Der Bundesadler im Plenarsaal des Deutschen Bundestages (Foto: Tobias Koch)

Wieso die Fünfprozenthürde für die Bundestagswahlen beibehalten werden sollte

Der Bundesadler im Plenarsaal des Deutschen Bundestages (Foto: Tobias Koch)
Der Bundesadler im Plenarsaal des Deutschen Bundestages (Foto: Tobias Koch)

Nach der vom Bundesverfassungsgericht abgeschafften Hürde für die Europawahl gibt es Stimmen, die auch die Fünfprozenthürde für den Bundestag kippen wollen. Ich halte das für falsch – nicht nur mit Blick auf die historischen Erfahrungen der Parlamente im Zweiten Deutschen Kaiserreich und vor allem in der Weimarer Republik.

Warum bin ich dagegen? Wir sind mit der Fünfprozenthürde in Deutschland bislang sehr gut „gefahren“. Wir haben es geschafft, die Rechtsradikalen und Splittergruppen aus dem Bundestag herauszuhalten. Wir hatten stabile Regierungen und ein funktionsfähiges Parlament. Eine demokratische Gesellschaft muss aus meiner Sicht zudem die Fähigkeit des Kompromisses entwickeln und den Konsens suchen – bei allem Streit. Unser Wahlrecht mit direkt gewählten Abgeordneten und dem Verhältniswahlrecht in Kombination mit der Fünfprozenthürde befördert aus meiner Sicht diesen Aspekt, der den bundesrepublikanischen Parlamentarismus prägt.

Ich kann insofern nicht erkennen, dass diese Hürde unserer Demokratie geschadet hätte. Das Gegenteil ist der Fall. Deshalb sollte sie in Deutschland für die Bundestagswahlen auch beibehalten werden.

Wichtig finde ich allerdings, dass bei Europawahlen die Zugangsregeln für das Europaparlament in allen Mitgliedsländern einheitlich sind. Es kann nicht angehen, dass es in einem EU-Land Sperrklauseln gibt und in einem anderen nicht. Das verzerrt das Wahlergebnis bei der Europawahl. Unterschiedliche „Eintrittsvoraussetzungen“ sollte es in ein und demselben Parlament nicht geben.

 

5 Kommentare zu “Wieso die Fünfprozenthürde für die Bundestagswahlen beibehalten werden sollte

  1. Kurz formuliert: Grosse Parteien plädieren eher für die Hürde, kleine dagegen. Ein Schelm, wer da ein Muster erkennt, gar eine Motivation.

    Taubers Begründung ist so einseitig wie kurz. Unsere heutige Republik mit Weimar und Kaiserreich zu vergleichen, halte ich für nicht mehr angemessen. Wie wäre es, unsere heutigen politischen Regeln mit der Zeit des alten Roms zu begründen?

    In einer demokratischen Gesellschaft sollten wir extremistischen Splitterparteien durch Aufklärung und politische Bildung entgegenwirken, statt durch Unterdrückung.

    Das Problem: Wir haben’s nicht so sehr mit der Demokratie, wenn man genauer hinschaut.

    -Frank Jermann

  2. Ich teile nicht nicht die von Herrn Dr. Tauber geäusserten Bedenken bezüglich einer Abschaffung der 5% -Hürde. Diese behindert m.E. unnötig die Entstehungund den parlamentarischen Erfolg von kleinen Parteinen und diese sehe ich auch als eine (Mit)Ursache für den politischen Stillstand in Deutschland.

    Die Parlamente sind erstarrt, die Argumente der Fraktionen altbekannt und die Diskussionen darüber stinklangweilig. Die oarlamentarischen Entscheidungen stehen eigentlich schon längst vorher fes, werden von Lobbisten diktiert und den auf Gehorsam verpflichteten Abgedordneten abgenickt. Dafür genehmigen diese sich eine neue putzige Diätenerhöhung von schlappen 10% im Jahr, während große Teile des Volkes mit sinkenden Reallöhnen und unnötiger Armut kämpfen müssen.

    Das Volk kennt diesen Beschiss eeit langem nicht anders, es wehrt sich zwar (noch) nicht, hält aber herzlich wenig von der Politik und weiß wie es belogen und betrogen wird.

    Es sind eher nur noch diejenigen, denen es zumindest materiell noch ganz ordentlich geht, die artig an die Urnen trotten. Aber immer mehr mehr Bürger/innen bleiben diesen Scheinwahlen fern und versprechen sich nichts mehr von den immer gleichen Inszenierungen der von politischen Inhalten entleerten Wahllämpfen. Vor der Wahl piseln sich die vermeintlichen Kontrahenten insszeniert an die Beine, schimpfen über Lächerlichkeiten (Veggieday) und liegen sich nach der Wahl in den Armen, weil sie sich eigentlich auch vor der Wahl programmatisch gleichen wie Eier aus der Käfighaltung.

    Die Politik ist müde und kann nur noch besser werden-muss das auch.

    Was wäre das Problem, wenn auch kleine Parteien bei Wegfall der 5%-Hürde den Einzug in das Parlament schaffen könnten?
    Würde der Bundestag wirklich zu einer Chaotenbude verkommen und wenn ja, wäre das wirklisch so viel schlimmer, als das was da seit längerem real läuft?

    Ich sehe das Risiko einer Politik ohne diese 5% Hürde als beherrschbar an.

    Ich glaube nicht, dass eine lebendige Demokratie, in der sich der eventuelle Volkszorn in Form kleinererer Protest- und Splitterparteien abbildet, ein ernstes Risiko beinhaltet.
    Lieber diesen Zorn sichtbar werden lassen und diesem sinnvolle Aktionsfelder bieten, als das verschlafene „Weiter so“ anbeten, das direkt in die sich abzeichnende Sackgasse führt.

    Kleine Parteien und ihr eventueller Einzug könnten wertvolle Indikatoren für Meinungen, Stimmungen und Tendenzen im Volk sein,die ehrlicher rüberkommt, als die
    suggestive Hofberichterstattung der von Politik und Lobbiismus bezahlten Meinungsumfrager.

    Das Volk käme verstärkt zur Sprache und träte endlich mal vermehrt als das auf, was es eigentlich in der Demokratie sein soll – nämlich Volkssouverän.

    Wenn mehr Bürger/innen eine sinnvolle Partizipation am parlametarischen Geschehen erkennen könnten – könnte das zu mehr Politik im quantitativen wie qualitativen Sinne führen.

    Neue Politikstile, die wir dringend brauchen könnten umgesetzt werden und auch die Chararkeristika der Parlamentarierer könnte an Vielfalt und Lebendigkeit zunehmen. Aktuell erleben wir dort nur eher ein Mittelmaß aus intelletuell angehauchter Bourgeoisie, die kaum ein Verständnis für die Unterschichten aufbringt, gerne ein wenig mit der wirtschaftlichen Oligarchie kuschelt und sich wenig experimentierfreudig in der gesellschaftlichen Mitte langweilt, die durch die eigene Politik langsam aber sicher zerlegt wird.

    Ich sehe die aktuelle politusche Friedhofsruhe, die mit der Großen Koalition erneut einen zentnerschweren Grabdeckel verpasst bekommen hat, als ein größereres Problem, dass die politische Ordnung stärker gefährdet, als es der Wegfall der 5%-Hürde.

  3. Sehr geehrter Herr Tauber,
    Ihre Meinung zum genannten Thema ist meiner Meinung nach voll verständlich und bestätigt auch ein Stücke weit jene These, die ich auf meinem Blog aufgestellt habe: http://hauptstadtaktuell.wordpress.com/2014/03/10/kippt-karlsruhe-jetzt-auch-die-funfprozenthurde-2 . Vor allem die Parteienzersplitterung im Weimarer Parlament sollte eigentlich jedem eine Lehre sein. In sofern kann ich auch die Behauptungen nicht verstehen, dass die Union nur gegen eine „0-Prozenthürde“ wäre, weil sie es sowieso in den Bundestag schafft.
    Meiner Meinung nach wäre eine Abschaffung der Fünfprozenthürde auf Bundes- und Landesebene ein fataler Schritt in die falsche Richtung.

  4. Die Europawahl ist nicht die Bundestagswahl – das hat Karlsruhe schon schon beim ersten Sperrklauselurteil klargestellt. Und jetzt hat es sogar die Union begriffen.
    Das europäische Parlament hat im Gefüge der EU-Institutionen weit weniger Kompetenzen als der Bundestag im Gefüge der Verfassungsorgange der Bundesrepublik. Und eigentlich sollte die Union (sowohl die europäische als auch die christlich-demokratische) darin auch einen Reformauftrag erkennen, das EP endlich zu einem vollwertigen Parlament aufzuwerten, die Kommission von einer abstrakten „Hüterin der Verträge“ zu einer richtigen Exekutive umzubauen.
    Vor allem muss es aber ein europäisches Rahmen-Wahlrecht geben, das berücksichtigt, dass eine Splittergruppe in einem Land bei der Fraktionsbildung anschlussfähiger sein kann als eine große Partei in einem anderen Land: eine Bayernpartei wäre etwa aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der EFA anschlussfähig, während Parteien wie PVV, FPÖ, Liste Martin trotz Zweistelligkeit im eigenen Land (zum Glück) in der Fraktionslosigkeit endeten. Analog zur Grundmandatsklausel bei der BTW, die das gute Abschneiden in einem Gebiet, dass kleiner als das Bundesgebiet ist, mit der Umgehung der 5%-Hürde belohnt, sollte es eine Europa-Klausel geben, die das europaweit gute Abschneiden (in allen Ländern) auf gleiche Weise belohnt.

    Auf Bundesebene muss aber auch feststellen: die 5%-Hürde verhindert die Zersplitterung des Elektorats nicht. Es versteckt sie nur, indem sie die Abbildung der Zersplitterung in der Sitzverteilung nicht vernimmt.

  5. Ein paar Anmerkungen.
    Prozenthürde im Bundestag: Es ist absolut erfreulich, dass der Bundestag von extremistischen Parteien verschont geblieben ist. Allerdings kann es einen Demokraten nicht glücklich machen, dass bei einer Wahl 10 Prozent der GÜLTIGEN Stimmen im Parlament nicht berücksichtigt werden. Gerade die Unzufriedenheit vieler Wählerinnen und Wähler mit den großen Parteien führt zu einer Zersplitterung der Parteienlandschaft. Unabhängig davon, ob man das nun gut, sinnvoll oder traurig finden mag, sollte der demokratische Ansatz sein, dass alle Wählerstimmen gleichermaßen berücksichtigt werden. Wenn die Wähler von vorneherein wissen, dass ihre Stimme, wenn Sie für ihren Wunschkandidaten und ihre Wunschpartei stimmen würden, nicht berücksichtigt wird, werden sie sich anders entscheiden. Dieses Problem löst ein „Ersatzstimmensystem“. Man wählt quasi doppelt. Einmal den Favoriten und dann die Partei, die man gewählt haben möchte, wenn die erste Stimme wegen einer Prozenthürde verlorenginge.

    stabile Regierungen: Instabile Regierungen sind nach den Weimarer Erfahrungen definitiv ein Trauma der deutschen Demokratie. Doch die derzeitige Große Koalition ist nicht unbedingt demokratischer, nur weil sie über eine große Parlamentsmehrheit verfügt. Die Kompromissfindung beschränkt sich nur auf die beiden größten Parteien, viele weitere gesellschaftliche Strömungen, die mehr als Randphänomene sind, werden nicht abgebildet und sind damit aus dem Kompromiss ausgeschlossen.

    Zugangshürden EU-Parlament: Das Europaparlament hat auch ohne wahlrechtliche Hürden unterschiedliche Zugangshöhen. Als Luxemburger benötige ich wesentlich weniger Stimmen um in das Parlament einzuziehen als als Deutscher. Diese Regelungen haben alle sicher Ihre Berechtigung, aber wenn man die Prozenthürden kritisiert sollte man auch eine grundsätzliche Wahlrechtsreform – EU-einheitlich in Betracht ziehen. Geschlossene Listen sind nämlich sehr intransparent, für Wählerinnen und Wähler nicht beeinflussbar.

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