„The Political Issues Concerning Israel and Palestine“ – Summer School in Israel
Shalom!
Vom 13. – 25. Juli nahm ich im Rahmen meines Studiums an der Summer School „The Political Issues Concerning Israel and Palestine“ in Israel Teil und konnte dort als Mitglied einer internationalen Studiengruppe im Rahmen von Seminaren, Vorlesungen und Exkursionen den Konflikt zwischen Israel und Palästina untersuchen und erleben. Das englischsprachige Programm, welches vom israelischen „Galilee International Management Institute“- kurz: GIMI – angeboten wird, ist einzigartig und für jeden wärmstens zu empfehlen, der sich für Politik im Nahen Osten im Allgemeinen und Israel im Besonderen interessiert.
Ich spreche hier bewusst auch von einem „erleben“, da sich die rein akademische Auseinandersetzung mit dem Thema von der Erfahrung vor Ort massiv unterscheidet. Dieses Erleben begann bereits mit der Unterbringung im Kibbuz ‚Mizra‘ im Norden Israels, welches neben unserer Unterkunft auch die Räumlichkeiten des GIMI beherbergte sowie als Ausgangspunkt für die Exkursionen und Studienreisen diente. Ziel des Programms war es uns Teilnehmern einerseits einen möglichst umfassenden Blick auf die relevanten Fakten und Hintergründe des Konflikts zu verschaffen und andererseits dessen enorme Komplexität durch die Bereitstellung verschiedener Perspektiven zu verdeutlichen. Daher wurde uns zu Beginn des Programms mitgeteilt, dass wir Israel „mit mehr Fragen, als Antworten“ verlassen würden. Dies war keine Übertreibung.
Während der gesamten zwei Wochen wurden wir über diverse Aspekte der politischen Realitäten in Israel und Palästina informiert: Die Frage nach einer Ein- oder Zweistaatenlösung erwies sich als vergleichsweise harmloser Streitpunkt im Vergleich zu den wesentlich tiefgreifenderen Thematiken. Beispielhaft wären hier der Status der palästinensischen und jüdischen Flüchtlinge der Kriege von 1948 und 1967, die Frage nach Siedlungen und Terror und der Status Jerusalems anzuführen. Zu diesen direkt dem Konflikt zugehörigen Fragen gesellen sich noch die jeweiligen Spannungen innerhalb der israelischen und der palästinensischen Gesellschaft, ökonomische und infrastrukturelle Probleme und die (gemeinsame) Geschichte der Araber und Juden. Man kann anhand dieses „kurzen“ Auszugs einiger behandelter Themen erahnen, wie vielschichtig der israelisch-palästinensische Konflikt ist und mit welchen Herausforderungen dessen politische und wissenschaftliche Behandlung fertig werden muss. Umso höher ist der persönlichen Einsatz einzuschätzen, den viele Menschen auf beiden Seiten für eine friedliches Zusammenleben und eine politische Lösung des Konflikts aufbringen. Dr. Yair Hirschfeld beispielsweise hielt einen beeindruckenden Vortrag über seine Tätigkeit im Vorlauf zum Oslo Friedensprozess zwischen Israel und der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Ende des Jahres 1992 begannen Hirschfeld und der befreundete Akademiker Ron Pundak geheime Verhandlungen mit Vertretern der PLO, welche die offiziellen Verhandlungen erst ermöglichten. Wohlgemerkt zu einem Zeitpunkt, als israelischen Staatsbürgern solche Kontakte gesetzlich verboten waren. Dank ihres Einsatzes wurden die offiziellen Verhandlungen zwischen der israelischen Regierungen und der PLO erst möglich, welche am 13. September 1993 mit dem Handschlag von Yitzak Rabin und Yasir Arafat auf dem Rasen des Weißen Hauses gipfelten.
Hirschfeld zog in seinem Vortrag ein zwiespältiges Fazit des Osloer Friedensprozesses, der zwar in vielem gescheitert sei, aber die Zwei-Staatenlösung 1 Dr. Yair Hirschfeld und ich dauerhaft auf die Tagesordnung katapultiert habe. Vorher sei eine solche Annäherung und vor allem gegenseitige Anerkennung Israels und der Palästinenser nahezu undenkbar gewesen. Ich persönlich empfand Yair Hirschfelds Vortrag besonders bewegend und informativ. Nicht nur wegen seiner persönlichen Geschichte als jüdischer Auswanderer aus dem Nachkriegswien, sondern auch wegen seines langjährigen Friedenengagements, allen Rückschlägen nach dem optimistischen Beginn der Oslo Verträge zum Trotz. Ein weiterer Höhepunkt, war der Besuch bei der NGO „Roots“ in der Westbank. Hier treffen jüdische Siedler und Palästinenser zusammen und versuchen zaghaft einen Austausch auf einer zivilgesellschaftlichen und persönlichen Ebene. Das Ansinnen, sein Gegenüber zu verstehen und die gemeinsame und doch unterschiedliche Beziehung zu der geteilten Heimat zu erfahren, treibt die Mitglieder an. Dennoch bereiteten diese Aktivitäten ihnen in ihren jeweiligen Umfeldern oft Schwierigkeiten, weil in den Köpfen vieler der Kontakt zur jeweils ‚anderen‘ Seite gleichzusetzen ist mit Verrat. Die NGO bietet den Juden und Palästinensern Räumlichkeiten für ein Zusammenkommen, was sonst in der Westbank praktisch unmöglich ist und arbeitet darüber hinaus mit Kindern und Jugendlichen, welche sonst keinerlei Kontakt haben und die jeweils anderen nur als bedrohliche Unbekannte kennen lernen würden. Auch dieser Einsatz unter widrigen Bedingungen beeindruckte mich tief und die Vorträge der Aktivisten ließen wie so oft in den zwei Wochen das Nebeneinander von Schmerz und Hoffnung erleben.
Diese und viele weitere Eindrücke, Fakten und Bilder konnte ich von der Summer School mitnehmen und sie werden mich auf meinem persönlichen und professionellen Weg begleiten. Daher bin ich Dr. Peter Tauber dankbar, dass er meinen Aufenthalt in Israel finanziell unterstützt und somit zu dieser einmaligen Gelegenheit beigetragen hat!
Über den Autor: Jonas Jäger, 25, studiert in an der Goethe Universität Frankfurt und der Technischen Universität Darmstadt im Master „Politische Theorie“.