Herzlichen Glückwunsch, Digitale Gesellschaft!
Mit relativ großem Medieninteresse hat sich nun endlich die „Digitale Gesellschaft“ konstituiert. Cheflobbyist Markus Beckedahl, der auch Sachverständiger der Enquete-Kommission Internet und Digitale Gesellschaft sowie Betreiber des Blogs www.netzpolitik.org ist, fungiert als Präsident. Ich persönliche gratuliere ganz herzlich und meine: das war ein längst überfälliger Schritt.
Zweifel habe ich allerdings, dass der Name wirklich Programm ist. Schon bei der Konstituierung merkt man: da trifft sich ein überschaubarer und elitärer Personenkreis. Zweifelsohne sind vor allem diejenigen dort engagiert, die bisher online die netzpolitischen Debatten in Deutschland aufgemischt haben (und selbst hier nur ein handverlesener Zirkel).
Wer außerhalb der von Bürgerinnen und Bürgern gewählten Institutionen wie dem Deutschen Bundestag oder den Parlamenten der Länder Netzpolitik macht, der ist offensichtlich jetzt – so der Anspruch – bei der „Digitalen Gesellschaft“ dabei. Es ist also die Internetelite, die sich hier anschickt, eine feste Organisationstruktur zu etablieren und dadurch endlich das Stadium der Selbstlegitimierung durch bloße Behauptung (O-Ton Beckedahl in der Enquete-Kommission: „Ich spreche hier für die digitale Gesellschaft.“) zu überwinden.
Das wäre gut, wenn damit das Ziel einer weitgehenden Transparenz und Offenheit zu erreicht werden würde. Doch leider ist das Gegenteil der Fall. Es wirkt damit wie der Versuch, die wirkliche digitale Gesellschaft durch eine „Digitale Gesellschaft“ in der Meinungsbildung zu dominieren.
So wird eher Verbandsstruktur der Bundesrepublik als der Grundstruktur des Internets Rechnung getragen. Für mich als Abgeordneter wird dadurch keineswegs klar, wer für die digitale Gesellschaft spricht und ich werde mir statt bei Markus Beckedahl um einen Termin zu bitten, dann doch lieber die Mühe machen, mir aus der Vielzahl von Meinungen im Netz ein Stimmungsbild „abzuholen“.
Die „Digitale Gesellschaft“ ist durch die Zuschneidung auf Markus Beckedahl auch nicht politisch neutral oder gar parteipolitisch unabhängig. Das ist auch ihr wesentlicher Unterschied zur digitalen Gesellschaft selbst, in der man so ziemlich jede Meinung und Position finden kann. Diese Meinungsvielfalt will die „Digitale Gesellschaft“ aber offensichtlich gar nicht abbilden. Schon in den Sitzungen der Enquete-Kommission wurde deutlich, dass die „Elite“ um Markus Beckedahl gar keine Lust hat, das eigentliche Ziel zu erreichen, nämlich breite gesellschaftliche Kreise für das Thema Netzpolitik zu begeistern.
Man kocht lieber ein eigenes Süppchen und hofft vielleicht auf den einen oder anderen Talkshowauftritt. Die von allen Anderen immer wieder eingeforderte Transparenz, die diese Internetelite sonst wie eine Monstranz vor sich herträgt, bleibt Beckedahl nämlich auch mit Blick auf die „Digitale Gesellschaft“ schuldig: wer sind die 20 Gründer des Vereins? Warum will man auf keinen Fall neue Mitglieder aufnehmen (und verhindert so eine wirkliche Diskussion über Ausrichtung und Zielsetzung) und wenn der Aufnahmestopp einmal aufgehoben wird, wer gehört dann unter welchen Bedingungen zu diesem erlauchten Kreise? Wo kann man das Gründungsprotokoll des Vereins nachlesen? Warum fand die Gründungsversammlung nicht öffentlich statt?
Es tummelt sich dort also eine Internetelite, die offensichtlich keine Lust hat, sich in Parteien zu engagieren, um dort die Sensibilität für die Notwendigkeit einer alle Politikfelder umfassenden Netzpolitik zu schärfen, sondern lieber den bequemen Weg geht und sich als Basis oder Bürgerbewegung „tarnt“.
Das Problem ist nur: Es sind eben nicht die normalen durchschnittlichen User, die hier zu Wort kommen. Es ist eine kleine, teilweise namentlich zu benennende Gruppe, die die Zeit und die Ressourcen hat, ihre netzpolitischen Überzeugungen zu artikulieren. Und wer nicht ins Konzept passt, der darf auch nicht mitmachen.
Was ist also wirklich neu? Neu ist, dass sich die digitale Elite um Markus Beckedahl nun eine feste Organisationstruktur gibt. Und dass nun auch offensichtlich ist, dass BITKOM und andere Lobbyorganisationen, die sich der digitalen Gesellschaft widmen, von der „Digitalen Gesellschaft“ noch viel lernen können. Man darf gespannt sein, wie ernst es Markus Beckedahl ist, seinen eigenen Ansprüchen gerecht zu werden oder ob er am Ende nur ein Lobbyist unter Tausenden in Berlin ist. Letzteres wäre gar nicht schlimm. Es wäre einfach nur ehrlich.