New York, New York – mein Besuch bei den Vereinten Nationen
In der vergangenen Woche war ich in New York, um die Vereinten Nationen zu besuchen. Deutschland ist seit dem 1. Januar 2019 für zwei Jahre Mitglied im Sicherheitsrat der UNO. Darüber hinaus engagiert sich unser Land ganz besonders für die Völkergemeinschaft. Wir sind unterm Strich nicht nur der zweitgrößte Geldgeber, sondern haben beispielsweise in der Mission MINUSMA in Mali erstmals eine große Zahl an Blauhelmsoldaten, auf Englisch Peacekeeper, im Einsatz.
Nachdem ich letztes Jahr unsere Soldatinnen und Soldaten in dem westafrikanischen Land in der europäischen Ausbildungsmission EUTM Mali und der Mission der Vereinten Nationen MINUSMA besucht habe, standen nun Gespräche in New York sowie die Teilnahme an einer Sitzung des Sicherheitsrats an. Das Programm war „kompakt“. In den zwei Tagen habe ich zehn Gespräche geführt und dabei nicht nur viel gelernt, sondern auch gute Ideen mitgenommen. Unterm Strich kann ich sagen: Deutschlands Einsatz für eine friedliche Welt, für eine Welt, in der die Völker ihre Probleme gemeinsam lösen, wird hochgeschätzt. Und ich finde wir dürfen als Deutsche selbstbewusst sein. Unser Engagement ist bitter nötig. Wir sollten mehr tun, auch weil wir mehr tun können. Deutschland ist ein sicheres und wirtschaftlich starkes Land. Es ist gut, wenn wir vor den globalen Herausforderungen nicht die Augen verschließen, sondern weltweit Verantwortung übernehmen. Mag auch unser Beitrag höher sein als der vieler anderer, so kann man eben auch festhalten, dass es nur wenigen Völkern so gut geht wie uns Deutschen. Dass dies so ist, liegt bis heute an dem Vertrauen, das uns andere nach der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geschenkt haben.
Auch wenn die Blauhelme anders als mögliche Kampfeinsätze als Friedensbewahrer eine hohe Akzeptanz genießen, so sind auch diese Einsätze nicht ohne Gefahr. Und die Einsätze sind gefährlicher denn je, denn von den 943 toten Peacekeepern sind gut 200 in den letzten vier Jahren im Einsatz gestorben. Auch deutsche Blauhelme haben ihren Einsatz für eine friedlichere Welt mit dem Leben bezahlt. Die letzten beiden toten deutschen Soldaten waren die Hubschrauberpiloten aus Fritzlar, die in der UN-Mission MINUSMA in Mali dienten. Und übrigens war auch der erste gefallene deutsche Soldat im Ausland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ein Blauhelmsoldat: Alexander Arndt fiel in Kambodscha am 14. Oktober 1993. Er wurde auf offener Straße erschossen. Wenn wir also über das deutsche Engagement für die Vereinten Nationen und den Frieden in der Welt reden, dann sollten wir uns bewusst machen, dass dieser Einsatz viel von den Männern und Frauen verlangt, die das blaue Barett der Peacekeeper tragen.
Im April wird Deutschland sogar den Vorsitz im Sicherheitsrat innehaben, der im März von Frankreich geführt wird. Gemeinsam haben beide Nationen unter dem Begriff „Jumelage“ (Partnerschaft) ihr Arbeitsprogramm für diese beiden Monate abgestimmt. Ein gutes Zeichen nicht nur gegenüber allen anderen im Sicherheitsrat. Nach einer Einweisung durch Oberst i.G. Klaus Merkel, den militärischen Berater am Ständigen Sitz Deutschlands der Vereinten Nationen, habe ich mich mit unserem Botschafter Dr. Christoph Heusgen zusammengesetzt und über seine Arbeit gesprochen. Es ist gut, jemand mit so viel Erfahrung der internationalen Politik auf diesem Posten zu wissen. Heusgen war bis zum Amtsantritt 2017 außenpolitischer Berater von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Gefreut habe ich mich über die Einladung zum Laufen durch den Central Park. Jeden Mittwoch in der Frühe treffen sich die Botschafter der befreundeten Nationen und laufen gemeinsam eine Runde. Eine gute Gelegenheit, neue Leute kennenzulernen und sich auszutauschen, die ich mir nicht habe entgehen lassen. Nach einer heißen Dusche, die aufgrund der eisigen Temperaturen nötig war, ging es dann in den Tag.
Mein „Gesprächsmarathon“
Wir beklagen in Europa oft die Vielstimmigkeit der EU-Länder in internationalen Krisen. In der Tat wird Europa seinen Einfluss in der Welt nur dann geltend machen können, wenn andere wissen, dass die Europäer im Zweifel zusammenhalten. Einer, der sich bei den Vereinten Nationen um diese Geschlossenheit kümmert, ist der ständige Vertreter der Europäischen Union bei den Vereinten Nationen, Botschafter Gustavo Martín Prada. Wir haben natürlich auch über die Europawahl in diesem Jahr gesprochen. Der beginnende Wahlkampf wird in anderen Teilen der Welt ebenfalls aufmerksam verfolgt.
Mittags habe ich die Gelegenheit genutzt, um mich mit deutschen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei den Vereinten Nationen zu treffen. Spannend war dabei für mich nicht nur die ungeheure Vielfalt an Aufgaben, sondern auch die hohe Expertise. Es ist toll, was wir für gute Leute dorthin entsenden. Gestärkt ging es nun ins Hauptquartier der Vereinten Nationen.
Als Gesprächspartner stand dann Atul Khare auf meiner Liste. Der für die Operationsunterstützung zuständige Under Secretary-General sprach mit mir über die Reformbemühungen der Vereinten Nationen und über die von Deutschland geleistete Unterstützung bei der Umsetzung neuer Projekte. Dabei sprach er nicht nur seinen Dank aus für die Bereitstellung von modernen Aufklärungsmitteln. Deutschland liefert mit zwei konkreten Projekten, dem Radio Mining Projekt, das der Informationsgewinnung dient, und dem Modular Command Centres einen Beitrag des Reformprogramms „Action for Peacekeeping“, das kurz A4P genannt wird.
Das Gebäude der Vereinten Nationen am East River kennt man aus den Nachrichten. Auch das berühmte Kunstwerk direkt davor, die Pistole mit dem Knoten im Lauf, ist aus den Medien bekannt. Zwischen den Terminen hatte ich Gelegenheit, mir das Gebäude näher anzuschauen. Beeindruckt hat mich auch der Saal, in dem die Generalversammlung stattfindet. Der Saal und seine Ausstattung stehen inzwischen unter Denkmalschutz, aber man hat nachträglich die notwendige moderne Technik nachgerüstet. Ich finde es faszinierend, in einem Raum zu stehen, in dem bei einer Sitzung Vertreter aller 193 Nationen unserer Erde zusammenkommen. Die Idee der Vereinten Nationen ist trotz aller Probleme absolut richtig und gerade in Zeiten globaler Herausforderungen wichtiger denn je. Davon bin ich überzeugt.
Aufschlussreich war das Gespräch mit Jean-Pierre Lacroix, einem der wichtigsten Männer bei den Vereinten Nationen. Er leitet die Peacekeeping Operations und hat mir seinen Eindruck des deutschen Engagements spiegeln können. Bestätigt hat er mir, dass Deutschland seine 2015 zugesagten Verpflichtungen im Rahmen der VN-Ausbildung, zum Beispiel der Mobile Training Teams, eingehalten hat. Ausdrücklich begrüßt hat er unser Ziel, die Zahl der weiblichen Peacekeeper deutlich zu erhöhen. Das sei eine Aufgabe für alle Nationen und er bat explizit, dass wir uns hier noch stärker einbringen sollten. Wir haben über das Aktionsprogramm Action for Peacekeeping gesprochen. Da bleibt auch künftig viel zu tun, aber auch in diesem Gespräch begegnete mir große Dankbarkeit für unseren Einsatz. Verständnis zeigte er dafür, dass Deutschland angesichts von 13 mandatierten Einsätzen der Bundeswehr weltweit und der derzeitigen Lage was Ausrüstung und Material betrifft, nicht mehr schultern kann und wir für bestimmte Fähigkeiten auch Phasen der Rekonvaleszenz benötigen. Ein Beispiel hierfür sind die deutschen Hubschrauber in Mali. Aus meiner Sicht muss es künftig Aufgabe der VN sein, hier mit den Truppenstellern zu klären, wer wann welche Fähigkeit einbringen kann. Es kann nicht sein, dass die Mitgliedstaaten selbständig klären müssen, wer die eigenen Kräfte aus einer Mission auslöst, wie das in Mali der Fall war. Diese Haltung habe ich deutlich unterstrichen.
Am ersten Abend der Reise hatte Botschafter Christoph Heusgen zu einem Abendessen in die deutsche Residenz eingeladen. Der Einladung waren mehrere Botschafter und Vertreter befreundeter Nationen aus Europa gefolgt, sodass wir sehr offen über die Situation in den jeweiligen Ländern sprechen konnten. Natürlich war der Brexit genauso ein Thema wie die bevorstehende Europawahl. Vielleicht liegt es am Ort, aber ich hatte den Eindruck, dass die Vertreter der verschiedenen europäischen Nationen sich hier bei den Vereinten Nationen der Gemeinsamkeiten der Europäer stärker bewusst sind als wir in unseren Diskussionen in der Heimat. Das gab mir zu denken. Es wäre gut, wenn wir in der Zukunft in Europa aber auch bei uns in Deutschland wieder stärker lernen, auf das Verbindende und nicht auf das Trennende zu schauen. Das ist ja die Idee der Völkergemeinschaft.
Am Ort des Geschehens
Jeder repräsentative Raum bei den Vereinten Nationen ist von einem anderen Land gestaltet und als Geschenk übergeben worden. Der Saal, in dem der Sicherheitsrat tagt, ist ein Geschenk Norwegens. Unter einem großen Gemälde, das sinnbildlich zeigt, wie Frieden und Freiheit gedeihen können, wenn die Nationen zusammenarbeiten, kommen die 15 Mitglieder des Sicherheitsrates zusammen. Auf der Tagesordnung der Sitzung, an der ich teilnahm, stand ein Briefing des amtierenden Vorsitzenden der OSZE, Miroslav Lajèák. Er unterrichte den Sicherheitsrat über die Situation in der Ukraine. Der ehemalige slowakische Außenminister fand deutliche Worte. Das Leid der Menschen im Osten der Ukraine sei nur schwer erträglich. Er appellierte an Russland endlich seine Zusagen aus dem Minsker Abkommen einzuhalten. In Vertretung jedes Landes nahmen die Botschafter Stellung. Nicht nur inhaltlich waren die Unterschiede erkennbar. Für mich war es interessant zu sehen, wie sich die unterschiedlichen politischen Kulturen und Systeme in den Stellungnahmen widerspiegelten.
Im Anschluss ging es zum Gespräch mit Rosemary DiCarlo, der Under Secretary-General for Political Affairs. Wir haben über den Konflikt im Jemen, die Krise in Venezuela und die jüngsten Entwicklungen in Libyen gesprochen. Im Jemen sollen nun gut 20 Beobachter der Vereinten Nationen die Situation vor Ort bewerten, um auf der Basis dieser Expertise die nächsten Schritte vorzubereiten. Ob es in dem Land eine Blauhelmmission geben wird, ist derzeit noch völlig offen.
Man merkt aber, wo die Handlungsfähigkeit der VN Grenzen findet. Die unterschiedliche Bewertung der Situation in Venezuela durch die Veto-Mächte im Sicherheitsrat lähmt die VN. Die humanitäre Situation in dem Land ist katastrophal und es gibt nicht genug Geld für die passenden VN-Behörden wie das World Food Program. Gleichwohl steht die Entwicklung in dem südamerikanischen Land damit auf der internationalen Tagesordnung. Das ist gut und notwendig.
Mein letzter Gesprächspartner war der indische Generalmajor Jai Shanker Menon, der Leiter des Office for Peacekeeping Strategic Partnerships (OPSP). Mit ihm habe ich sehr offen über die Frage der Effektivität der Blauhelme gesprochen. Intern untersuchen die VN kritisch, was verbessert werden muss. Deutschland ist dabei nicht nur als Truppensteller gefragt. Wichtiger ist es, dass wir unseren Beitrag bei der Ausbildung verstetigen oder sogar noch ausbauen. In Hammelburg beim VN-Ausbildungszentrum hat die Bundeswehr eine Kompetenz, die man dafür weiter nutzen sollte und von der andere Nationen noch stärker profitieren können.
Vor dem Rückflug habe ich noch Jürgen Schulz, dem Stellvertreter von Botschafter Christoph Heusgen, meinen Dank ausgesprochen. Unsere Ständige Vertretung bei den Vereinten Nationen macht eine hervorragende Arbeit. Die Termine waren nicht nur gut vorbereitet, sondern auch aus nahezu jedem Gespräch konnten wir Anregungen und Impulse mit nach Deutschland nehmen und zugleich für unsere Position in verschiedenen Fragen werben. Die Reise nach New York hat sich gelohnt. Und ganz persönlich muss ich sagen: In diese faszinierende Stadt muss ich ziemlich schnell wieder. Vielleicht ja zum New York Marathon…
Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
es freut mich, dass Sie so positive Eindrücke aus New York mitgenommen haben. Ich selbst bin der Teamleiter 2019/2020 des dritten Instruments, das Deutschland den VN 2015 angeboten hatten: In-Mission Training Teams (IMTT). Letztes Jahr wurde das Training erstmals in Uganda für Vertreter aus den fünf high-risk Missionen durchgeführt und im Anschluß daran im Januar 2019 bei UNMISS im Südsudan und im Februar 2019 bei MONUSCO im Kongo in den Force Headquartern fortgesetzt. Ich werde im Mai 2019 das diesjährige Training in Entebbe (Uganda) mit einem kleinen Team durchführen und anschließend mehrere Male in den Force Headquartern fortsetzen.
Zur Auswertung der bisherigen Aktivitäten und Planung der künftigen werde ich nächste Woche in New York bei den Vereinten Nationen sein und ebenfalls bei unserem militärischen Berater.
Herrn Botschafter Heusgen kenne ich bereits persönlich aus seiner Brüsseler Zeit. Wir hatten uns damals öfter getroffen. Als ich im Dezember 2018 bei den VN war, hatte ich auch seine Frau getroffen, die bei DPO arbeitet.
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Prüfert
Oberst