PEGIDA – Worum geht es eigentlich?
Seit Wochen beschäftigen nicht nur die Medien, sondern auch weite Teile der deutschen Öffentlichkeit die so genannte „PEGIDA“ in Dresden. Auch wenn 18.000 Teilnehmer bei der letzten Demonstration beachtlich sind, kann man sich des Verdachts nicht erwehren, dass diese angebliche „Bewegung“ eine teilweise übertriebene mediale Aufmerksamkeit erfährt. Außerdem beschreiben viele das „Phänomen“, nur wenige versuchen sich ernsthaft mit den möglichen Ursachen und Auslösern auseinanderzusetzen.
Die Appelle, wie mit PEGIDA umzugehen sei, führen nicht weiter. Wir sollten den Demonstranten und allen, die mit den Demonstranten sympathisieren, eine inhaltliche Antwort geben. Wer das Thema ernsthaft behandeln will, der wird keinen Sofortplan auf den Tisch legen können, sondern muss langfristig kommunizieren und politisch arbeiten. Drei Fragen will ich aufgreifen:
Was erleben wir in Dresden und warum sollte die Politik aufmerksam hinschauen – und Bürgerinnen und Bürger auch?
Seit einigen Wochen versammeln sich am Montag Demonstranten, um gegen eine vermeintliche Islamisierung des Abendlandes – nicht etwa Dresdens – zu demonstrieren. Die Organisatoren sind teilweise zwielichtige Gestalten, darunter Kriminelle. Es stellt sich also die Frage, wer dahintersteckt und sich dort noch engagiert. Die Frage, warum uns dieses Phänomen in diesem Ausmaß ausschließlich in Dresden begegnet, ist ebenfalls interessant und unbeantwortet. Das Gesicht von PEGIDA ist ein gewisser Lutz Bachmann, der sich jedem Diskurs mit der Politik und den Medien bislang verweigert, aber jetzt offensichtlich die Nähe zur AfD sucht. Geschenkt. Wenden wir uns also lieber den Bürgerinnen und Bürgern zu, die dort demonstrieren.
Die Demonstranten bringen ihre Ablehnung der Politik und Parteien, aber auch der freiheitlich-demokratischen Grundordnung sowie entscheidender rechtsstaatlicher Prinzipien zum Ausdruck. Darüber hinaus wird die Unabhängigkeit der Medien infrage gestellt und die Sorge um den Verlust von Identität zum Ausdruck gebracht.
Es geht nicht mehr nur um Protest gegen bestimmte politische Entscheidungen, sondern um eine grundsätzliche Kritik am politischen System und dem Prinzip einer pluralistischen und freiheitlichen Gesellschaft. Besonders bedenklich sind dabei die Medienkritik und die Unterstellung, dass Politik und Medien ein Meinungskartell bilden würden. Dass die Demonstranten dabei mit den Rufen „Lügenpresse“ und „Volksverräter“ nationalsozialistisches Vokabular benutzen, wie die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) festgestellt hat, ist bezeichnend. Die pauschale Medienkritik ist mit Blick auf die Unabhängigkeit der Presse in Deutschland und dem hohen Stellenwert, den die Presse- und Meinungsfreiheit im Grundgesetz genießen, zwar falsch, aber diese These findet unter den Demonstranten viele Anhänger. Auch wenn die Analyse von „Reporter ohne Grenzen“ deutlich macht, wie positiv es um die Pressefreiheit in Deutschland steht, sollten sich Journalisten und Politiker damit auseinandersetzen. Offensichtlich ist der Vertrauensverlust in die Glaubwürdigkeit von Politik und Medien bei manchen Bürgerinnen und Bürgern so groß, dass sie auf die Straße gehen und diesen Thesen Glaubwürdigkeit schenken.
Dabei geht es nicht nur um Weltverschwörungstheorien, sondern viele behaupten, dass man bestimmte Probleme und Sorgen nicht öffentlich benennen dürfe, ohne gleich als rechtsextrem gebrandmarkt zu werden. Viele Bürger nervt Political Correctness, weil unter diesem Stichwort allzu oft eben nicht mehr Sensibilität in der Debatte entsteht, sondern Probleme gar nicht mehr angesprochen werden, weil man im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos wird, wenn man politisch korrekt zu formulieren versucht. Wenn sich das nicht ändert, wird man einen Teil der Menschen nicht erreichen und auch kein Vertrauen in die Medien schaffen. Die politische Ausrichtung der meisten Redaktionen tut ihr übriges.
Wie ist es mit der Ablehnung unserer politischen Ordnung, die von manchen Demonstranten zum Ausdruck gebracht wird? Wie kann es sein, dass Menschen in Deutschland nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts ernsthaft die Bundesrepublik und ihre langwierig und mühsam entwickelte Ordnung des Interessensausgleichs zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen ablehnen? Warum ist der Wunsch nach vermeintlich einfachen Lösungen für komplexe Probleme wieder größer geworden? Noch dazu in einer Zeit, in der Deutschland ein Hort des Wohlstands und der Sicherheit in einer scheinbar unübersichtlichen Welt ist?
Unser Land ist weltweit hoch angesehen. Unsere Wirtschaft ist erfolgreich. Unsere Sozialsysteme intakt und finanziert. Den Deutschen ging es noch nie so gut wie heute. Wir leben seit 70 Jahren in Frieden – auch eine in unserer Geschichte einmalig lange Zeit. Die Sorge vor Krieg, Seuchen und Naturkatastrophen ist unserem Volk weitgehend fremd geworden. Doch wahrscheinlich wissen die Menschen sehr genau, dass es nicht selbstverständlich ist, dass dies so bleibt. Unsere Welt ändert sich. Und dieser Veränderungen werden nicht als Chance, sondern als Bedrohung begriffen. Darum richtet manch einer den Blick immer stärker auf die Bewahrung des Status Quo. Bundespräsident Gustav Heinemann hat aber zu recht einmal gesagt: „Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte.“
Sind es also Abstiegsängste und die mangelnde Bereitschaft zu oder die Sorge vor Veränderung, die Menschen vor allem in Dresden auf die Straße treiben? Dann ist es Aufgabe der Politik, darauf Antworten zu geben. Diese Ängste muss man ernst nehmen und sich damit auseinandersetzen. Anders sieht dies aus, wo sich der Protest aus Fremdenhass, Rassismus und Deutschtümelei ableitet. Dafür gibt es keinerlei Toleranz. Und solche Leute werden wir als Demokraten auch kaum erreichen können. Es ist die Aufgabe der Politik, auf die Sorgen einzugehen. Nicht Aufgabe der Politik ist es, den Menschen nach dem Mund zu reden, wie es die AfD mal wieder tut. Natürlich stehen unser Land und unsere Demokratie in einem weltweiten Wettstreit. Wir, unsere Werte und die Art, wie wir leben, werden von anderen infrage gestellt. Wir müssen uns behaupten angesichts der neuen Herausforderungen von der Digitalisierung bis zum Klimawandel. Die Antwort wird aber kein Stehenbleiben sein können, sondern nur ein mutiges Voranschreiten und der Glaube an die Fähigkeiten unseres Landes. Darauf müssen wir setzen, und diese Zuversicht muss Politik wieder stärker vermitteln.
Wir als CDU tun genau das. Denkbar ungeeignet sind dafür aber Talkshows, sondern der Ort, um Antworten zu finden, sind Staatskanzleien und Parlamente. Dort handeln wir als CDU und arbeiten für die Zukunft unseres Landes. Wie das geschieht, was uns antreibt, darüber kann man mit uns jederzeit reden. Und wir suchen von uns aus das Gespräch ebenfalls – mit jedem, der bereit ist, mit uns zu diskutieren. Das reicht aber nicht. Alle Parteien und auch wir als CDU müssen noch mehr Kraft darauf verwenden, auf Menschen zuzugehen. Und dann muss man aber deutlich sagen: Wer sich mit Politik beschäftigt, der muss wissen: Demokratie ist anstrengend. Es ist kompliziert, die Interessen möglichst aller zu berücksichtigen. Kompromisse brauchen Zeit und es gibt nie schwarz oder weiß, sondern die Ergebnisse sind grau – in unendlichen Schattierungen. Wer das nicht akzeptiert und versteht, den wird man auch mit guten Worten und Appellen nicht erreichen.
Und die Identität? Unsere Identität als Nation? Darüber müssen wir in der Tat dann auch einmal reden, denn viele, die dort aus Sorge vor dem Verlust von Identität(en) demonstrieren, gehen von Voraussetzungen aus, die nicht mehr gegeben sind. Die Deutschen werden auf Dauer kein homogenes Staatsvolk sein, das sich über eine gemeinsame Herkunft definiert. Wir werden daher klarere Regeln aufstellen für die, die nicht nur zu uns kommen, sondern auch zu uns gehören wollen. Sie sind eine Bereicherung für unser Land, aber wir brauchen natürlich eine gesellschaftliche Debatte darüber, was für Werte und Regeln in unserem Land gelten sollen. So abwegig ist die Forderung von Friedrich Merz nach einer Debatte über eine Leitkultur damals nicht gewesen. Diese Debatte wird man nur nie abschließen können, und es ist auch keine Rückbesinnung auf die Deutschland prägende Kultur der 1950er oder 1980er Jahre gemeint. Jede Generation wird diese Debatte um eine Leitkultur neu führen müssen. Sie ist aber die Grundlage für Gemeinsamkeit und eine gemeinsame Identität als Deutsche in der Zukunft.
Wofür oder wogegen wird in Dresden demonstriert? Haben Initiatoren und Demonstranten eigentlich verstanden, was sie sich da auf die Fahnen geschrieben haben?
Die Initiatoren haben 19 Forderungen formuliert, mit denen sich auch Journalisten schon kritisch auseinandergesetzt haben. Diese sind zwar politisch korrekt formuliert, spielen aber auf den Demonstrationen keine Rolle. Es würde auch verwundern, wenn die Rednerin, die NPD-Kommunalpolitikerin ist (was natürlich bei ihrer Ankündigung verschwiegen wird), für eine dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen werben würde.Zu den Thesen selbst: Die Ablehnung von „Gender Mainstreaming“ oder einer zwanghaften „Genderisierung“ der Sprache sowie Bürgerentscheide nach dem Vorbild der Schweiz sind noch die provokantesten vermeintlichen Forderungen.
Man muss also über die 19 Forderungen nicht lange reden, und viele, die demonstrieren habe sie wahrscheinlich nicht gelesen. Der Applaus, wenn in den Reden darauf Bezug genommen wird, ist jedes Mal spärlich. Wer die Forderungen nachlesen will, der kann das hier trotzdem tun. Was man aber tun muss, ist den Eindruck zurückweisen, als sei das, was da gefordert wird, nicht längst Gegenstand politischer Debatten oder sogar fester Bestandteil politischer Entscheidungen.
Das Perfide an PEGIDA sind also nicht die Forderungen und das Verstecken hinter diesen Sätzen, sondern die damit verbundene Behauptungen, dass gegenwärtig das Gegenteil das Handeln der deutschen Politik bestimmen würde. Angeblich ist PEGIDA für eine dezentrale Unterbringung der Flüchtlinge und Asylbewerber und gegen „menschenunwürdige Heime“. Die zur Schau gestellte Empathie für die schwierige Situation von Flüchtlingen dient nicht den Flüchtlingen selbst, sondern soll die Autoren absichern gegen den Vorwurf, rechtsradikale Überzeugungen griffen bei PEGIDA Raum. In der Sache ist auch die pauschale Ablehnung der zentralen Unterbringung von Flüchtlingen falsch. Dass gerade während des laufenden Asylverfahrens, dessen Dauer immer wieder Gegenstand von Debatten ist, eine Sammelunterkunft auch aufgrund der notwendigen Sprachmittler sinnvoll sein kann, wird ausgeblendet.
Angeblich wendet sich PEDIGA gegen Homophobie und ist für sexuelle Selbstbestimmung. Soll man das angesichts mancher unwidersprochener Aussagen und Transparente glauben? Und PEGIDA ist gegen „das Zulassen von Parallelgesellschaften“. Die Formulierung ist so gewählt, dass der Eindruck entsteht, die Politik würde eine solche Entwicklung sogar noch befördern. Ich kenne niemanden in der deutschen Politik, der diese Entwicklung nicht mit Sorge umtreibt. Selbst für die Grünen ist klar, dass sie mit ihrer Idee von Multi-Kulti nicht Sharia-Gerichte gemeint haben. Genau dies unterstellen die Autoren der Forderungen aber, und das macht ihr Pamphlet auch so unredlich. Die Pflicht, die deutsche Sprache zu lernen, Integrationskurse, der Dialog mit den Organisationen der Zuwanderer sind die vorrangigen Maßnahmen, um nicht nur das friedliche Miteinander in der Gesellschaft zu organisieren, sondern am Ende auch zu einem neuen gemeinsamen „Wir“ zu kommen. Daneben gibt es eine Justiz und Strafverfolgungsbehörden, die Recht und Gesetz durchsetzen müssen. Dort, wo dies unterlaufen wird, muss die Politik handeln, so wie wir es jüngst beim Missbrauch von Sozialleistungen getan haben, oder wenn es darum geht, abgelehnte Asylbewerber auch abzuschieben – und zwar nicht erst nach fünf Jahren, sondern unmittelbar.
PEGIDA will angeblich die Bewahrung der jüdisch-christlich geprägten „Abendlandkultur“. Die Hauptauseinandersetzung gilt also dem Anderen, dem Fremden, hier symbolisch durch den Islam dargestellt. Die Kirchen haben nicht umsonst gegen PEGIDA Stellung bezogen – beispielsweise durch das Ausschalten der Lichter am Kölner Dom. Auch ich frage mich, wie viele von denen, die sich da zum Bewahrer des jüdisch-christlichen Abendlandes erklären, wenigstens noch brav ihre Kirchensteuer zahlen, geschweige denn am Sonntag in den Gottesdienst gehen. Angela Merkel hat zu Recht einmal gesagt: „Es ist ja nicht so, dass wir ein Zuviel an Islam haben, wir haben ein Zuwenig an Christentum.“
Als Christ und als Demokrat wehre ich mich zudem gegen die pauschale Stigmatisierung des Islam, die hier stattfindet. Ich erlebe Muslime als engagierte Mitglieder in der CDU und als gute deutsche Bürger. Den Menschen, die Teil unserer Nation geworden sind, das Dazugehören abzusprechen, nur weil sie einen anderen Glauben haben, widerspricht der Idee der Nation ganz allgemein sowie der Idee unserer Nation, festgehalten im Grundgesetz im speziellen. Der Ruf nach „Bewahrung“ ist also in Wahrheit eine Absage an die Offenheit unserer Nation, die dem Prinzip folgen sollte, wer dazugehören will und seinen Beitrag für Deutschlands Zukunft leisten will, der ist uns herzlich willkommen. Gerade diese Offenheit braucht Deutschland aber.
In Anlehnung an die demokratische Revolution in der DDR 1989/1990 skandieren die PEGIDA-Demonstranten „Wir sind das Volk!“. Das ist einerseits eine Frechheit gegenüber denen, die in der SED-Diktatur Leib und Leben riskiert und wahrlich Großartiges geleistet haben. Andererseits repräsentiert die PEGIDA gerade nicht die Mehrheit der Bevölkerung. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa finden zwei Drittel der Deutschen, dass die angebliche Gefahr einer Islamisierung übertrieben dargestellt wird. Breite Zustimmung gibt es allerdings von den Anhängern der AfD – ein weiterer Beleg dafür, dass die Partei nicht in der Mitte der Gesellschaft steht. Direkt danach folgen übrigens die Anhänger der Linkspartei – von Sahra Wagenknecht und anderen hört man erstaunlich wenig zu diesem Befund.
Bei der jüngsten Demonstration in Dresden war auch ein Schild mit der Forderung „Kartoffel statt Döner“ zu sehen. Gerne würde man die Demonstranten einmal fragen, ob bekannt ist, dass die Kartoffel nicht das europäischste aller Lebensmittel ist. Genauer gesagt kommt sie ursprünglich aus Amerika – hat also eine Zuwanderungsgeschichte. Vielleicht war das Plakat aber auch einfach ein subtiles Bekenntnis zur engen transatlantischen Partnerschaft. Wobei bei früheren PEGIDA-Kundgebungen auch schon mal „Putin, hilf uns“-Rufe zu hören waren.
Wie sollte die Antwort der Politik und vor allem der CDU aussehen?
Manche Kommentatoren und auch Politikwissenschaftler meinen nun, die CDU müsse sich stärker nach rechts orientieren, um solche Bewegungen „aufzusaugen“. Das ist ein vergifteter Rat. Es ist nicht nur fraglich, ob die CDU, die in ihrer Geschichte immer eine positiv gestaltende und an die Zukunft glaubende politische Kraft war, Menschen erreichen kann, die Veränderungen ablehnen und die Zukunft nicht als Verheißung, sondern als Bedrohung empfinden. Man kann mit solchen Menschen diskutieren und sie zu überzeugen versuchen – aber sich nicht ihrer Argumente bedienen. Außerdem ist die CDU als Volkspartei eben nicht rechts, sondern in der Mitte des politischen Spektrums beheimatet. Diesen Platz werden wir als Christdemokraten nicht preisgeben.
Wie kann die Politik darauf reagieren? Nur auf eine Art und Weise: den Menschen Wege in die Zukunft aufzeigen und Mut vermitteln. Aber auch ehrlich sagen, dass wir uns ändern müssen und nicht falsche und trügerische Sicherheit vermitteln, dass alles so bleiben könne wie es ist. Die CDU tut gut daran, sich an das zu erinnern, was Helmut Kohl nicht nur seiner eigenen Partei, sondern im Herbst 1989 den Menschen in der damaligen DDR zugerufen hat: „Aus Ängsten aber kann nichts Gutes erwachsen!“
Stanislaw Tillich hat am 19. Dezember die richtigen Worte gefunden. Er hat in seiner Ansprache anlässlich des Jahrestages der berühmten Rede Helmut Kohls vor der damals noch zerstörten Frauenkirche in Dresden gesagt: „Angst ist nicht nur ein schlechter Ratgeber, sondern auch eine schlechte Grundlage, wo Vertrauen wachsen soll. (…) Und das gilt auch heute. Ängste überwinden und Vertrauen aufbauen, darum geht es in der Politik immer wieder ― im Kleinen und im Großen. (…) Der Satz „Aus Ängsten kann aber nichts Gutes erwachsen“ gilt auch für die Debatte um Asyl und Flüchtlinge, um die Bedeutung von Religion und die gefühlte Überfremdung. Und dieser Satz gilt in alle Richtungen. Für die Asylsuchenden und Flüchtlinge. Angst hat sie aus ihrer Heimat fliehen lassen, und sie hoffen, dass diese Angst bei uns aufhört. Das meint Asyl. Wir dürfen deshalb nicht zulassen, dass alte durch neue Ängste ersetzt werden. Und er gilt für die Menschen vor Ort. Aus Sorgen dürfen keine Ängste werden. Es ist unser aller Aufgabe, Befürchtungen zu entkräften und Vorurteile abzubauen.
Wir alle wissen: Ängste zu überwinden und Vertrauen aufzubauen kostet Überwindung und Einsatz. Einsatz gezeigt und Ängste überwunden ― das haben im Herbst 1989 die friedlichen Revolutionäre. Dieses Erbe verpflichtet. Es verpflichtet uns, die Werte der friedlichen Revolution zu leben, zu verteidigen und weiterzugeben. Die damals errungene Freiheit gilt für alle. Das ist eine große Errungenschaft, die sich nicht zurücknehmen lässt!
Die Freude über die wiedererlangte Einheit in Frieden und Freiheit war sogar so groß, dass die Landsleute im Westen über Jahre auf einen Teil ihres Wohlstandes verzichteten, um im Osten den Wiederaufbau zu unterstützen. Dafür sage ich von ganzem Herzen: Danke! Das ist eine großartige Leistung. Und ich erinnere an die Hunderttausenden, die in vier Jahrzehnten von Ost nach West geflohen sind. Sie haben in Westdeutschland Aufnahme gefunden. Zeigen wir dieselbe Solidarität denen, die heute zu uns kommen. Dazu braucht es Haltung. Eine Haltung der Offenheit und nicht der Abschottung. Ich meine: Wer mit Mauern im Kopf Politik betreibt, wird keine einreißen, sondern neue errichten.“
Besser kann man es kaum formulieren. Oder um es mit Aristoteles zu sagen: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen.“ Es ist also die Aufgabe der Politik und der Parteien, die Segel richtig zu setzen. Darum sollten Bürgerinnen und Bürger, denen die Zukunft Deutschlands nicht egal ist, sich in Parteien engagieren. Die Demokratie braucht Männer und Frauen, die Verantwortung übernehmen. Zu demonstrieren ist ein hohes Gut, aber es reicht nicht aus, wenn wir darüber diskutieren, welchen Weg unsere Republik einschlagen soll.
DA IST WAS DRAN UND WENN ES NUR DIE EXTREMEN ERGEBNISSE BETRIFFT. DIE CDU HAT BISHER DER VIELFÄLTIGKEIT DES BEGRIFES KONSERVATIV ZU WENIG RECHNUNG GETRAGEN.
Bis Mitte März war in der gesamten Presse gegen Pegida und AfD totaler „Haudrauf“ angesagt. Jetzt, nach einigen Wochen der Besinnung, sieht die Bewertung durch die Parteien und der Presse ja wohl etwas nuancierter aus. Klar und nicht zu verniedlichen, ist der braune und fremdenfeindliche Anteil in beiden Organisationen. Aber wie hoch ist er in den Organisationen und wie hoch ist er in den Wählern von AfD und Alpha? Auf den Sack zu hauen und zu glauben, dass man dann nur die trifft, die man treffen will, ist fatal. Man kann nicht alle, und das sind in einzelnen Bezirken bis zu 25% der Wähler, als braun und total unbelehrbar bezeichnen. Das wäre eine Ablehnung der Wahlgründe und pure undemokratische Arroganz. Auch viele bisherige Nichtwähler haben ihre Angst in die Urnen geworfen. Außerdem gibt es einen Aspekt, der in allen Wahlergebniskommentaren nicht auftritt. Konservativ ist nicht gleich konservativ. Und erst recht nicht zwingend synonym mit der CDU. Zurzeit wird für AfD und Alpha mit Ergebnissen von zusammen 12-15% im Bund gerechnet. Für die „Ausreißerergebnisse“ von 25-30%, wie sie teilweise erreicht wurden, gibt es eine überraschende Erklärung. In den einzelnen Wahlbezirken gibt es genügend Hinweise für die Gründe, warum und wie abgestimmt wurde. Dazu ein kurzer Rückblick auf die Integrationsregularien der Vergangenheit. Schon die Aufnahme der Flüchtlinge ab 1944 erfolgte zumeist konzentriert in einzelnen Städten und dort in neuen Baugebieten. Bis heute hat sich die daraus resultierende Sozialstruktur in groben Zügen erhalten. Die deutschsprachigen Neubürger aus dem Sudetenland, Rumänien und dem übrigen Balkan wurden in vielen Vierteln und Straßen konzentriert. Häufig wurden für sie ganze Viertel neu erstellt. Oder sie bauten sich die Häuser miteinander in Nachbarschaft auf günstigem Boden selbst. Von deren Tatkraft profitierte besonders Niederbayern. Ähnlich wurden auch in den 90gern die Rußlanddeutschen „verteilt“. Diese Neubürger aus dem Osten und Südosten waren und sind häufig, aus welchen Gründen auch immer, stark konservativ motiviert und wählten bisher vielfach die CDU. Ihr Konservativismus hat aber eine andere Qualität als die der „Altbevölkerung“. Nach der Enttäuschung über die nahezu grenzenlose „Menschfreundlichkeit“ der CDU, wechselten viele von ihnen die Fronten. Die Details der Wahlbezirke, in denen AfD und Alpha besonders hohe Gewinne haben, geben dazu Anhaltspunkte. So in Frankenthal, Germersheim, Lahr, Haßloch und in vielen anderen Orten, um nur einige Beispiele aus der näheren Umgebung zu nennen. Man kann zwar nicht soweit gehen zu sagen, soviel östlicher (Polen!) die Sozialisation erfolgte, umso konservativer. Aber der östliche Konservativismus ist doch wesentlich nationalistischer und häufig auch rigoroser, als es wir im Westen zulassen würden. Auch nur kleine Unterschiede in den Sozialstrukturen eines Ortes können Welten bewegen.
> Nicht Aufgabe der Politik ist es, den Menschen nach dem
> Mund zu reden, wie es die AfD mal wieder tut.
Aha. Aufgabe der Politik ist es dann also, das dumme Volk umzuerziehen, um ihm die Meinung einer möchtegern-elitären politisch-medialen Minderheit aufzuoktroyieren. Oder wie darf ich das verstehen?
Schön geschrieben! Sogar für eine Nicht-CDU-Wählerin! 🙂
Ich stimme Ihnen zu, dass wir die Debatte um eine Leitkultur wieder aufnehmen sollten und schlage den Artikel von
Bassam Tibi als Grundlage vor.
Ich erdreiste mich nicht zu lesen, da die ersten Absätze voller Unwahrheiten sind. Unsere BRD ist in vielen anderen Ländern immer noch Nazideutschland, die BRD ist definitiv kein Wohlstandsland mehr, vielen Menschen bleibt am Ende des Monats relativ wenig zum sparen übrig, die Wirtschaft der BRD leidet unter Sanktionen und den Wahnsinn der Politiker, hier wird einerseits behauptet Medien sind unabhängig und im nächsten Abschnitt wird darauf verwiesen, dass eben diese Politische Ausrichtung haben. PEGIDA ist ein Zeichen, nicht umsonst wird es in Deutschland millionenfach unterstützt und ich hoffe, dass diejenigen die denken das alles Rechts ist was da rumläuft, hoffentlich endlich die Augen öffnen und nichtnur das Feindbild von der Politik wahrnehmen. Es ist absoluter Fakt das GEZ Radiosender unaufhörlich gegen PEGIDA dämmern, sie als Rechtsradikale Idioten hinstellen, selbst da, wo sie nur 5000 hatten…. Mein Kommentar
Wie kann man in so wenigen Zeilen so viele falsche Dinge schreiben? Deutschland ist weltweit eines der beliebtesten Länder. Sie sollten mehr reisen. Und die millionfache Unterstützung ist auch eine Mär…
Nun könnte ich antworten mit: „Wie kann man in so VIELEN Zeilen falsche Dinge schreiben?“. Schon einmal im Internet rumgereist? Die meisten Trolle denken teilweise immer noch das Hitler unter den Deutschen weilt. Millionenfache Unterstützung? Selbstverständlich! Wäre es nicht so hätte es keine Neujahrsansprache dieser Art gegeben! Ich will sogar auf die Worte „… 70 Jahre im Frieden“ einzugehen.. In der Ukraine tobt ein Kriegt, der Nazi Poroschenko Rüstet auf und zugleich werden die Ost-Ukrainischen Städte bombardiert. Es ist Krieg in Europa und in unseren tollen Staatsfinanziertem TV läuft trotzdem Bauer sucht Frau.. Schon die Bilder gesehen? Ich habe eine Selbstgedrehte Dokumentation gesehen, nicht sehr friedlich dort. … Das mit dem Krieg bezieht sich jetzt natürlich auf dem Kalten Krieg mit Russland… Frieden ist was anderes.
Danke danke danke für diese erste tiefe und eindrücklich klare Auseinandersetzung mit den Vorgängen der pegidabewegung. Alles was ich bisher gelesen habe, war an der Oberfläche, Symptomen zugewandt und einseitig.
Ich wünsche Ihnen von ganzem Herzen, dass Sie gehört und verstanden werden und dass Ihnen gelingt, was Sie hier für die Politik fördern. Ich meine nämlich auch, dass hier der Ursprung für den Zuspruch für Pegidabewegung herrührt. Sorgen um die Zukunft machen einen leider leicht erreichbar für Hetze und das einseitige Suchen nach dem Schuldigen und lässt einen vergessen, in welch grosser Sicherheit und Wohlstand wir uns hier bewegen.
gott segne Sie und gebe Ihnen Gehört in der Politik und in der Bevölkerung.
Hochachtungsvoll!
Barbara Six
❗ 😮 😛
Eine sehr gute und kluge Darstellung! Kompliment an den Schreiber!!
(Die LeserInnnen, die mich kennen, wissen, dass ich nur einen Fehler hier finde…den halte ich lieber für mich. 😈 )
Hallo Peter,
vielen Dank für die klare und ausführliche Stellungnahme! Es ist wichtig zu argumentieren und die aktuelle Situation klar und deutlich zu beschreiben. Du hast mir aus der Seele gesprochen und Argumentationshilfen gegeben!!
Sehr geehrter Herr Tauber,
die Proteste bieten eine große Chance für die CDU, die Leute mitzunehmen. Nicht bekämpfen. Sie können sich das zunutze machen. Mit einer verblüffenden Idee. Darf ich Ihnen die vorstellen? Schönen Gruß Heiner Ehlers
Schreiben Sie mir an [email protected]
Erstmal vielen Dank für den langen Kommentar. Ich würde gern punktuell Stellung nehmen. Ich sehe diesen Blog auch als Angebot von Hrn. Tauber, mit den Menschen zu kommunizieren und darum auch diese Antwort hier:
1) „Besonders bedenklich sind dabei die Medienkritik und die Unterstellung, dass Politik und Medien ein Meinungskartell bilden würden.“
Fakt ist, dass Journalisten und Politiker so etwas wie eine „Filterbubble“ bilden, d. h. sie reden viel miteinander und kommunizieren in ihren Kreisen. Aus meiner Sicht entstehen daraus abgehobene Sichtweisen, die auf Außenstehende eben wie ein Meinungskartell wirken. Dazu kommt, dass Redakteure eben meist „links“ sind und bei den Politikern viele Juristen und Lehrer, also zusammen eine gewisse nicht-repräsentative Schicht bilden.
Konkreter: die Politik hat sich verlagert auf Randthemen der politischen Korrektheit und Außenpolitik, die Wirtschaft läuft wohl so ganz gut und die Bürger sind ruhig. Aber als Arbeitnehmer und Steuerzahler habe ich das Gefühl, das keine Partei meine Interessen vertritt oder sich überhaupt für meine Belange interessiert.
2) „Viele Bürger nervt Political Correctness, weil unter diesem Stichwort allzu oft eben nicht mehr Sensibilität in der Debatte entsteht, sondern Probleme gar nicht mehr angesprochen werden, weil man im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos wird, wenn man politisch korrekt zu formulieren versucht.“
Das geht mir so. Auf der einen Seite wird sexuelle Vielfalt gefordert, auf der anderen Seite wurde gerade gestern wieder eine Sexismus-Debatte geführt, weil eine FDP-Politikerin offenbar nicht politisch korrekt genug gefilmt wurde. So etwas ist schrecklich und erinnert mich an meine Zeit in den USA, wo ich Verhaltensregeln lernen musste, wie man mit Frauen umgeht, damit diese sich nicht sexuell belästigt fühlen. Furchtbar und da bewegen wir uns auch hin.
3) „… sondern der Ort, um Antworten zu finden, sind Staatskanzleien und Parlamente. Dort handeln wir als CDU und arbeiten für die Zukunft unseres Landes. Wie das geschieht, was uns antreibt, darüber kann man mit uns jederzeit reden. Und wir suchen von uns aus das Gespräch ebenfalls – mit jedem, der bereit ist, mit uns zu diskutieren.“
Diese Diskussionsbereitschaft ist sehr wesentlich. Aus meiner Sicht sind meinungsfindende Diskussionen in der Politik fast ausgestorben. Ich habe den Eindruck, dass man als Bürger im wesentlichen mit den „alternativlosen“ Meinungen der jeweiligen Politik konfrontiert wird und die dann hinzunehmen hat. Das muss wieder anders werden!!
Fazit: bei vielen Bürgern wie auch mir macht sich der Eindruck breit, dass die Parteien zusammenwachsen, sich aber als Kollektiv vom Mainstream der Bürger entfernen. Es sollte aber so sein, dass Politiker Repräsentanten des Volkes sind, das geht gerade verloren bzw. muss wiedergefunden werden.
Ansonsten noch mal ein Lob für das Angebot der Gesprächsbereitschaft. Mit dieser Antwort habe ich das angenommen.