Afghanistan I: Mein Truppenbesuch und warum ich dorthin gefahren bin
Nach vier Tagen am Hindukusch und unzähligen Gesprächen habe ich eine Ahnung von der Herausforderung vor Ort, wenn es darum geht, dem geschundenen Land Afghanistan zu helfen – und ich habe gesehen, welcher Beitrag wir als Deutsche sowohl militärisch aber vor allem im zivilen Aufbau leisten. Ich möchte hier auf meinem Blog in mehreren Folgen meine Eindrücke dieser Reise schildern und erhebe ganz bewusst keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Objektivität. Ich schildere meine persönlichen Eindrücke und schreibe meine Meinung.
Der Staatssekretär Christian Schmidt, den ich auf dieser Reise begleiten durfte, hat seine Einschätzung zur Situation in Afghanistan in einem Interview zusammengefasst. Ich selbst möchte hier ein paar ergänzende Eindrücke schildern. In drei Folgen möchte ich über die Gespräche mit afghanischen Entscheidungsträgern berichten, meine Wahrnehmung von Land und Leuten weitergeben und vor allem etwas über unsere Soldaten im Einsatz schreiben. Den offiziellen Bericht des Verteidigungsministeriums zur Reise findet man übrigens hier! Auch meine Kollegin Katja Keul (Bündnis 90/Die Grünen) hat einen lesenswerten Reisebericht verfasst, der stärker als meine subjektiven Eindrücke verteidigungs- und sicherheitspolitische Aspekte umfasst.
Vorab ist mir wichtig: ich bin kein Experte. Und nachdem ich in Termez, Kabul, in Kunduz in Mazar-e Sharif und in Faizabad war, habe ich eine Fülle von Eindrücken mitgenommen. Allerdings müssen diese nicht zwingend deckungsgleich sein, mit dem was andere an diesen Orten erlebt haben. Schon innerhalb des Regionalkommandos Nord, dem Bereich, in dem deutsche Soldaten eingesetzt sind, ist Afghanistan so vielfältig, dass verallgemeinernde Beschreibungen aus meiner Sicht schwierig sind. Darum noch einmal: ich gebe das weiter, was ich gehört habe und schildere mein subjektives Erleben. Jeder möge sich anhand seiner Quellen und seiner eigenen Eindrücke ein eigenes Bild machen.
Wenn wir an Afghanistan denken, dann fällt Vielen der Satz von Margot Käßmann ein, die behauptet hat, dass nichts in Afghanistan gut sei. Sie hat das gesagt, ohne vor Ort gewesen zu sein. Natürlich kann nicht jeder sich ein Bild vor Ort machen, bevor er zu einer persönlichen Bewertung der Situation in Afghanistan kommt, aber es klingt zumindest nicht so, als ob Frau Käßmann sich um eine differenzierte Sichtweise der Dinge bemüht hätte. Von jemanden, der zum damaligen Zeitpunkt eine wichtige öffentliche Position innehatte, kann ich aber genau das eigentlich erwarten: eine ausgewogene differenzierte Haltung.
Richtig ist, dass man in Afghanistan an keiner Stelle erwarten sollte, Dinge mit deutschen Maßstäben bewerten zu können, aber das geht in einem der ärmsten Länder der Welt, mit der zugleich höchsten Geburtenrate in Asien und einer Analphabetenrate, die immer noch bei 70 Prozent liegt, auch gar nicht. Dennoch habe ich viele Bilder gesehen und Berichte gehört, die Hoffnung und Mut machen – nicht allein aus unserer Sicht, sondern aus Sicht der Menschen in Afghanistan – und nur darauf kommt es an. Dabei decken sich meine Eindrücke oft nicht mit dem Bild, das deutsche Medien von der Situation in Afghanistan zeichnen. Was habe ich also gut 5.000 Kilometer von zu Hause entfernt gesehen?
Als Bundestagsabgeordneter habe ich nicht nur für den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen des ISAF-Mandats gestimmt, sondern auch für die vielen Maßnahmen, die seitens des Auswärtigen Amtes und des Entwicklungshilfeministeriums dort initiiert werden. Im öffentlichen Interesse steht aber meist der Einsatz der Bundeswehr. Das ist schade, denn gerade die oft nicht frei von Reibungsverlusten stattfindende Zusammenarbeit zwischen zivilen Organisationen und Militär lohnt eine nähere Betrachtung. Auch dazu später mehr.
Ich wollte mir selbst ein Bild von der Lage vor Ort machen und mit den Soldaten sprechen – auch um ihnen für ihren Dienst für unser Land zu danken. Mit meinem Blog will ich zumindest in überschaubarem Rahmen hier Abhilfe schaffen und an einigen Stellen auch unseren Soldaten eine Stimme geben.
Start- und Zielpunkt der Reise an den Hindukusch war der Flughafen in Nürnberg. Ich bin mit dem Auto angereist. Im Parkhaus hat neben mir eine Familie geparkt, die erkennbar einen Strandurlaub geplant hatte. Da habe ich mich mit meinem Seesack schon optisch abgehoben. Der erkennbar gut gelaunten Familie sei der Urlaub von Herzen gegönnt. Ob sie dabei daran denken, dass in entgegengesetzter Richtung fast 5.000 deutsche Soldaten einen schweren Auftrag erfüllen? Am Flughafen traf unsere 13köpfige Gruppe bestehend aus fünf Abgeordneten, einem Staatssekretär aus dem BMVg, zwei Journalisten und fünf Soldaten zusammen. Abflugbereit stand eine Maschine der Flugbereitschaft des BMVg bereit, um uns nach Termez in Usbekistan zu fliegen.
Fortsetzung folgt…