Streit um Nebenverdienste: Was verdienen Abgeordnete und was bekommen sie?
Aktuell ist der Nebenverdienst von Abgeordneten in der Diskussion. Auslöser waren die nicht unerheblichen Summen, die der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kassiert hat.
Es gibt im Sozial- und Arbeitsrecht eine Fülle von Hinzuverdienstgrenzen und ähnliches. Jedes Einkommen, dass über dieser Grenze liegt wird mit der Sozialleistung, der Rente oder mit dem Arbeitslohn verrechnet. Vergleichbares gibt es auch beim Übergangsgeld für ehemalige Bundestagsabgeordnete, ab dem zweiten Monat nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag werden alle Erwerbs- und Versorgungseinkünfte in voller Höhe auf das Übergangsgeld angerechnet. Interessant ist, dass bspw. bei der Annahmeverzugsvergütung nach § 615 S. 2 BGB derjenige Verdienst des Arbeitnehmers anrechnungspflichtig ist, den er durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt, die er dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen verpflichtet war. Also ist solcher Zusatzverdienst anzurechnenden, der durch das Freiwerden der Arbeitskraft erzielt worden ist.
Bundestagsabgeordnete sind keine Arbeitnehmer im klassischen Sinne. Die Freiheit des Mandats ist ein hohes Gut, aber wir haben sehr wohl einen Arbeitgeber: die Wählerinnen und Wähler, die uns für vier Jahre nach Berlin gewählt haben (und auch die, die uns nicht gewählt haben). Abgeordnete werden daher mit Abgeordnetenentschädigungen so finanziell ausgestattet, dass ihre Unabhängigkeit und die Ausübung des Mandats sichergestellt sind. Manche finden die „Diäten“ zu hoch, andere wiederum zu niedrig. Das wird wohl auf Dauer ein Streitpunkt bleiben.
Die Frage der Nebentätigkeiten und damit verbunden weiterer Einnahmen stellt sich aktuell anhand eines prominenten Beispiels: Wenn nun bspw. der Abgeordnete Peer Steinbück an 26 namentlichen Abstimmungen nicht teilgenommen und in der 17. Wahlperiode nur vier Reden im Plenum gehalten, dafür aber 80 vergütete Vorträge gehalten hat, so muss man davon ausgehen, dass der Abgeordnete Steinbrück seine Arbeitskraft eher in die Tätigkeit als bezahlter Redner investierte als in die Tätigkeit als frei gewählter Abgeordneter. Hinzu kommt, dass er diese Nebentätigkeit nur aufgrund seines Abgeordnetenmandats bzw. seiner Funktion als ehemaliger Finanzminister ausüben kann. Die Privatperson Peer Steinbrück alleine würde wohl keine Hallen füllen. Und hier ist auch ein Unterschied zu dem Abgeordneten, der „nebenher“ sein Familienunternehmen, seine Kanzlei oder seinen landwirtschaftlichen Betrieb weiterführt, weil er nach seiner politischen Tätigkeit wieder in seinen eigentlichen Beruf zurückkehrt.
Darum halte ich auch nichts von der populistischen Forderung, Abgeordneten Nebeneinkünfte vollständig zu untersagen. Wer das fordert, der will, dass künftig nur noch Beamte und Laufbahnpolitiker im Parlament sitzen. Quereinsteiger und Menschen, die das Mandat von vornherein nur für eine oder zwei Legislaturperioden ausüben wollen, um dann wieder in ihren eigentlichen Beruf zu wechseln, wird es dann wahrscheinlich im Parlament gar nicht mehr geben. Sascha Raabe (SPD), der sich selbst als designierter Entwicklungshilfeminister sieht, hatte das gefordert. Wenn er Nebeneinkünfte untersagen will, bedeutet das dann auch, dass Abgeordnete keine Bezüge als Minister oder Staatssekretäre beziehen dürfen? Schade, dass er dazu nichts gesagt hat.
Zwei aktuelle Forderungen halte ich aber für richtig. Erstens spricht nichts dagegen, die Nebeneinkünfte noch transparenter zu machen. Ich selbst habe weitere Einkünfte nur aus meinem Mandat als Kreistagsabgeordneter des Main-Kinzig-Kreises, für dessen Ausübung ich eine monatliche Aufwandsentschädigung von circa 230 Euro erhalte, und aus meinem Lehrauftrag am Historischen Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität. Dort biete ich jedes Wintersemenster eine Lehrveranstaltung an. jede Unterrichtsstunde wird mit 30,00 Euro vergütet. Durchschnittlich hat jede Lehrveranstaltung einen Umfang von 20-24 Semesterwochenstunden. Soviel zu mir.
Zweitens sollte man darüber nachdenken, die Nebeneinkünfte von Abgeordneten m.E. ab einer bestimmten Höhe mit den Abgeordnetenentschädigungen der Bundestagsabgeordneten zu verrechnen. So könnten zum Beispiel Nebeneinkünfte in Höhe von 200.000 Euro (das ist hier eine von mir beliebig eingesetzte Zahl) frei sei und jeder Euro darüber hinaus wird mit der „Diät“ verrechnet. Auf jeden Fall finde ich es richtig, dass Politiker, die Dinge, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Ihrer Abgeordnetentätigkeit stehen, offen und transparent darlegen.
Nachtrag (8.11.12): Einige Zahlen zu Peer Steinbrück sind heute nicht mehr aktuell. Grundsätzlich ist mir bei aller berechtigter Forderung nach Transparenz wichtig, auf einen Punkt hinzuweisen. Ich bin nicht der Meinung, dass ein Abgeordneter Nebeneinkünfte auf den Cent genau offenlegen muss, wenn sie nichts mit dem Mandat zu tun haben. Warum soll ein mittelständischer Unternehmen oder Landwirt, der für vier Jahre im Parlament sitzt, diese Einnahmen, die er u.U. auch während der Parlamentszugehörigkeit hat bis auf jeden Cent veröffentlichen? Da reicht das Stufenmodell vollständig. Wer das anders sieht, der wird ähnlich wie durch ein komplettes Verbot von Nebentätigkeiten am Ende ein Parlament haben, in dem nur noch Beamte sitzen.