Hört auf mit der Panikmache!

Ich kann es ehrlich gesagt nicht mehr hören. Manche Menschen, darunter leider auch Politiker, verbreiten nicht nur Angst, sondern auch eine erschreckende Unkenntnis, wenn es um Google Street View geht. Die erste Peinlichkeit ist, dass man sich nun darüber aufregt, dass die Fassade der Häuser zu sehen ist, während wir seit Jahren mittels Google Earth in den Garten schauen können. Ich kann mich nicht erinnern, dass sich damals, als Google Earth bekannt wurde, jemand mit entsprechenden Argumenten zu Wort gemeldet hat. Außen vor bleibt auch die Tatsache, dass es ja bereits heute zahlreiche andere Dienste gibt, die ähnliche Einblicke gewähren. Von denen ist aber wohl auch deswegen nicht die Rede, weil man das a) entweder gar nicht weiß, oder b) man die Debatte so herrlich vereinfachen kann, wenn man auf Google (Vorsicht! Amerikanischer Konzern!) draufschlagen kann.

Die aktuelle Debatte um Google Street View offenbart zudem eine große Verunsicherung der Menschen. Hier spielen viele Ängste mit hinein, die bei genauer Betrachtung ausgeräumt werden könnten. Schlimm ist, dass Medien und manch ein Politiker aber nicht aufklären, sondern im Gegenteil die Ängste noch schüren. Es gibt tatsächlich Menschen, die glauben, sie könnten nun nicht mehr die Wäsche im Vorgarten aufhängen, weil man im Internet sonst sieht, was sie für Kleidung tragen. Oder manche befürchten, man könne so ausspähen, ob sie zu Hause sind oder nicht, beispielsweise wenn abends das Licht an oder aus ist. Doch Google Street View gewährt ja gar keine regelmäßigen Blicke über den Gartenzaun, sondern zeigen einmalig eine Momentaufnahme der Straßenzüge. Mit dieser Feststellung ist schon vielen vermeintlichen Ängsten der Boden entzogen.

Wir sollten aus meiner Sicht vor allem die Chance sehen und nicht in Hysterie verfallen. Ich glaube auch, dass Google die Datenschutzbestimmungen einhalten wird und akzeptiert, dass manche Bürger die Aufnahmen nicht wollen. Darum ist es wichtig, dass es ein umfangreiches Widerspruchsrecht gibt, dass man auch später – beispielsweise im Falle eines Hauskaufs – noch wahrnehmen kann. Die nun verlängerte Widerspruchsfrist ist ein Zeichen hierfür.

Wir dürfen außerdem in der Diskussion nicht vergessen, dass es eben nicht um Privates, sondern um Öffentliches geht. Straßen, Plätze und Hausfassaden sind Teil des öffentlichen Raums, in dem wir uns alle frei bewegen können und wollen. Die meisten Menschen, die ich kenne, wollen, dass das so bleibt. Wir wollen uns ja auch in der realen Welt in allen Straßen frei bewegen können. Abgesperrte Wohnviertel, wie wir sie aus den USA kennen, soll und darf es in Deutschland nicht geben. Warum sollten wir dann im Internet nicht auch öffentliche Räume zugänglich machen?

Außerdem ist Google Street View ist nicht so neu wie man glaubt. In anderen Ländern funktioniert der Dienst bereits seit einigen Jahren und dort hat es kaum oder gar keine Beschwerden gegeben. Interessant: in keinem anderen Land wird so oft auf die bereits bestehenden Bilder von Google Street View zurückgegriffen wie in Deutschland.

Es ist übrigens keineswegs verboten, Fotos von Straßen, Plätzen und Häusern zu machen, solange diese öffentlich, d.h. von den öffentlichen Straßen aus zugänglich sind. Google reiht insofern „nur“ Fotos aneinander, die auch jeder Bürger hätte aufnehmen und online stellen können. Neu ist, dass man als User die Möglichkeit hat, ganze Straßenzüge zu „besichtigen“. So kann man sich etwa die neue Wohnung und das Wohnumfeld schon vor dem Besichtigungstermin von zuhause anschauen. Dies gilt ja auch für die Urlaubsplanung – egal ob im Ausland oder hierzulande. So kann man sich viel Zeit und wertvolle Ressourcen sparen und verhindert unnötige Wege.

Die Angst vor Einbrechern halte ich für unbegründet: Weder kann man durch einen Blick auf die Hausfassade sehen, ob „es was zu holen“ gibt, noch, ob oder wann der Hausbewohner zu Hause ist. Ein Ausspähen ist also nicht möglich.

Hingegen kann die Tourismusbranche Street View nutzen, um Städte oder interessante Gegenden zu präsentieren und die Besucher haben die Möglichkeit, sich schon vor Reiseantritt die lohnenswerten Ziele herauszusuchen. Gerade für meine Stadt Gelnhausen mit ihren Sehenswürdigkeiten und der Altstadt ist Google Street View daher aus meiner Sicht eine gute Sache.

Bereits heute stehen Millionen Fotos von Gebäuden und Plätzen, ob öffentlich oder privat, im Internet und die User selbst zeigen ihre eigenen, privaten Aufnahmen. Solange dies möglich ist, muss es auch möglich sein, einen Dienst wie Google Street View zu nutzen.

Wir erwarten, dass uns andere Städte in der Welt für unsere Urlaubsplanung und zur Information offen stehen. Ich persönlich habe daher überhaupt nichts dagegen, wenn mein Haus bei Google Street View für andere zu sehen ist. Wer das alles nicht will, der muss und sollte eben sein Widerspruchsrecht nutzen. Dafür ist es da. Grund zur Aufregung besteht aber nicht.

5 Kommentare zu “Hört auf mit der Panikmache!

  1. Google freut sich ein Loch in den Bauch. So wie die Diskussion mittlerweile ausartet hätte man keine Werbekampagne initiieren können. Virales Marketing in Bestform.
    Hach, wie sich Millionen internetnutzer schon auf den ersten Tag freuen, an dem Google Street View in Deutzschland startet. Ein paar Tausend Verweigerer sind da sowas von egal!

  2. Ist ja schon bezeichnend wie einige Deutsche mal wieder auf was Neues im Internet reagieren und vor allem die die jetzt am lautesten dagegen schreien, sind dann die die GOOGLE STREET VIEW am meisten nutzen werden, gehe ich jede Wette ein, aber es ist halt neu, also erstmal meckern, noch gar nicht damit beschäftigt, erstmal motzen und die Leute verrückt machen … Wenn man die Berichte der letzten Tage und auch diverse Blogs usw. liest kriegt man sich teilweise vor Lachen nicht ein, weil da müssen manche Geschwister ohne Ende haben, denn einer allein kann gar nicht so xxxxx….. sein . Was ist gegen einen virtuellen Stadtrundgang auszusetzen ??? Achso ja man könnte ja euer Haus sehen und wissen wo Ihr wohnt … gut also Einspruch losschicken, Haus und Hausnummer unkenntlich machen lassen. Super damit weiss keiner mehr was, spitzen Logik …. und wird das Haus dann auch in der Realität unkenntlich gemacht ??? nö … aber da weiss ich doch dann trotzdem wo ihr wohnt ??? oder doch nicht ??? Ich meine, wenn ich als Tourist virtuell durch Köln marschiere um mich mal zu informieren wie ich dann meinen reellen Trip gestalte, wem sein Haus soll ich denn da erkennen ??? Ich kenn da keine Sau …

    Ach ja ich vergass den Einwurf einer Nutzerin, das man doch damit bestimmt auch Häuser zu Einbruchszwecken ausspionieren kann, klar doch schreibt ja auch jeder an sein Haus drann „Hier sind Wertsachen versteckt“ :-). Also ich würde das dann schon auf die althergebrachte Weise machen, vor Ort schauen ….

    Na ja also mir ist es egal, für mich ist es nur ein weiteres ONLINE-SPIELZEUG im WWW und in paar Wochen wird sich keiner mehr aufregen, war doch bis jetzt immer so …

  3. Sehr guter Eintrag.
    Das einzige, was ich an Street-View kritisieren würde und eben auch kritisiere, ist die Kamerahöhe – 2,90m, in dieser Höghe könnte eben KEIN vorbeilaufender Tourist knippsen,
    Und da man in den meisten Bundesländern bis 2 Meter ohne Baugenehmigung Mauern und Zäume hochziehen darf, sollte Google die Aufnahmehöhe m.E leicht reduzieren.
    In allem weiteren muss ich dir aber zustimmen.

    Grüße,
    Manuel Busch, stellv. Leiter des Landesarbeitskreises Innen und Recht der JuLis NRW

  4. „weil es anderswo gemacht wird“ ist ein äusserst schwaches Argument, auch das mit den Widersprüchen in anderen Ländern (haben die denn auch ein Widerspruchsrecht bekommen?), und den Statistiken von Google bezüglich der Nutzung dieses Dienstes in D würde ich diesesmal ausserordentlich misstrauen.

    ich bin übrigens nicht gegen streetview.

    Das mit der Unkenntnis ist allerdings absolut unterschreibenswürdig. Und es trifft ja nicht nur in diesem Falle zu. In diesem Fall können „wir“ aber eben mitreden, weil „wir“ uns ‚auskennen‘. Man sieht dann natürlich, was für ein Irrsinn da verzapft wird/werden soll; wenn man das mal hochrechnet, auf andere Themengebiete, kann einem ganz anders werden.

    Ich finde man sollte viel stärker über ein Datenverknüpfungsverbot diskutieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert