Afghanistan V: Unsere Soldaten haben Respekt und Dankbarkeit verdient
Wie sehr alle Maßstäbe, in denen wir sonst denken, in Afghanistan obsolet sind, zeigt die Geschichte eines afghanischen Polizisten, der in sein Heimatdorf zurück musste, weil ein Familienmitglied gestorben war. Von Faizabad aus war der Mann fünf Kilometer mit dem Auto unterwegs – die restliche Strecke musste er aufgrund der Straßenverhältnisse mit einem Esel zurücklegen – und brauchte dafür fast zehn Tage. Ohne Worte.
Neben den offiziellen Terminen gab es oft genug die Gelegenheit, mit deutschen Soldaten ins Gespräch zu kommen. Mir ist dabei ein Satz eines deutschen Kameraden in Erinnerung geblieben, der mir so in ähnlicher Form vielfach begegnet ist: „Wir als Soldaten freuen uns auch über solche Besuche, die ein Zeichen von Interesse für das ist, was wir hier tun und für uns natürlich. Es ist für Soldaten enorm wichtig zu wissen, nicht in Vergessenheit geraten zu sein.“ Das Gefühl, dass der Einsatz in den deutschen Medien leider nicht die verdiente und notwendige Aufmerksamkeit erfährt und nur darüber berichtet wird, wenn es beispielsweise Gefallene zu beklagen gibt, äußerten viele Soldatinnen und Soldaten. Und viele ärgern sich darüber. Aus meiner Sicht zu recht. Denn in der Tat leisten sie viel und es würde uns gut tun, sich einmal vor Augen zu führen, was es heißt, im Einsatz zu sein.
Eine Begegnung fand ich besonders beeindruckend und daher möchte ich sie hier noch berichten: In Faizabad rückt die Bundeswehr demnächst ab. Man sieht im Lager bereits, dass der Rückbau begonnen hat. Dort sind wir aber nicht alleine im Einsatz, sondern eine Kompanie der mongolischen Infanterie ist für den Schutz des Lagers zuständig. Mitten im Lager haben die mongolischen Kameraden eine Jurte aufgebaut, in der wir zur Begrüßung zu Gast sein durften. Dass mehrere mongolische Soldaten perfekt deutsch sprechen, macht den Austausch untereinander deutlich leichter. Die Sprachkenntnis resultiert u.a. aus der Offiziersausbildung, die diese Männer in Deutschland absolviert hatten. Wie gut der Austausch zwischen Bundeswehr und mongolischer Armee läuft ist ein schönes Zeichen für die Internationalität und die Waffenbrüderschaft im Einsatz. Zum Abschied bekamen wir noch das Einheitsabzeichen der Kompanie überreicht – ein Stoffaufnäher, den als „Wappen“ das Ying und Yang-Zeichen ziert.
Der Donnerstag begann mit einem Rundgang durch das Lager in Kunduz. Trotz des geplanten Abzugs gibt es weitere Bautätigkeiten. Teilweise sind diese Voraussetzung für den Abzug, teilweise zeichnet sich ab, das Kräfte über das Abzugsdatum hinaus vor Ort bleiben werden, um die Afghanen zu unterstützen. Die Ordnung des Lagers war beeindruckend. Man kann sich kaum ein Bild von der dafür notwendigen Logistik von der Wasseraufbereitung bis zur Bereitstellung der Verpflegung und Ausrüstung machen. Über 2.000 Soldaten sind im Lager, das damit deutlich kleiner ist als Camp Marmal in Masar-e Sharif. Hinzu kommen viele zivile afghanische Mitarbeiter sowie Polizisten, zivile Mitarbeiter von Logistik- und Rüstungsunternehmen. Die Soldaten haben nahezu alle feste Unterkünfte, die zugleich auch im Falle eines Angriffs als Schutzräume konzipiert sind. Auch das moderne Kantinengebäude hat zugleich Schutzraumfunktion. Die Idee, diesen gesamten Gebäudekomplex später einmal als Universität von Kunduz zu nutzen, wird sicher nicht morgen umgesetzt, aber es ist ein schönes Ziel, denn so würden die hohen Investitionen einen doppelten Zweck erfüllen.
Schon morgens war die Hitze drückend. Für die Besatzung der Fahrzeuge war es im Innern ihres fahrbaren Untersatzes sicherlich noch heißer. Gegen Morgen war schon der Fluglärm der mit dem Hubschrauber aus dem Einsatz zurück kommenden Spezialkräfte zu hören. Ich bin davon wach geworden und musste an die diversen Aufklärungsmittel denken, die diese Soldaten zu ihrem Ziel geführt hatten und die den Aufständischen das Leben schwer machen. Wir hatten ja am Vortag eine entsprechende Einweisung bekommen, die ziemlich beeindruckend war. Noch eine Randnotiz: Die Soldaten in den Unterkünften sind angehalten, beim Nutzen der Waschanlagen auf die Kameraden Rücksicht zu nehmen, die im Schichtdienst arbeiten. Sprich sie sollen sich leise verhalten. Der Fluglärm der Hubschrauber kann das nicht und aufgrund des hohen Flugaufkommens stellt sich die Frage, ob die Ermahnung wirklich Sinn macht.
Zwei Hubschrauber standen bereit, um uns auf direktem Wege nach Termez zu bringen. Mit dabei auch die Feldjäger, die für den Personenschutz zuständig waren und die uns seit Kabul begleitet hatten. Der Flug nach Termez über die Wüste war ein eindrucksvoller Abschluss. Ein letzter Blick auf die Bergdörfer Afghanistans und dann flogen wir Richtung usbekische Grenze. Minutenlang war kein Zeichen von Zivilisation zu erkennen und der Pilot flog sehr tief, um uns durch die offene Heckklappe der CH-53 die Wüste bestaunen zu lassen. Fast nicht vorstellbar, dass in dieser unwirtlichen Gegend unseres Planeten Menschen leben. Dann passierten wir erneut den Grenzfluss zwischen den beiden Ländern und schon der Blick aus der Luft ließ anhand der Bebauung erkennen, dass diese Grenze auch eine Armutsgrenze darstellt. In Termez folgte der Abschied von der Hubschrauberbesatzung und „unsern“ Feldjägern. Vor allem diese Männer haben schweren Eindruck auf mich gemacht. Alle waren stets freundlich, hatten auch Zeit für ein persönliches Wort und haben dabei sehr höflich aber deutlich ihre Meinung zum Ausdruck gebracht. Dass man sich in ihrer Gegenwart im wahrsten Sinne des Wortes gut aufgehoben fühlte ist wahrscheinlich das größte Lob, das man ihnen als Personenschützer machen kann. Auf dem Rollfeld stand schon die Maschine der Flugbereitschaft parat. Parole Heimat.
In Nürnberg gelandet standen wir auf einmal unbegleitet auf dem Rollfeld neben dem Flieger. Kein Sprachmittler, keine Lagevortrag, nur die Gewissheit, dass Nürnberg schon in die zivile Verwaltung übergegangen ist.