Löschen statt Sperren!

Ein Thema steht erneut auf der Tagesordnung, das bereits in den letzen Jahren zu hitzigen Diskussionen führte: Sollen kinderpornographische Seiten im Internet gesperrt oder gelöscht werden? Das Zugangserschwerungsgesetz aus der letzten Wahlperiode hatte darauf zunächst eine Antwort gegeben und eine Sperrung der entsprechenden Seiten angeordnet. Das Zugangserschwerungsgesetz wird jedoch derzeit nicht vollständig angewandt. Ein Probejahr hatte die Koalition dem Gesetz gegeben, jetzt wird über dessen Inhalt neu verhandelt.

Die Frage, ob man Internetseiten, die Darstellungen von Kindesmissbrauch enthalten – oft verharmlosend als Kinderpornografie bezeichnet – löschen und/oder sperren sollte, wurde von der christlich-liberalen Koalition mit dem Koalitionsvertrag aufgeschoben. In der derzeitigen Diskussion sind die Argumente oft nicht neu, aber dennoch bin ich verwundert, wie oft die Debatte von Unkenntnis geprägt ist.

Fünf Gründe sprechen für das Löschen als wirkungsvollstes Instrument im Kampf gegen kinderpornografische Inhalte im Internet. Diese und die aus meiner Sicht erforderlichen Maßnahmen will ich hier aufzeigen:

Fazit nach einem Jahr: Löschen funktioniert schnell und weltweit

Die Server mit einschlägigen Inhalten stehen nicht, wie allgemein angenommen, in den sog. „failed states“, sondern größtenteils in Europa und Nordamerika. Nach Studien der Internetbeschwerdestelle des Verbands der deutschen Internetwirtschaft eco, wurden im Jahr 2010 96% der weltweit gemeldeten Internetseiten binnen zwei Wochen aus dem Internet gelöscht. Bei inländischen Servern in Deutschland liegt die Quote bereits nach einer Woche bei 99,4% gelöschter Internetseiten. Darüber hinaus konnte seit Einführung einer internationalen Koordination 2009 die Effektivität beim Löschen ausländischer Seiten von 58% auf 84% erhöht werden.

Zu verdanken ist die höhere Quote vor allem einer besseren internationalen Koordinierung und Absprache. Hier ist eine weitere Intensivierung und Institutionalisierung aber notwendig, um das Löschen auf Dauer als wirksames Instrument zu implementieren. Wahr ist aber auch: Hier bleibt noch einiges zu tun.

Es bleibt dabei: Löschen ist nachhaltig und endgültig

Löschen ist ein endgültiges Entfernen und kein schlichtes Aussperren von kinderpornografischen Inhalten. Löschen ist dabei allerdings nur der umgangssprachliche Ausdruck für die physikalische Trennung des Servers vom Netz. Danach stellen die Ermittlungsbehörden die Hardware sicher und können anhand der Inhalte und Logdateien Täter ermitteln und die weitere Demütigung der Opfer verhindern.

In Deutschland konnten im vergangenen Jahr 652 Seiten aus dem Internet endgültig entfernt werden. Löscht man Daten an der Quelle – sprich direkt vom Server – sind sie sofort und weltweit nicht mehr verfügbar. Löschen greift das Problem an der Wurzel: Die Inhalte verschwinden endgültig und können nicht auf freie Internetseiten verschoben werden, um damit weiterhin im Umlauf zu bleiben. Dies entzieht dem Geschäft ihr Produkt und wird umso effektiver, desto intensiver das Löschen weltweit betrieben wird. Das Löschen ist zudem präziser, da es ein Löschen einzelner Inhalte ermöglicht und nicht den Zugang im Allgemeinen versperrt.

Die schlechte Alternative: Mangelhafte Praxis des Sperrverfahrens

Selbst Verfechter von Netzsperren bestreiten nicht, dass diese leicht zu umgehen sind. Jeder der verschiedenen Sperrtechniken ist nur begrenzt wirksam und ohne große technische Expertise zu umgehen. Gesperrte Netzzeiten sind also für jeden erreichbar, der ein Minimum an Energie dafür aufbringt. Frei zugänglich sind Anleitungen, die in weniger als 30 Sekunden den Vorgang erklären.

Pädophile Täter, die dieses illegale Material betrachten wollen, werden den minimalen Aufwand fraglos auf sich nehmen. Die Sperren zeigen somit keine Wirkung. Im Gegenteil. Sperrlisten, die auf „Stoppseiten“ führen, ermöglichen es, regelrechte Kinderporno-Kataloge aufzustellen, die den Zugang noch einfacher machen. Dazu muss man nicht einmal die widerlichen Inhalte abrufen oder sich die geheimen Sperrlisten irgendwo illegal besorgen. Der automatisierte Vergleich eines freien, z.B. ausländischen Name-Servers mit einem Name-Server mit integrierter Sperrliste liefert über Nacht den Katalog.

Die Sperrlisten blähen sich zudem ständig weiter auf, ohne einen Schutz zu garantieren. In Finnland wurden beispielsweise über 1.000 Seiten gesperrt wovon allerdings nur weniger als 1 Prozent tatsächlich kinderpornografische Inhalte zeigen. In Thailand wurden bisher gar 250.000 Seiten gesperrt. Die Sperren weiten sich in der Praxis schnell auf Seiten mit pornografischem Inhalt, Tauschbörsen und andere ungewünschte, aber durchaus legale Internetseiten aus.

Konsequent handeln: Strafrechtliche Verfolgung der Täter

Durch die Zusammenarbeit von Beschwerdestellen und Strafverfolgungsbehörden können beweiserhebliche Daten gesichert und damit die Strafverfolgung gewährleistet werden. Bestehende Sperr-Infrastrukturen hingegen zeigen, dass die Polizeibehörden ihre Aufgabe nach Sperrung der Inhalte vielfach als erledigt betrachten. Dies führt langfristig zu einem Verdrängen der Problematik nicht aber zu einer effektiven Bekämpfung.

Grundsätzliche Überlegung: Menschenwürde und Opferschutz

Laut UNICEF werden in Deutschland jährlich weit über 100.000 Kinder missbraucht um immer wieder neue Inhalte für die Kinderpornografie anbieten zu können. Es muss im Interesse aller in einer aufgeklärten Gesellschaft lebenden Menschen sein, diese Kinder heute und in Zukunft zu schützen und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Der Gesellschaft muss es ein aktives Anliegen sein, Missbrauch in jeglicher Form auf das Schärfste zu verurteilen und zu verfolgen. Dies ist nur mit Löschen möglich, nicht aber mit einem (Aus)sperren. Das Sperren entspricht dem Wegschauen anstatt dem Handeln in der realen Welt.

Was ist noch zu tun: Herausforderungen für die Zukunft

Die Erfahrungen aus dem letzten Jahr haben deutlich gezeigt, dass sich das Löschen gegenüber dem Sperren als Best-Practice durchgesetzt hat. Die Konsequenz daraus muss sein, diese Erfahrungen in einem Gesetz zu festigen und somit der Kinderpornografie im Netz von Seiten der Politik und der Gesellschaft den Kampf anzusagen. Folgende Herausforderungen gilt es in der Zukunft anzugehen und zu bewältigen:

– Schaffung einer demokratisch legitimierten Infrastruktur; beispielweise eine Ausweitung der Kompetenzen der Beschwerdestellen.

– Klare und eindeutige Kompetenzzuweisungen innerhalb der verschiedenen zuständigen Behörden auf nationaler sowie internationaler Ebene, um eine effektive Strafverfolgung zu gewährleisten.

– Fortsetzung der im Jahr 2009 begonnenen globalen Kooperation von Polizeibehörden, Beschwerdestellen und Regierungen.

– Daraus resultierend muss ein internationales strafrechtliches Verfolgungsverfahren etabliert werden, dass auf den Erkenntnissen der Löschvorgänge basiert.

11 Kommentare zu “Löschen statt Sperren!

  1. Der Beitrag gibt im Wesentlichen die Argumente wieder, die bereits bei der Abfassung des Zugangserschwerungsgesetzes von Teilen der Opposition aber auch aus der Netzgemeinde gegen das Sperren und für das Löschen vorgebracht wurden.
    Zusätzlich verweisen SIe auf die wachsenden Erfolge bei der Löschung dieser widerwärtigen Bilder und Filme.
    Alles gut und richtig, nur hat dieser Sinneswandel offenbar noch nicht die gesamte Unionsfraktion erfasst: Dr. Günter Krings ist jedenfalls anderer Meinung.

  2. Die Richtung stimmt, ich gebe jedoch zu bedenken: „Löschen“ impliziert „Tilgen“, doch mit „Löschen“ im IT-Bereich vernichten Sie nur eine von beliebig vielen vorhandenen Kopien. Nachdem sie „Löschen“ wird derjenige der weitere Kopien vorrätig hält sich neue Schlupflöcher suchen um sein kriminellen Geschäfte weiter zu betreiben. Sie verlagern mit „Löschen also die Szene mehr und mehr in den Untergrund. Als wirklichen Erfolg kann man das nicht feiern, immerhin ist es jedoch wesentlich realitätsnäher als die unsägliche „Sperren“-Kampagne.

    Somit kann „Löschen“ nur ein erster Schritt in Richtung eines möglichst weltweiten Commitments sein welches Missbrauch von Kindern, Tieren etc. wirklich Völkerübergreifend ahndet, verfolgt und die Verbreitung von Bild- und Filmmaterial diesen Kalibers im Internet eines Tages wirksam unterbindet.

    Way to go, doch wenn wir nichtmal in der Lage sind unsere Kinder zu schützen (Man mag ergänzen: Unsere Kinder vor uns selbst zu schützen!) wo sollen wir dann als Deutsche/Europäer/Menschen unserem Gegenüber oder sich entwickelnden jungen Menschen überhaupt noch ein Gefühl von Sicherheit und Freiheit vermitteln in dem sie sich und ihr Potential angstfrei (und zum Wohle aller) entfalten können?

    Wenn ich dazu heute lese das ein Westerwälder mit seiner Stieftochter 8 Kinder gezeugt hat und die Stieftochter und dazu noch seine eigene Tochter fremden Männern angeboten hat dann kann ich garnicht soviel Essen wie ich k….. möchte. Was mir allerdings wirklich an die Nieren geht ist der Nachsatz auf Stern.de: „…einige Menschen sollen etwas geahnt haben – doch keiner hat etwas unternommen.“

    Ein Einzelfall, sicher, doch diese Gleichgültigkeit der Mitmenschen macht mir wirklich Angst. Dies sind so die Momente wo ich mir wünsche das es im HTML-Vokabular des Internet einen Tag geben sollte mit dem man seine Empörung, Wut und Abscheu wirklich laut und markerschütternd hörbar machen können sollte.

    Vor allem zeigt es aber das wir schon weit vor dem Internet ansetzen müssen um zu verhindern was ansonsten droht in den Rang eines Kavaliersdelikts aufzusteigen. Bilder und Filme von Missbrauch können wir vielleicht noch löschen, die realen Erlebnisse betroffener Kinder, Mädchen und Jungs vermutlich nie! Deshalb: Löschen Sie, aber vergessen Sie nie das unsere Verantwortung zuhause beginnt und beim Nachbarn längst nicht aufhört…

  3. Wenn ich behaupten würde, dass ich das Gesetz auch in der letzten Legislaturperiode abgelehnt hätte, dann glaubt mir das doch eh keiner oder?

    Hmm… 🙂
    Um Glaubwürdigkeit bei der CDU in Sachen Netzpolitik herzustellen braucht es imho noch das eine oder andere Jahr(-zehnt). Da sind in der Vergangenheit viel zu viele Kinder in diverse Brunnen gefallen geworfen worden.

  4. Ich bin überrascht. Aus CDU-Kreisen hätte ich einen so klaren Artikel nicht erwartet. Das rückt mein Bild über das Verständnis dieser Partei von sog. neuen Medien und den (Un-)Möglichkeiten moderner Infrastruktur ein kleines bisschen gerade. Weiter so… ich hoffe sie folgen bei diesen wichtigen Fragen nicht der Herde die sich Franktion nennt.

  5. Wenn ich Ihren Kommentar lese habe ich automatisch ein Bild vor Augen …. Sie sollten dringend mal Ihre negative Weltsicht hinterfragen. Ich persönlich lehne jede Zensurinfrastruktur im Netz ab. Sie wäre aus meiner Sicht auch nicht verfassungskonform. Aber um dieses Thema ging es in meinem Blog doch auch gar nicht! Ich befürchte allerdings, dass Sie zu denen gehören, die immer nur meckern. Das ist schade.

  6. @vinz: Vielleicht weil er zu dem Zeitpunkt noch kein MdB war?

    Mein Kommentar dazu: Solange Sie die Regierung stützen, die auf der EU-Ebene die Sperren beschließt, ist das hier nur dazu da, um sich Sympathien einzuholen und der Netzpolitik-Gemeinde ein bisschen das Gefühl zu geben, „dass ja nicht alle bei den Volksparteien so schlimm sind“ oder „die CDU jetzt auch zur Vernunft kommt“.
    Nicht mal zu der Frage, ob die Sperren mit dem KiPo-Argument eine Zensurinfrastruktur aufbauen, äußeren Sie sich.

      1. Hm, wer lesen kann hat mehr vom Leben 😉

        Dann jetzt eine hyptothetische Frage: Hätten sie damals – entgegen der Haltung ihrer Fraktion – das Gesetz abgelehnt? Oder würde sie die letzten 1,5 Jahre als „Erfahrungs- und Erprobungsphase“ für Löschen statt Sperren ansehen, die ihre Haltung manifestiert hat?

        1. Wenn ich behaupten würde, dass ich das Gesetz auch in der letzten Legislaturperiode abgelehnt hätte, dann glaubt mir das doch eh keiner oder? Also kann ich nur sagen, dass ich in meiner Haltung durch die Diskussion in den letzten Monaten eher bestärkt worden bin. 🙂

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