Im Heiligen Land
Vier Tage Israel. Nicht einmal. Es wäre vermessen, zu glauben, man könne das Land in dieser kurzen Zeit kennenlernen. Aber es reicht, um sich zu verlieben. In die Landschaft, in die Städte Jerusalem und Tel Aviv, in die Geschichte dieses immer wieder zerrissenen und umkämpften Fleckens Erde und natürlich in die Menschen.
Gemeinsam mit mehreren Abgeordneten der CDU aus dem Bundestag und verschiedenen Landtagen bin ich auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung nach Israel gereist. Die Stiftung, die ein bemerkenswertes internationales Netzwerk pflegt, hat nicht nur in Jerusalem, sondern auch in den palästinensischen Autonomiegebieten ein eigenes Büro. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ich kennenlernen konnte, unterstützen mit viel Herzblut und Engagement den Austausch mit der Zivilgesellschaft und pflegen den Kontakt zu staatlichen Stellen. Man merkt ihnen an, wie sehr sie mittendrin sind – und zugleich wahren sie die notwendige Distanz, um vermitteln zu können und um glaubwürdig als unabhängig wahrgenommen zu werden. Diplomatisch eben. Gerade das war für mich als Politiker, von dem in der Regel erwartet wird, klar Stellung zu beziehen, beeindruckend. Schnell merkt man aber auch: Es gibt selten ein Schwarz-Weiß mit Blick auf die Konflikte im Heiligen Land, sondern unterschiedliche Grautöne – mindestens so viele wie christliche Konfessionen in Jerusalem. Es sind über 50, von denen 13 die Christenheit offiziell repräsentieren.
Das Programm unserer Reise war mehr als umfangreich. Intensiv haben wir uns mit der aktuellen politischen Situation beschäftigt. Der deutsche Botschafter Dr. Clemens von Goetze und Peter Beerwerth, Gesandter im Vertretungsbüro der Bundesrepublik in Ramallah, informierten uns ausführlich über die Situation vor Ort. Der Friedensprozess ist festgefahren. Während gemäßigte Kräfte an der Zweistaaten-Lösung festhalten, gibt es auf beiden Seiten Gruppen, die das ablehnen – auf israelischer Seite verneinen nationalreligiöse Parteien die Existenz einer palästinensischen Nation, auf palästinensischer Seite fordern radikale Gruppen die Auslöschung Israels. Wie schwierig die Situation ist, wurde auch bei unseren Gesprächen in der Knesset, dem israelischen Parlament deutlich. Wir sprachen mit Parlamentspräsident Yuli Edelstein, der dem Likud, der Regierungspartei von Benjamin Netanjahu angehört, und mit Nachman Shai von der linken Partei Awoda, dem Vorsitzenden der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe. Deutlich zu spüren war, wie hoch bei allen politischen Lagern das Ansehen Deutschlands ist. Angela Merkels wichtiger Satz, das Existenzrecht Israels sei Teil der deutschen Staatsräson, wirkt hier nach.
Nicht nur in der Politik, sondern sowohl auf Seiten der Israelis als auch bei den Palästinensern ist Deutschland ein beliebtes Land. Auf dem Weg durch die Stadt begegnete uns immer wieder die Werbung von „Carolina Lemke Berlin“, einer Brillenfirma. Wir zeigten uns etwas verwundert, denn keiner von uns kannte diese Marke. Daraufhin erklärte man uns, dass das Unternehmen auch keinen direkten Bezug zu unserem Land habe, aber sich das gute Image Deutschlands zunutze mache und eben den Eindruck erwecke, eine deutsche Firma zu sein.
Auf dem Programm stand auch ein Besuch in der Gedenkstätte Yad Vashem, wo ich im Namen der CDU Deutschlands einen Kranz niederlegen durfte. Die Erinnerung an den Holocaust wachzuhalten, ist eine Verpflichtung für Deutsche und Israelis gleichermaßen. Die Gedenkstätte mit einer sehr guten historischen Ausstellung kann einen nur unberührt lassen, wenn man kein Herz hat. Vor allem der Raum, in dem die Namen von 4,7 Millionen ermordeten Juden festgehalten werden, bewegt. Noch heute werden jeden Tag Namen hinzugefügt, denn die Gedenkstätte hat unter anderem das Ziel, jedem der Opfer seine Identität wiederzugeben. Gerade viele osteuropäische jüdische Opfer werden aber wohl namenlos bleiben. Besonders berührt hat mich der Raum, der nur von einer Kerze, die tausendfach gespiegelt wird, erleuchtet wird. Dort werden die Namen der ermordeten Kinder verlesen. Ein Ort, der beschämt.
Was mich noch sehr bewegte: Auf dem Programm stand auch der Besuch der israelischen Sha’ar HaNegev Schule in unmittelbarer Nähe des Gaza-Streifens. Gebaut ist sie wie Bunker, weswegen die Kinder im Klassenraum verbleiben, wenn die Sirene ertönt – was zum Glück schon eine ganze Weile nicht mehr vorkam. Die Schülerinnen und Schüler hatten eine Präsentation vorbereitet, sie hatten Deutschland im Rahmen eines Schüleraustauschs besucht und wollten uns ihre Eindrücke schildern und von ihrem Leben in Israel erzählen. Ein Mädchen berichtete, dass sie in dem Kibbuz geboren wurde, das einst nach der Gründung Israels ihr Großvater aufgebaut hatte. Inzwischen lebe sie mit ihrer Familie aber woanders. Weiterreden konnte sie nicht, obwohl ihr Englisch sehr gut war. Der Lehrer erklärte uns, dass sie aufgrund der Bedrohung und des Beschusses durch die Hamas mit ihrer Familie aus ihrem Heimatort wegziehen musste. Wie traumatisiert müssen diese Kinder sein. Gleich zu Beginn fiel mir ein Junge auf, der eine Bayern-München-Jacke trug. Groß und schlaksig.
Auch er war zum Schüleraustausch in Deutschland gewesen. Beim Gegenbesuch der deutschen Schüler ist die Gruppe gemeinsam nach Yad Vashem gefahren. Der Junge sagte danach zu einem deutschen Mädchen, mit dem er sich angefreundet hatte, das sei doch ein sehr schöner Besuch gewesen. Das Mädchen, noch ganz berührt von den Eindrücken der Ausstellung und der Darstellung des Leidens gerade der Kinder im Holocaust, fragte ihn leicht irritiert, was denn an dem gemeinsamen Besuch schön gewesen sei, es sei doch wohl eher traurig. Er beharrte darauf. Nein, es sei schön gewesen. Schön, weil heute Deutsche und Israelis, Juden und Christen diesen Ort gemeinsam besuchen könnten und als Freunde kommen und gehen. Mich hat dieser Junge, der mit Terror und Hass in seinem eigenen Land konfrontiert wird, wirklich schwer beeindruckt.
Jerusalem. Diese Stadt ist nicht nur für „religiös musikalische“ Menschen ein heiliger Ort, sondern auch für historisch und kulturell Interessierte mit einer Magie versehen, der man sich kaum entziehen kann. Als Christ war ich auf den Spuren Jesu Christi geradezu gefangen. Die tiefgläubigen, betenden Juden am Freitag zu Beginn des Schabbats an der Klagemauer zu erleben, war genauso beeindruckend wie die Gespräche mit Vertretern der christlichen Kirchen zuvor.
Wunderschön war der Besuch auf dem Ölberg mit Blick auf die Altstadt; den Ort des letzten Abendmahles zu sehen, war eindrucksvoll, aber die Grabeskirche mit dem Heiligen Grab zu besuchen hat mich wirklich ergriffen. So viele Christen aus aller Welt zu sehen, die gemeinsam friedlich beten, an den heiligen Stätten zusammenkommen – man kann das Gefühl kaum in Worte fassen.
So tolerant das Miteinander von christlichen Pilgergruppen auf der Via Dolorosa neben arabischen Geschäftsleuten und schnellen Schrittes dahineilenden orthodoxen Juden auch wirkt, so sehr spürt man, wie sensibel und mühsam austariert dieses Miteinander ist. Sinnbildlich steht die Geschichte von der Leiter an der Grabeskirche für dieses Bemühen. Keiner weiß, wer die Leiter hingestellt hat und niemand bewegt sie, um ja keine neuen Konflikte auszulösen. Die verwinkelten Gassen der Altstadt, die Basare und Geschäfte, aber auch die Einkehr im österreichischen Hospiz, wo der Pförtner Raed einem ein fröhliches „Grüß Gott“ entgegenschleudert und es Apfelstrudel gibt, die Erlöserkirche – gebaut von den Deutschen unter Kaiser Wilhelm II. – und die Lebendigkeit des Orients wecken eine Neugier und Sehnsucht. Man spürt, dass die Geschichte bis heute fortwirkt und uns nicht loslässt.
Wenn man von Jerusalem nach Tel Aviv fährt, dann könnte der Kontrast kaum größer sein. Israel sieht sich nicht nur als ein Hightech-Land. Es ist eins. Jerusalem war übrigens die erste Stadt weltweit, die eine komplette WLAN-Abdeckung hatte. Wenn es um Start-ups geht, dann ist das Land trotz seiner überschaubaren Größe weltweit vorne. Das liegt auch daran, dass viele Impulse aus dem Bereich des Militärs kommen, aber auch am Selbstverständnis der Israelis. Sie sehen sich als ein sehr junges Land und betonen das im Unterschied zu Deutschland im persönlichen Gespräch – was witzig anmutet, denn die Bundesrepublik ist nur unwesentlich älter als der Staat Israel.
Ähnlich wie bei uns „Jugend forscht“ gibt es eine Cyber-Olympic-Championship für Kinder und Jugendliche, um diese für das Programmieren und andere technische Berufe zu begeistern. Offensichtlich funktioniert das sehr gut, denn Israel hat nicht nur eine hohe Akademikerquote, sondern ist anders als Deutschland noch nicht in gleichem Maße auf ausländische Fachkräfte in diesem Bereich angewiesen. Gespräche mit Karin Mayer Rubinstein von der Israel Advanced Technology Industry und bei der Deutsch-Israelischen Industrie- und Handelskammer ergänzten das spannende und abwechslungsreiche Programm.
Wer übrigens mehr über Israel wissen will, der sollte sich diese 68 Fakten anschauen. Ich freue mich schon auf meine nächste Reise ins Heilige Land.
Sehr geehrter Herr Tauber,
ich habe Ihren Bericht mit großer Begeisterung gelesen und war verwundert, wie klein doch die Welt ist.
Ich habe die Schulklasse, die Sie jetzt in Israel besucht haben, vom 25.05. bis 01.06.2016 zu uns nach Hannover eingeladen.
Kurz etwas zu uns: Wir sind ein Team der Madsack Mediengruppe vom Azubi bis zum Verlagsleiter und veranstalten jetzt zum 12. Mal in Folge am 11.06.2017 „Wir sitzen alle in einem Boot für mehr Toleranz“.
Wir gehen nach den vielen negativen Meldungen in Zeitungen, Rundfunk und Fernsehen zum Thema Rechtsextremismus, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und Religionsfanatismus mit bestem Beispiel voran und wollen mit unserer Botschaft „Wir sitzen alle in einem Boot für mehr Toleranz“ möglichst viele Menschen weltweit erreichen. Wir wollen ein Zeichen setzen für Hoffnung auf Verständigung und Freundschaft zwischen den unterschiedlichsten Religionen und Kulturen.
Im Rahmen unserer 11. Veranstaltung „Wir sitzen alle in einem Boot für mehr Toleranz“ waren die SchülerInnen bei uns im Rahmen eines Schulaustausches mit der Humboldtschule zu Gast und ich konnte ihnen dank unserer vielen Sponsoren und Unterstützer auch eine Fahrt nach Berlin mit Besichtigung des Bundestages ermöglichen.
Mich würde sehr interessieren,
wie sie Ihnen ihre Eindrücke über ihren Besuch bei uns in Deutschland geschildert haben? Ich wollte ihnen gern unser neues, demokratisches Deutschland zeigen. Mit ihrem Lehrer Herrn Rabinowitz, den Sie auch kennenlernten, hatte ich ein sehr angenehmes Miteinander.
Es ist für mich jetzt ein wunderschönes Gefühl, dass das, wofür ich mich etwa ein halbes Jahr eingesetzt habe, so einen Rahmen bekam.
Ich befinde mich auch schon wieder voll in den Planungen für unsere nächste Veranstaltung. Am 11. Juni 2017 wird bei uns eine Schulklasse aus Changde (China) und eine Studentengruppe aus Tjumen (Russland) zu Gast sein. So wollen wir Mauern für Verständigung und Frieden zwischen insbesondere jungen Menschen einreißen.
Mehr über uns können Sie unter http://www.facebook.com/toleranzdrachenboot sehen.
Ganz herzliche Grüße nach Berlin.
Ihr
Werner Hohlbein
Ein sehr interessanter Bericht!