Rede zu Protokoll: Netzneutralität
Herr Präsident,
meine sehr verehrten Damen, meine Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Grund für die heutige Debatte im Parlament sind die von der Deutschen Telekom angekündigten neuen Tarife. Das Unternehmen hatte zwischenzeitlich laut darüber nachgedacht, künftig keinen Flatrate-Tarif für das Internet mehr anzubieten und innerhalb der neuen Tarifstruktur so genannte Managed Services zu privilegieren. Diese Ankündigung hat für eine teilweise heftige öffentliche Reaktion gesorgt und das mitunter zu recht.
Der Hauptstreitpunkt war in diesem Zusammenhang die Frage, ob die Deutsche Telekom mit ihren Tarifen gegen das Prinzip der Netzneutralität verstößt. In der Tat sind hier Zweifel angebracht. Darum hat die Bundesnetzagentur entsprechende Auskünfte des Unternehmens verlangt, um eine Bewertung vorzunehmen. Die Bundesnetzagentur als Regulierungsbehörde wacht über die Einhaltung der Netzneutralität in Deutschland. Wir haben sie dazu befähigt. Parallel dazu hat das Bundeskartellamt angekündigt, die neuen Vorhaben der Telekom wettbewerbsrechtlich zu prüfen. Sie sehen also, dass bereits reagiert wird.
Die christlich-liberale Koalition hat darüber hinaus das Prinzip der Netzneutralität längst gesetzlich verankert.
Im TKG heißt es im § 41a Netzneutralität „(1) Die Bundesregierung wird ermächtigt, in einer Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates gegenüber Unternehmen, die Telekommunikationsnetze betreiben, die grundsätzlichen Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Datenübermittlung und den diskriminierungsfreien Zugang zu Inhalten und Anwendungen festzulegen, um eine willkürliche Verschlechterung von Diensten und eine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs in den Netzen zu verhindern; sie berücksichtigt hierbei die europäischen Vorgaben sowie die Ziele und Grundsätze des § 2.“
Sie sehen also: Während Sie Anträge schreiben, haben wir bereits die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, um Netzneutralität in Deutschland durchzusetzen, denn wenigstens in diesem Punkt sind wir uns einig: Die Netzneutralität ist ein hohes Gut. Wie bereits in der Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ festgehalten ist für uns die gleichberechtigte und diskriminierungsfreie Weiterleitung von Datenpaketen eine wesentliche Grundkomponente des freien Internets.
Vor diesem Hintergrund sollten wir einen kritischen Blick auf die Pläne der Telekom werfen. Die erste Ankündigung, keinen Flatrate-Tarif mehr anbieten zu wollen, kann man als unternehmerisch nicht klug bezeichnen, denn nach wie vor gibt es Wettbewerber, die genau das tun und damit u.U. neue Kunden generieren können. Eine unternehmerische Bewertung können wir treffen, aber sie berührt uns als Gesetzgeber zunächst einmal nicht, wenn es allein um eine Abkehr vom Modell der Flatrate-Tarife gehen würde.
Darum ist es wichtig, festzuhalten: Netzneutralität bedeutet nicht Flatrate für Alle und das möglichst günstig.
Ich persönlich halte die Ankündigung der Telekom dennoch für nicht klug, denn sie wird allein durch die Art und Weise der Kommunikation eventuell Kunden verlieren. Ob es demnächst wieder einen Markt in Deutschland für an ein Volumen gebundene Tarife gibt, wird man darüber hinaus abwarten müssen. Auch können wir als Politik kommentieren, entscheiden wird das allein der Verbraucher und damit der Markt.
Prinzipiell steht also einem an ein Datenvolumen gekoppeltes Tarifmodell nichts im Wege, wenn dadurch nicht die Netzneutralität verletzt wird.
Ich sehe daher mit einer gewissen Sorge, dass ein wesentlicher Teil der Debatte am Kern des Problems vorbei geführt wird. Nicht ein Tarifmodell, dass ab dem Erreichen eines bestimmten Datenvolumens die Geschwindigkeit drosselt, damit der Kunde neues Datenvolumen zukaufen muss ist das Problem. Entscheidend ist ein ganz anderer Punkt.
Sehr kritisch muss man nämlich die Ankündigung der Telekom sehen, bestimmte Dienste von einer Anrechnung auf das im Paket verkaufte Datenvolumen auszunehmen. Hier erfolgt Im Zweifel die Diskriminierung von Diensten Dritter quasi per Ansage und das wäre in der Tat ein glasklarer Verstoß gegen die Netzneutralität. Die Telekom argumentierte zunächst, dass so genannte Managed Services von einer entsprechenden Bewertung ausgenommen werden müssten. Auch hier ist unsere Haltung – und auch die der Bundesnetzagentur – mehr als klar: Eine Diskriminierung innerhalb von Diensteklassen, also beispielsweise die Bevorzugung eines Video-on-demand-Angebotes in Abgrenzung zu anderen Angeboten, ist im Sinne der Netzneutralität nicht zulässig.
Wir wollen, dass die Nutzer auch künftig frei entscheiden können, welche Dienste sie im Netz nutzen und dass diese Entscheidung nicht „geleitet“ wird durch eine Koppelung von Netzzugang und dem Angebot bestimmter Dienste. Dass die Telekom oder ein anderer beliebiger Infrastrukturanbieter das zur Verfügung gestellte Datenvolumen auf bestimmte Dienste anrechnet und auf andere nicht – ob das für den Bereich Musikstreaming, Video on Demand oder andere Services gilt -, darf es auch künftig nicht geben. Dazu braucht es aber derzeit keine neuen Gesetze, sondern die zuständige Aufsicht und die Regulierungsbehörden müssen handeln.
Die Telekom hat längst erkannt, dass sie mit ihrer „Idee“ vor den Regulierungsbehörden in dieser Form nicht wird bestehen können. Darum hat das Unternehmen angekündigt, dass es auch künftig eine Flatrate geben wird – allerdings teurer. Ob es dem Unternehmen gelingt, parallel dazu andere Tarifmodelle zu etablieren, wird sich weisen. Auch diese müssen zudem den oben formulierten Ansprüchen gerecht werden.
Darum bleibt es dabei: Wir haben die Netzneutralität im TKG verankert. Die Aufsichtsbehörden wie das Bundeskartellamt und die Bundesnetz-Agentur haben die Deutsche Telekom aufgefordert, ihre Pläne vorzulegen und dem Unternehmen einen umfassenden Fragekatalog vorgelegt. Auf die Beurteilung darf man gespannt sein. Sollte sich die Bundesnetz-Agentur nicht in der Lage sehen, der Telekom entsprechende Regulierungsvorgaben zu machen, wovon allerdings auszugehen ist, dann wird die Bundesregierung die ihr im TKG eröffneten Möglichkeiten nutzen, um Netzneutralität in Deutschland auch für die Zukunft sicherzustellen.