Warum uns das Sterben auf dem Mittelmeer nicht egal sein darf
Parteiübergreifend haben Abgeordnete des Deutschen Bundestages die Bundesregierung aufgefordert, sich der Seenotrettung im Mittelmeer stärker zu widmen. Ich habe den Aufruf ebenfalls unterzeichnet, auch wenn ich nicht jede Formulierung teile und die politische Instrumentalisierung von ganz rechts wie von ganz links ablehne. Ich sehe mich damit auch in der Tradition von Christian Schwarz-Schilling, der im Jahr 2000 bereits einen gemeinsamen Osterappell unter dem Titel „Humanitäre Grundsätze in der Flüchtlingspolitik beachten“ im Deutschen Bundestag initiierte.
Drei Aspekte bringen mich zu der grundsätzlichen Haltung, dass uns in Deutschland das Sterben auf dem Mittelmeer nicht egal sein darf:
- Wenn Europa der Kontinent der Aufklärung und der Freiheit ist, wenn unser Denken geprägt ist von christlichen Werten, dann dürfen wir nicht wegschauen, wenn das Mittelmeer zum Grab für Tausende wird. Dies gilt auch dann, wenn daraus Probleme wie die Verteilung von Flüchtlingen und eine mögliche Rückführung in die Heimatländer resultieren. Die Römer nannten das Mittelmeer „mare nostrum”. Es ist auch heute ein europäisches Meer und damit unser Verantwortungsbereich.
- Ich habe in den letzten Jahren einer Flüchtlingspolitik das Wort geredet, die sich gleichermaßen der Humanität wie der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet fühlt. Europa und Deutschland müssen Orte der Freiheit und der Zuflucht für Verfolgte und Flüchtlinge sein. Genauso müssen wir aber das Recht durchsetzen. Wer nicht vor Krieg und Verfolgung flieht, der muss wieder gehen und zwar unmittelbar. Und auf Dauer hier leben darf nur, wer sich zu unseren Werten bekennt und einen Beitrag zur Zukunft leistet. Einwanderung und humanitäre Hilfe für Menschen in Not sind nicht dasselbe. Humanitäre Hilfe ist universell. Sie muss jedem Menschen gewährt werden.
- Immer wieder habe ich unseren Soldatinnen und Soldaten für ihren Einsatz im Mittelmeer bei der Mission EUNAVFOR MED “Sophia”, die nach einem auf einem Schiff geborenen Flüchtlingsbaby benannt ist, gedankt. Seit Beginn der Beteiligung deutscher Schiffe an der Seenotrettung im Mittelmeer am 7. Mai 2015 retteten deutsche Marinesoldaten 22.534 Menschen aus Seenot. Insgesamt wurden durch Einheiten der Operation SOPHIA mehr als 49.000 Menschen aus Seenot gerettet. Diese Männer und Frauen sind zurecht stolz auf ihren Einsatz. Sie haben dabei nicht nur Gutes getan, sondern auch Schreckliches erlebt. Manche kämpfen bis heute mit den Bildern, die sich eingebrannt haben. Von Leichen im Wasser und Kindern, die noch in ihren Armen starben. Mir kommt es zynisch vor, die Seenotrettung nicht auch zu fordern und zu unterstützen, wenn diese schwierige Aufgabe nicht mehr von unseren Soldatinnen und Soldaten erledigt werden kann. Die deutsche Marine hat hier Großes und Vorbildliches geleistet. Und gerade deswegen bleibt die Seenotrettung auch jetzt, wo keine Schiffe der Bundeswehr mehr vor der Küste Libyens im Einsatz sind, eine Aufgabe der christlichen Seefahrt.
Wer wegschaut, der schaut zu, wie unschuldige Menschen sterben. Und wir dürfen nicht bei der Seenotrettung stehenbleiben. Wir müssen noch mehr tun, um den Nationen Afrikas zu helfen, Stabilität zu schaffen und den Menschen eine Perspektive zu geben. Darum sind die Entwicklungszusammenarbeit und die Einsätze der Bundeswehr unsere Verpflichtung, wenn wir unsere Werte und Überzeugungen ernst nehmen und im deutschen Interesse.
Foto: Bundeswehr / Chris Sieg