Seht, da sind die Katholiken!

Leipzig – das ist nicht nur der Ort, an dem sich rund um Fronleichnam Tausende zum Katholikentag getroffen haben. Leipzig ist auch der Ort, an dem mein hessischer Landsmann Johann Wolfgang von Goethe einige Jahre studierte. Ein von ihm gern besuchter Ort war Auerbachs Keller – eine Leipziger Institution. Ein Denkmal setzte Goethe dieser Gaststätte im Faust I mit der Szene Auerbachs Keller in Leipzig. Einige Kapitel später begegnet dem Leser der Tragödie die weltberühmte Gretchenfrage. Gretchen fragt den Gelehrten Heinrich Faust: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ 

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Dieser Frage hatte sich auch die Stadt Leipzig zu stellen, als sie Gastgeberin des diesjährigen Katholikentags war. Nur vier Prozent der Leipzigerinnen und Leipziger sind katholisch, elf Prozent evangelisch. Auf den ersten Blick nicht gerade der naheliegendste Ort für solch ein kirchliches Großereignis. Auf den zweiten Blick aber doch vielleicht genau der richtige Ort. Denn: Wo stellt sich die Gretchenfrage drängender als an Orten, in der Kirche, in der Religion nicht zum Alltag der Menschen gehört.

Wenn heute die Religionsfreiheit für Muslime ganz offen in Frage gestellt wird, wenn Kirche immer wieder unter Legitimationsdruck gerät, wenn viele Menschen mit christlichen Feiertagen nichts mehr anfangen können, wenn Religion aus dem öffentlichen Raum gedrängt wird, dann stellt sich unserem ganzen Land die Frage: „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ 

Mit dieser Frage können wir uns sehr abstrakt beschäftigen – mit Verweis auf unser gewachsenes Religionsverfassungsrecht und die korporative Religionsfreiheit, mit philosophischen Annäherungen an den Menschen als homo religiosus, mit kulturgeschichtlichen Betrachtungen der christlichen Prägung Europas und mit vielem mehr. 

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Unterwegs auf der Kirchenmeilen bot sich immer wieder Zeit für spontane Gespräche mit anderen Besuchern.

Wir können aber auch mit wachem Blick auf die ganz konkrete Wirklichkeit der Religion in unserer Umgebung schauen – und dabei ganz besonders auf die Menschen, die aufgrund ihrer religiösen Überzeugung mit anpacken und die Welt mit jeder auch noch so kleinen Tat ein Stückchen besser machen.

Genau dies habe ich bei meinem Besuch des Katholikentages einmal mehr erleben können. Ich habe begeisternde Menschen getroffen, spannende Geschichten gehört und wunderbare Gespräche geführt. Dabei zog sich wie ein roter Faden durch all diese Begegnungen: Glaube ist für viele etwas, das einen aufrüttelt, das einen förmlich zum Handeln und Anpacken zwingt. Viele Gläubige fühlen sich nicht auf der Zuschauertribüne wohl, sie wollen mitmischen – und das aus ihrem religiösen Selbstverständnis heraus.

Und: Glaube habe ich auf dem Katholikentag auch nicht als etwas erlebt, das die Welt in Rosarot färbt. Der gelebte Glaube erschöpft sich nicht in einem fröhlichen Halleluja und klatschender Begleitung von religiösem Liedgut. Es gibt wohl kein Problem in unserem Land, das nicht auf dem Katholikentag angesprochen wurde. Aber im Unterschied zu denjenigen in unserem Land, die sich auf der Zuschauertribüne bequem eingerichtet haben und mit nörgelndem Unterton der Problembeschreibung frönen, spürte ich in Leipzig ein echtes Ringen – um gute Lösungen, um Verbesserung für die Menschen, um Konsens und Zusammenhalt.

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Gespräch am Stand von donum vitae, einem Verein für Schwangerenkonfliktberatung.

Da sind Haupt- und Ehrenamtliche bei den Maltesern, die anpacken, indem sie nicht nur Flüchtlingsunterkünfte betreiben sondern vor allem Integration voranbringen. Da sind Frauen und Männer bei donum vitae, die sich selbst organisieren, um schwangeren Frauen in einer schwierigen Entscheidungssituation zur Seite zu stehen. Da sind junge Menschen im Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), die sich der Frage stellen, wie Politik aus Perspektive junger Menschen aussehen muss. Da sind Militärseelsorger, die Räume für Soldatinnen und Soldaten schaffen, um über ihren schwierigen  und wichtigen Dienst für unser Land zu sprechen.

Die Liste ließe sich fast beliebig fortsetzen. Aber eines eint alle: Resignation, Jammern und Meckern ist keine Option. Religiöse Überzeugung provoziert zur Tat, zum Handeln und Mitmachen. Als Generalsekretär erlebe ich diese Haltung täglich auch in unserer Partei. Christdemokraten – ob Christen, Juden, Muslime oder Nichtgläubige – wollen genauso anpacken. Sie überlassen das Meckern gerne anderen, wenn sie stattdessen auch nur einen kleinen Schritt machen können, unser Land voranzubringen.

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Begegnung mit Flüchtlingen bei den Maltesern. Mit dabei auch Constantin von Brandenstein-Zeppelin (l.) aus meinem Wahlkreis.

„Nun sag, wie hast Du’s mit der Religion?“ Als Christdemokraten fällt uns die Antwort auf diese Frage leicht: Religion ist Kraftquelle fürs Anpacken; Religion fordert auf zum Bessermachen; Religion schenkt den Mut zum Handeln. Deshalb wissen wir um den Wert des Religiösen. Deshalb stehen wir ohne Wenn und Aber zur Religionsfreiheit. Deshalb hat Religion im öffentlichen Raum etwas zu suchen. 

Seit Jahren begleitet mich ein Satz des Jesuitenpaters Alfred Delp. Als Mitglied des Kreisauer Kreises war er im Widerstand gegen Hitler aktiv und wurde im Februar 1945 in Berlin-Plötzensee von den Nationalsozialisten hingerichtet. Von diesem mutigen und im Glauben tief verwurzelten Mann stammt der Satz: „Wer nicht den Mut hat, Geschichte zu machen, wird ihr armes Objekt. Lasst uns tun!“ Dieser Satz klang mir beim Katholikentag das eine oder andere Mal in den Ohren. Wir können uns glücklich schätzen, wie viele Menschen in unserem Land dieser Devise folgen – vielen Dank ihnen allen!

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Fotos (4): Tobias Koch

1 Kommentar zu “Seht, da sind die Katholiken!

  1. Vielen Dank, Herr Tauber für dies Statement zum Katholikentag in Leipzig!–Ich war nicht dort,–aber das, was Sie zur Religion und zur Freiheit, sie ausüben zu dürfen, findet meine volle Unterstützung!!–Ich bin seit Okt. 2015 CDU-Mitglied, habe meinen Platz dort allerdings noch nicht so richtig gefunden! Freundliche Grüsse aus Gifhorn

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