Im Fernsehen kam immer Helmut Kohl
Als ich die letzten Buntstifte aus meiner Schultüte aufgebraucht hatte, da war Helmut Kohl schon eine ganze Weile Bundeskanzler. Als meine Fußballkarriere in der D-Jugend kläglich scheiterte, regierte er immer noch. Als ich konfirmiert wurde, hieß der Kanzler Helmut Kohl. Als ich 1994 die Hochschulreife erlangte, zog Helmut Kohl mit der CDU in die Bundestagswahl und wurde wiedergewählt. Während meines Wehrdienstes trug ich „des Kanzlers Rock“, wie wir in Anspielung an die wilhelminische Zeiten flachsten; denn es schien mir und anderen nur schwer vorstellbar, in einer Republik zu leben, in der der Kanzler nicht Helmut Kohl hieß. Und als ich an meiner Alma Mater in Frankfurt zur Zwischenprüfung antrat, wer war da Kanzler? Genau: Helmut Kohl.
Zwischendurch war die Mauer gefallen, die deutsche Einheit Wirklichkeit geworden. Menschen, die sich lachend und weinend in den Armen lagen, einfach, weil sie frei waren. Frei. Und wir waren wieder ein Deutschland, eine Nation. Wir durften erleben, was Schüler heute in den Schulbüchern nachlesen müssen. Ich war im so genannten Zonenrandgebiet, im Fulda Gap, groß geworden. Die Sprengschächte auf den Landstraßen, die amerikanischen Panzer im Herbst auf den Feldern waren Teil unserer Lebenswirklichkeit. Die Schilder „Atomwaffenfreie Zone Wächtersbach“ hatten wir nach einer hitzigen kommunalpolitischen Debatte dann Mitte der 1990er-Jahre abgeschraubt, sie waren aus der Zeit gefallen. Man spürte, dass nicht nur wir, sondern mit der Einheit, der europäischen Einigung und mit diesem Kanzler auch unsere Republik langsam erwachsen wurde. Krieg auf dem Balkan, Flüchtlinge in Deutschland, „blühende Landschaften“ sowie Rechtsextremismus im Osten und 1993 durch den Vertrag von Maastricht die Gründung der Europäischen Union. Man kann wahrlich nicht behaupten, dass wir in einer ereignislosen Zeit lebten.
Dann kam die Bundestagswahl 1998. Helmut Kohl wollte es noch einmal wissen. Und ich war schon längst Mitglied der Jungen Union und der CDU geworden. Auch wegen Helmut Kohl. „Keep Kohl“ war unser Motto: Der Elefant im Wolfgangsee – das war für damalige Zeiten ein ungewöhnlich freches und selbstironisches Plakat. Wir fanden das cool. Und wir reagierten trotzig, wenn wir spürten, dass sich die Republik nach Veränderung sehnte. Oskar Lafontaine und die SPD verhinderten geschickt alle notwendigen Reformen im Bundesrat. Und der CDU fehlte die Kraft, sich aus dieser Blockade zu befreien. Als am Wahlabend Gerhard Schröder triumphierte und versprach, nicht alles anders, aber vieles besser zu machen, da habe ich mich ernsthaft für einen Moment gefragt, ob das das Ende der Bundesrepublik bedeuten würde – und ich war nicht 15, sondern fast Mitte 20. So sehr hatte Helmut Kohl mich und meine Generation geprägt.
Freilich war ich mit meiner Verehrung für den „Dicken“ aus Oggersheim nicht ein typischer Vertreter meiner Generation. Viele junge Leute konnten mit der CDU und ihm nichts anfangen. Viele von ihnen sind heute schlauer. Helmut Kohl hatte linken Demonstranten auf Wahlkampfkundgebungen immer zugerufen, sie sollten was Ordentliches lernen und studieren. Wenn sie Steuern zahlen, dann würden sie später auch CDU wählen. Dass manch einer, der damals gegen ihn demonstrierte, heute CDU wählt, liegt aber wohl eher daran, dass wir gerade in Tagen wie diesen wertschätzen, was dieser Mann für unser Land und für Europa getan hat. Die Verwirklichung der Deutschen Einheit und die Europäische Einigung sind für die Geschichte unseres Volkes Sternstunden des zurückliegenden 20. Jahrhunderts, und sie sind untrennbar mit Helmut Kohl verbunden.
Florian Illies hat das Großwerden meiner Generation in seinem Buch „Generation Golf“ wunderbar beschrieben. „Wetten, dass“ mit Frank Elstner am Samstag, jede Woche die Bundesliga mit der Sportschau in der ARD und Erdnussflips. Unser Alltag war genauso wie die Welt durch den Kalten Krieg und die Aufteilung in Ost und West übersichtlich und strukturiert. Wie wir die Welt übers Fernsehen wahrnahmen, fasst Illies in einem Satz wunderbar zusammen. Es war übrigens eine Welt ohne Privatfernsehen und Internet. Er schreibt: „Und im Fernsehen kam immer Helmut Kohl.“ Helmut Kohl war immer da. Und selbst denen, die sich über ihn ärgerten und politisch anderer Meinung waren, gab das wahrscheinlich ein Gefühl von Sicherheit. So hat Illies in dieser ansonsten so meisterhaften Beschreibung meiner Generation nur einen Fehler gemacht: Er hat den falschen Titel gewählt. In Wahrheit sind wir die „Generation Kohl“.
Lange war es still geworden um den Kanzler der Einheit. Er hatte sein Leben ganz der Politik und dem Dienst am Vaterland verschrieben und untergeordnet. Das forderte seinen Tribut. Jetzt ist er im Alter von 87 Jahren gestorben. Und im Fernsehen wird an ihn und sein politisches Leben, das nicht frei ist von Brüchen und Konflikten wie der Spendenaffäre der CDU, erinnert. Wenn man jetzt einschaltet, dann ist es für einen kurzen Moment wie früher. Da ist immer Helmut Kohl. Aber natürlich ist es anders. Denn es ist ein Abschied. Und nicht nur ich bin deswegen sehr traurig.
Es werden nun viele kluge und nachdenkliche, manche auch pflichtschuldigst kritische Kommentare geschrieben und gesprochen. An die meisten wird man sich schon morgen nicht mehr erinnern. Aber Helmut Kohl, der zweite große Kanzler dieser Republik nach Konrad Adenauer, wird nicht vergessen werden. Das liegt daran, dass die wesentlichen Entscheidungen seiner Kanzlerschaft unserem Volk die Richtung im 21. Jahrhundert aufgezeigt haben. Wir sind einem geeinten, starken, weltoffenen und patriotischen Deutschland in einem geeinten und freien Europa verpflichtet. Das ist eine Aufgabe, die unsere ganze Kraft fordert. Aber wir sind es Helmut Kohl schuldig, dafür zu kämpfen.
Zum Abschied kann ich ihm nur sagen: Danke Helmut Kohl. Für die Einheit. Für Europa.
Die Verdienste von Helmut Kohl sind unbestreitbar und übergroß.
Ich würde mir selber und uns Deutschen insgesamt jedoch das gleiche wünschen, was ich mir hier in Bayern auch in Bezug auf Franz Josef Strauß wünschen würde: eine wesentlich weniger polarisierte Wahrnehmung der Person Helmut Kohls! Man mußte seine Art nicht mögen, mit seiner Politik nicht übereinstimmen, und man kann, darf und soll ihn kritisieren für die Fehler und die Verfehlungen, die er genauso gemacht bzw. begangen hat wie jeder andere Mensch. Man sollte ihn weder aus Prinzip lieben noch aus Prinzip hassen, sondern ihn in einer echten, ehrlichen, umfassenden Gesamtbetrachtung einfach als den Menschen und Bundeskanzler sehen, der er nunmal war. Sofern man ideologisch nicht total verblendet ist, wird man dann um die Erkenntnis kaum herumkommen, daß es eines gibt, das wir ihm – und zwar geradezu im Sinne einer moralischen Verpflichtung – wahrhaftig schulden. Und das ist nicht etwa Dank, denn ich denke nicht daß man wem auch immer Dank dafür schuldet, daß er seinen Beruf so gut ausführt und ausfüllt, wie er nur kann. Natürlich KANN man ihm dankbar sein, und ich persönlich bin es, sehr sogar! Aber wenn ich mich eben nicht frage, was können oder sollten wir ihm meinem persönlichen Empfinden nach entgegenbringen, sondern ganz strickt, was SCHULDEN wir ihm, wir als Deutsche und Europäer, egal ob wir ihn mochten oder nicht, egal ob wir konservativ sind oder links – dann denke ich, wir schulden ihm nicht mehr und nicht weniger als Anerkennung für sein Geschick und seine Anstrengungen! Aller, aller höchste Anerkennung!
Klar kann man nicht sagen, daß niemand anderer als allein er die Deutsche Einheit zustande gebracht hätte – gewiß hätten das auch Andere. Ebenso gewiß hätten es viele andere aber eben auch nicht. Er aber hat es hingekriegt, und das außenpolitisch eigentlich sogar ideal, und unterm Strich auch innenpolitisch ziemlich gut. Das MUSS man, wie gesagt, meiner Meinung nach einfach anerkennen und würdigen!
Nach Adenauer war H. Dr. Kohl der Größte! Wegen seiner unvergänglichen politischen Erfolge für uns und Europa, die das Ergebnis seiner politischen Weitsicht sind, ist er auch das größte Ärgernis für die typischen Linksintellektuellen. H. Dr. Kohl wird noch größer, wenn man deren Hass, deren Unfähigkeit und deren Verlogenheit zum Maßstab nimmt.
Die TAZ, als das linke Leitorgan, hatte gestern (Kommentar der FAZ) als Titelbild einen üppigen Grabschmuck mit der Überschrift: „…Blühende Landschaften“.
Kann man noch dreckiger sein? Da nutzt dann auch keine Entschuldigung. Wir lassen uns die Leistungen der CDU und von H. Dr. Kohl nicht in den Dreck ziehen. Es ist geradezu typisch für die Linke, dass sie selbst vor dem Tod nicht halt macht. Ich bin stolz ein Mitglied der CDU zu sein und zu helfen, dass das linke Niveau nicht staatstragend wird. Es ist noch nicht so lange her, dass mit dieser moralischen Einstellung der TAZ und ihrer Denker andere westliche und östliche Machthaber die Welt zum Abgrund führten.