Enquete-Kommission in Klausur: Zur Geschäftsordnung!
Auch wenn mit “viel Freude” über Geschäftsordnungsfragen diskutiert wurde, am Ende des Tages kann man mit dem Auftakt zufrieden sein, schreibt Peter Tauber für blogfraktion.de. Für sich hat er drei Bereiche erkannt, in denen er sich unter den Überschriften “Soziologie 2.0″, “Das weltweite Dorf” und “Wer hat die Macht?” engagieren will. Seine Bilanz der Klausurtagung der Internet-Enquete:
Nach der Klausurtagung der Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” am Montag, bleibe ich leicht verunsichert zurück. Es einer unzureichenden Vorbereitung zuzuschreiben, wenn man schlicht und einfach bilanziert, dass mehr als die Hälfte der Zeit über Formalia und Geschäftsordnungsfragen diskutiert wurde, springt zu kurz. Man folgte dem Grundsatz: “Der Antrag zur Geschäftsordnung spielt in Versammlungen aller Art eine sehr wichtige Rolle. Er ist vorrangig zu allen Sachfragen zu behandeln”, wie es in einer häufig zitierten Enzyklopädie heißt.
Aber der Reihe nach: Ich freue mich trotzdem immer noch darüber, als ordentliches Mitglied in der Enquete-Kommission “Internet und Digitale Gesellschaft” mitarbeiten zu können, denn ich halte das Internet für den entscheidenden Faktor aller gesellschaftspolitischen und ökonomischen Fragen der Zukunft. Ich habe mir vorgenommen, vor allem dafür zu werben, in Deutschland stärker die Chancen des weltweiten Netzes in den Blick zu nehmen – und zwar für alle Bereiche unserer Gesellschaft. Das Internet wird uns neue Formen der Wissensvermittlung nicht nur an Universitäten, sondern auch an Schulen ermöglichen. Es bietet unglaubliche Perspektiven für unsere Wirtschaft und für neue moderne Arbeitsplätze. Darüber hinaus rückt durch das Internet nicht nur die Welt zusammen, der Spessart und der Vogelsberg liegen auf einmal einen Steinwurf von den Metropolen der Welt entfernt. Das bietet gerade auch vor dem Hintergrund des demografischen Wandels für den ländlichen Raum ungeahnte Chancen – eine gute Breitbandversorgung vorausgesetzt. Das Internet wird unser Leben weiter grundlegend verändern und wir müssen lernen, damit umzugehen. Und letztlich bietet das Internet bisher noch nicht einmal ansatzweise ausgelotete Chancen für Demokratie 2.0, denn ich habe selbst im Bundestagswahlkampf erlebt, was für tolle Möglichkeiten zum direkten Meinungsaustausch mit den Menschen durch die sozialen Netzwerke entstehen.
Voll mit diesen und ähnlichen Gedanken bin ich zur Klausurtagung der Enquete-Kommission gefahren. Aufgrund anderer Termine war ich beim geselligen Teil am Abend zuvor nicht dabei, was mich geärgert hat, denn eine offene und gute Diskussion wird leichter, wenn sich die Gesprächsteilnehmer besser kennen. Darum hatte ich mir vorgenommen, mich erstens ein bisschen zurückzuhalten und zweitens zuzuhören. Ich empfand es bis zum Beginn der Klausurtagung als große Chance, dass nicht nur 17 Politiker, sondern auch 17 Experten in diesem Gremium mitarbeiten. Das war der vielbeschworene externe Sachverstand, der – so meine Hoffnung – dazu führen sollte, das Diskussion nicht unnötig in die Länge, sondern viel eher konkret und ergebnisorientiert geführt werden sollten.
Alles fing hoffnungsvoll an: Die nochmalige Vorstellungsrunde, in der auch Erwartungshaltungen vorgetragen wurde, war kurz und knapp. Man bekam einen guten Eindruck voneinander – und dann ging es auch schon los.
Manch eine Wortmeldung klang so, als ob die Freude an der Debatte von Geschäftsordnungen im Vordergrund stand, so wie man das von Gewerkschaftstagen oder auch der einen oder anderen Parteiveranstaltung kennt. Dass in dasselbe Horn auch ein Experte aus der Netzgemeinde stieß, wirkte selbst auf diejenigen Abgeordnetenkollegen, die sich das Internet als Lebenswelt erst nach und nach erschließen, leicht befremdlich. Besonders ärgerlich waren Geschäftsordnungsdebatten, die man schlicht weg nicht hätte führen müssen, weil es nun mal eine feststehende Geschäftsordnung gibt, an die wir uns in der Enquete-Kommission auch halten müssen. Es ist nämlich ein wesentlicher Bestandteil von Demokratie, dass man sich an Spielregeln hält, gerade auch dann, wenn sie einem nicht immer gefallen.
Wie ernst es die Enquete-Kommission mit der Beteiligung der Öffentlichkeit als 18. Experten meint, wurde bei der Diskussion des Online-Konzeptes deutlich. Beispielhaft sei hier das geplante Blog erwähnt, in dem jeder ohne vorherige Anmeldung seine Meinung platzieren kann. Das ist eine Grundlage, die deutlich Luft nach oben bietet.
Weitere Beteiligungselemente, wie zum Beispiel die Möglichkeit Fragen für die öffentlichen Anhörung einzureichen, wurden von Sachverständigen jedoch zerredet und werden für die Anhörung am 5. Juli wohl nicht zur Verfügung stehen. Schon verwunderlich, dass netzaffine Sachverständige den “18. Sachverständigen” mit diesem Verhalten aussperren. Der Kollege von Notz hat auch schon darauf hingewiesen – wenn auch etwas freundlicher formuliert.
Dass die Sitzungen öffentlich per Live-Stream übertragen werden, ist eine gute Sache. Die Projektgruppen hingegen sollen zunächst hinter verschlossenen Türen tagen. Inwieweit es dabei bleibt, werden wir sehen. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass wir am Ende in der Sache quer über den Tisch streiten und sich vielleicht überraschende Koalitionen ergeben.
Dennoch: Am Ende des Tages kann man mit dem Auftakt zufrieden sein. Mit den Projektgruppen, die nach und nach alle Themen abarbeiten sollen, ist nun eine Arbeitsform gefunden worden, die jedem die Möglichkeit gibt, sich einzubringen. Spannend wird lediglich sein, welches Durchhaltevermögen alle Mitglieder der Enquete-Kommission aufbringen, wenn die Arbeit läuft und wir uns durch den Berg von Themen durchkämpfen. Das bleibt abzuwarten. Starten werden wir mit den Themen Netzneutralität, Datenschutz und Urheberrecht. Für mich habe ich darüber hinaus drei Themen notiert, die mich besonders interessieren:
- Soziologie 2.0 – Wie verändert das Internet das Denken, den Menschen und gesellschaftliche Strukturen?
- Das weltweite Dorf – Die Folgen des Internets für das Leben im ländlichen Raum
- Wer hat die Macht? – Neue Formen der politischen Partizipation durch das Web 2.0
In den jeweiligen Projektgruppen werde ich mich intensiver diesen und allen damit zusammenhängenden Fragen widmen. Meine Begeisterung für das Thema werde ich mir bewahren und da bin ich dann hoffentlich nicht der einzige.
In E-Mails, Gesprächen und Blogs registriere ich, dass es weit über die selbsternannte Netzavantgarde von Piraten und professionellen Bloggern hinaus ein sehr großes Interesse und Begeisterung für das Thema gibt. Dieses Interesse gilt es wachzuhalten. Auch das ist eine Aufgabe der Enquete-Kommission und jeder Experte, jedes Mitglied muss sich fragen, was er persönlich dazu beiträgt. Darum hoffe ich, dass sich stundenlange Debatten über Formalitäten und Geschäftsordnungen nicht wiederholen. Vor allem nicht, wenn die Enquete-Kommission öffentlich tagt. Das wäre beängstigend.