Vor dem Besuch des Papstes

Ich freue mich auf den Besuch von Papst Benedikt XVI. in Berlin und seine Rede im Deutschen Bundestag. Bereits im April hatte ich die Gelegenheit zu einer persönlichen Begegnung mit dem Heiligen Vater in Rom am Rande einer Generalaudienz. Obwohl ich evangelischer Christ bin, war ich doch von dem Gespräch aber vor allem auch von der Generalaudienz auf dem überfüllten Petersplatz mehr als beeindruckt. Wer das einmal miterlebt hat, der muss erkennen, dass die katholische Kirche als weltweite Organisation vor allem auch eine sehr junge Bewegung ist. Der große Teil der Menschen, die dem Papst zugejubelt haben, waren Jugendliche aus allen Teilen der Welt. Wir sollten uns daher vor Augen führen, dass der Papst eben nicht nur für die Millionen katholischer deutscher Christen, sondern weltweit für mehr als eine Milliarde Menschen spricht.

Und ich persönlich bin fernab von theologischen Auseinandersetzungen der Überzeugung, dass es sich sehr wohl lohnt, ihm zuzuhören. Wer seine Bücher gelesen hat, der weiß, dass er ein außergewöhnlich kluger Mann ist und dass er Erfurt als bedeutende Stätte der Reformation besucht, empfinde ich persönlich als ein gutes Zeichen für die Ökumene. Auch deshalb bin ich auf seine Rede gespannt. Papst Benedikt XVI. hat in den letzten Jahren in vielen wichtigen Debatten mahnend die Stimme erhoben: ob beim Friedensprozess im Nahen Osten oder bei der Regulierung der nahezu entfesselten Finanzmärkte. Er und seine Vorgänger haben immer wieder für Frieden und Gerechtigkeit, für die Bekämpfung der Armut und die Würde des Menschen die Stimme erhoben.

Den Kollegen, die der Rede fernbleiben wollen, sei gesagt: es ist kleinkariert, Ergebenheitsadressen an Fidel Castro zu schicken, noch 2001 begeistert Wladimir Putin zu beklatschen und nun einem der großen Denker unserer Zeit nicht einmal Gehör schenken zu wollen. Der Papst wird weltweit als moralische Instanz geschätzt und zitiert. Selbst Joschka Fischer eilte vor dem Irak-Krieg 2003 in den Vatikan, um nach dem Gespräch unter einem großen Madonnenbild zu erklären, dass er und der Heilige Vater um den Weltfrieden besorgt seien. Auch er kannte damals die päpstliche Sexualmoral. Von der Trennung von Staat und Kirche war damals auch nicht die Rede. Hören wir also auf, uns aufgrund von parteipolitischen Opportunitäten zu streiten, sondern hören wir lieber einmal zu, so wie es vermutlich alle Fraktionen geschlossen bei einem Besuch des Dalai Lama getan hätten. Zuhören tun Politiker vielleicht eh zu selten. Der Papst hat uns nämlich etwas zu sagen – egal, ob wir Christen sind oder nicht.

9 Kommentare zu “Vor dem Besuch des Papstes

  1. Zeichen, Reden, Klugheit – sie sind leider eher im Elfenbeinturm beheimatet. In der Welt zählten eher Handeln (wo sind erleb- und erfahrbare substantielle Fortschritte in der Ökumene?) und Barmherzigkeit – unvoreingenommene Barmherzigkeit, die sicher nicht nur meiner Meinung nach Geschiedene oder homosexuelle Menschen mindestens so verdient hätten wie Piusbrüder oder Geistliche, die sich an Kindern vergangen haben. Intellektuelle Impulse können solche emotional zutiefst verstörende Vorgänge nicht wegwischen. Es bleibt der zu nicht nur leicht gespürte Eindruck, dass die Einheit und Heiligkeit der Kirche über allem steht – zu oft auch über den Menschen. Das sind keine belanglosen nebensächlichen Einzelfälle, wo man – in gut katholischer Diktion „differenzierter und genauer hinschauen muss“. An den schwierigen Fällen zeigt es sich und an diesen Eindrücken können auch 25-minütige Treffen nichts ändern, wenn sich nichts ändert. Der Impulse sind genug gewechselt.

    1. „Aber die Korruption der Kirche beweist nichts gegen ihre Mission. Im Gegenteil. Daß auf den Menschen kein Verlaß ist, daß er der Gnade bedarf, gerade diese Erkenntnis haben alle christlichen Konfessionen gemeinsam.“ Golo Mann

      1. Wie leitet sich aber aus der durchaus richtigen und in letzter Konsequenz zu ertragenden Erkenntnis über die Fehlbarkeit des Menschen ein Glaube an Überirdisches ab?

        Carl Sagan war es, der den Menschen „das sich selbst bewusst gewordene Universum“ nannte, ein Staubkorn der Erkenntnis. Diese Spannung zwischen Universalität und Fehlbarkeit zu ertragen ist das Abenteuer Mensch zu sein.
        Ignorabimus – „Wir werden nicht wissen“ – Wer dieses Wort erträgt und gleichzeitig den klaren, freudvollen Blick auf die Sterne, die Natur und den Mitmenschen lenkt, braucht keine Gnade von erfundenen Geistern, sondern entwickelt Stärke und Mitgefühl, nutzt Skepsis und Fantasie – so füllt er den Augenblick seines Daseins mit Würde.

        Religion instrumentalisiert diese Kraft für fremde Mächte, unterwirft den freien Menschen, damit er nur durch sie Gemeinschaft erfahren kann. Welch‘ ein Vergehen an diesem komplexen Element des Universums, welch‘ ein Vergehen am Menschen und seinem Geist.

  2. Mal langsam, das fernbleiben der Parlamentarier ist ja fast so beleidigend wie das Schuhe werfen im Islam. Es bleibt festzuhalten das der deutsche Papst von unserem Bundespräsidenten eingeladen wurde. Er ist somit (wie auch Putin und andere die bereits im Bundestag gesprochen haben) unser Gast. Als solcher sollte man ihn auch behandeln, empfangen und hören. Da scheint es einige Parlamentarier zu geben die „Missionierung“ wittern und so tun als ob sie sich außer durch fernbleiben einer solchen nicht entziehen könnten. Wie arm ist dass denn?

    Nichtsdestotrotz halte ich es für richtig und wichtig das es Demonstrationen gibt und geben muß um die Kirche in Richtung einer Öffnung und Weiterentwicklung ihrer Thesen zu bewegen. Nicht in Richtung Zeitgeist sondern in Richtung einer für möglichst viele Menschen annehmbaren und lebbaren Ethik und Moral, ohne Dogmen und bizarren aus der Zeit gefallenen Regeln. Dazu müsste sie freilich ersteinmal in der Lage sein ihre eigenen inneren Probleme (Missbrauch, etc,) sauber aufzuarbeiten.

    Im übrigen empfehle ich den auch von Peter Tauber genannten Beitrag von FOCUS-Online:

    http://www.focus.de/politik/deutschland/tid-23688/papst-besuch-zehn-irrtuemer-ueber-benedikt-xvi-_aid_667510.html

    1. @Bernd
      Für das Dogma und das Missionieren brauchen wir ja nun nach deinem Posting den Papst nicht mehr. 🙂

      In den Bundestag lädt nicht der Bundespräsident ein, sonder eben die Parlamentarier. Bei umstrittenen Staatsführern (Vatikan Einwohnerzahl ca.1000) bzw. Religionsführern ist es das gute Recht des einzelnen Parlamentariers seinem Gewissen zu folgen und sich die bekannten Haltungen des Papstes NICHT anzuhören.

      Ebenso sollte das Parlament, das ja mal gedacht war als Vertretung des Volkes und nicht als irgendein beliebiger Angelverein, diese Entscheidung repräsentieren. Der leere Stuhl eines Abgeordneten ist Bestandteil dieses Ausdrucksrechtes.
      Und die aktuelle Gruppe der Parlamentarier (in Form des Ältestenausschusses und einigen anderen Vertretern der Fraktionen) hat dieses Recht untergraben, indem nicht gewählte Personen in den Plenarsaal des Hohen Hauses unser Demokratie als Lückenfüller zugelassen hat.

      PS: Der Schuhwerfer-Vergleich ist sowas von billig und falsch, dass sie sich fast qualifiziert hätten, keine Antwort zu bekommen

      1. @Jens

        Der Schuhwerfer-Vergleich ist vielleicht etwas derb, gänzlich falsch ist er nicht. Es fehlt eine gewisse Lockerheit im Umgang mit diesem Besuchs-Thema, auch ein Bewusstsein dafür wie das fernbleiben so vieler Parlamentarier im Ausland wirkt. Aber sei’s drum, wer fernbleibt nutzt sein Recht, auch das ist zu akzeptieren, auch wenn es traurig und verbissen wirkt.

        Sehr schönes Zitat von Carl Sagan, da bin ich ganz bei Ihnen. Dennoch: Die Religionen und Weisheitstraditionen sind -ob wir wollen oder nicht- Bestandteil unserer Kultur, sie werden nicht verschwinden.

        Umso wichtiger sind Proteste und Demonstrationen aber auch die Reformation der Kirche von innen, damit sie die Funktion die sie in der Gesellschaft wahrnehmen könnte auch leisten kann. Dies wird ein Prozess sein der sicher viele Generationen, vielleicht sogar Jahrhunderte dauert. Way to go!

      2. @Bernd (bezug auf Kommentar von 22. September 2011 um 15:31)

        Ähnlich wie in der Erden-Natur mehr Arten ausgestorben sind als gerade leben, sowie mehr Sterne verloschen sind als aktuell leuchten, sind auch viele Brauchtümer, zumindest in ihrer bewusst wahrgenommenen Verankerung, in der heutigen Kultur vergessen.

        Lobenswert ist sicher, dass der Papst mit seiner Wirkungskraft versucht Verbindlichkeit zwischen den Menschen zu festigen. Die Beliebigkeit des Glaubens allerdings lässt die Frage aufkommen, ob es nicht eher prinzipiell schlicht menschlich sei, das Miteinander mit Güte zu regeln.

        Das Problem mit vielen geistigen Predigern, so auch mit dem Papst, ist ja nicht, dass sie Menschlichkeit einfordern, sondern, dass sie im gleichen Atemzug überirdische Bezugsräume formulieren, deren irdische Vertreter – wie praktisch – genau sie seien.

        Es entsteht also ein menschlich, allzumenschlicher Drang zur Macht, der vielleicht von „seiner Heiligkeit“ in freundlicher Zurückhaltung geleugnet würde, aber faktisch in der Geschichte und auch heutzutage Tod und Unglück über die Menschen bringt.

        Zu ihrem letzten Absatz: Religion sollte nicht reformiert, sondern überwunden werden. Albert Einstein antwortete auf die Frage nach dem Missing Link: „Das Missing Link? Das sind wir!“ – Auf dem Weg zum Menschen werden wir uns noch von manchem Scherz befreien müssen, den uns unser Gehirn gespielt hat, seid wir versuchen uns selbst die Welt zu erklären.

        PS: Der Schuhwerfer-Vergleich bleibt anmassend, weil dieser einen aktiven Angriff zur Verhinderung einer Rede darstellt, während das Fernbleiben eines Parlamentariers ein passives Ausdrucksmittel gegen ambivalent bewertbare Religionsführer im Hohen Haus unserer Demokratie darstellt.

  3. Dem Papst zuhören kann man auch woanders oder in einer Aufzeichnung. Der Parlamentarier, der sich gegen seine/ihre Anwesenheit im Plenarsaal entscheidet, drückt damit seine Bedenken aus, die die Person (Mehr Religionsführer als „Staatsoberhaupt“) oder das Handeln der Katholischen Kirche stark kritisch gegenüberstehen.

    Als aufmerksamer Mensch braucht man nicht, wie Lammert empfiehlt, Joseph Ratzinger „erstmal zuhören, was er zu sagen hat“. Die Haltung und das bedenkliche Menschenbild des Papstes und der alleinige „Glücksbringer-Anspruch“ der Römisch-Katholischen Kirche sind hinlänglich bekannt.

    Aber all das ist nicht das Entscheidende an der aktuellen Debatte um die selbstgewählte Abwesenheit von Parlamentariern bei der Papstrede. Entscheidend ist, dass die Fraktion unter Duldung des Bundestagspräsidenten leere Plätze mit „Ehemaligen“ auffüllen wollen. Das Recht des gewählten Volksvertreters allein aufgrund seines Gewissens Politik zu gestalten beinhaltet das Recht, sich durch Abwesenheit im Plenarsaal auszudrücken, die „Politik des leeren Stuhls“ ist auch international ein Mittel sein Missfallen auszudrücken.

    Beim Besuch des Religionsführers Joseph Ratzinger wird parlamentarische Recht und Geflogenheit untergraben. Das Parlament gibt sich der Beliebigkeit preis, damit ein alter Mann am Rednerpult wegen leeren Sitzen nicht anfängt zu weinen und vorallem der Schein gewahrt wird.

    Mehr Schein als Sein – eine Phänomen, dass beim deutschen Parlament mehr und mehr zur Normalität wird. Die Konsequenzen aus diesem Verhalten werden wir sicher alle bereuen.

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