mauer ihr Leben verloren, sind aus meiner Sicht für uns alle eine Verpflichtung, uns vor Augen zu führen, dass unsere freiheitliche Gesellschaft nicht selbstverständlich ist, sondern täglich neu erkämpft werden muss.