Was ich unter einem „fairen“ Urheberrecht verstehe

Immer wieder hohe Wellen schlägt die Debatte um ein Urheberrecht, dass den Veränderungen der digitalen Gesellschaft gerecht wird. Dabei prallen grundsätzliche Auffassungen aufeinander, die der Wirklichkeit aus meiner Sicht jeweils nicht gerecht werden. Es wird gerne das folgende Bild gezeichnet: Auf der einen Seite stehen diejenigen, die im Falle digitaler Urheberrechtsverletzungen am liebsten sofort den Internetzugang sperren möchten und die jugendlichen Triebtäter, die einer verfrorenen Kostenlosmentalität frönen, durch den harten Zwang eines wie auch immer gearteten Arbeitslagers zur Räson bringen wollen. Dem stehen die fröhlich ein Lied singenden, stets nur Freiheit und Bürgerrechte im Sinn habenden Vorkämpfer einer gerechten Gesellschaft gegenüber, die ja niemandem etwas böses wollen und einer neuen Kultur das Wort reden, in der das so genannte geistige Eigentum kostenlos allen zur Verfügung steht und natürlich Künstler und Kulturschaffende, Autoren und Musiker trotzdem überleben werden, denn via einer Kulturflatrate oder freiwilligen Gaben findet jeder ein Auskommen. Ganz klar auf wessen Seite man steht, oder?

Ich gebe zu, ich habe in beide Richtungen etwas überzeichnet und bevor sich jetzt alle Seiten aufregen oder missverstanden fühlen: diese dogmatischen Grabenkämpfe sind mir ein Gräuel – nicht zuletzt, weil sie aus meiner Sicht am Kernproblem vorbeigehen und dem Problem nicht gerecht werden.

Worum geht es? Das Urheberrecht ist in Deutschland bisher nicht in der digitalen Zeit angekommen. Es ist für den Nutzer weder verständlich, noch für den Juristen nachvollziehbar – was die Urheberrechtsverletzungen eines namhaften Rechtspolitikers ja eindrucksvoll bestätigen. Eine Rechtsnorm muss aber neben allen juristischen Details wenigstens in ihrem Prinzip verstanden werden können, sonst wird es schwer mit der allgemeinen Akzeptanz in der Gesellschaft. Und noch wichtiger: eine Rechtsnorm darf nicht diejenigen benachteiligen, die sich daran halten und diejenigen bevorzugen, die sie brechen. Genau das ist aber im für den durchschnittlichen Nutzer häufigsten Anwendungsfall des Urheberrechts der Fall!

Ich rede von dem Recht auf eine Privatkopie. Es ist mir beispielsweise nicht erlaubt, einen Film, den ich auf einer Blue-Ray erworben habe, zu kopieren, um ihn auf meinem tabloid-PC oder vielleicht auf dem DVD-Spieler am Weihnachtsabend zu Hause mit Eltern und Geschwistern zu schauen. Was für eine Regelung ist das denn? Warum soll ich mir einen Film kaufen, den ich nicht wann und wo ich will anschauen kann? Das hat auch nichts mit der Wahrung der Rechte der Filmindustrie zu tun, sondern schränkt mich auf eine aus meiner Sicht nicht erträglichen Art und Weise ein.

Oder wie ist das mit E-books? Das normale Buch kann ich bei Ebay weiterverkaufen oder an Freunde verleihen. Warum kann ich das nicht auch mit einem E-book ohne Probleme tun? Ich höre schon den Aufschrei der Verlage. Das auch das echte Buch nach der dritten Ausleihe nicht appetitlicher aussieht ist klar. Der Endlosschleife bei der Weiterveräußerung von E-books könnte man den Riegel vorschieben, in dem jedes Buch nicht beliebig weiter verkauft werden kann. Entsprechend würde der Wert des „gebrauchten“ E-books sinken. Ähnliches gilt für den Verleih. Es wäre technisch völlig unproblematisch mit dem Kauf des E-books auch die Möglichkeit zu verknüpfen, das Buch zehnmal zu verleihen. Und während der Verleihzeit ist es dann natürlich auf dem eigenen Reader nicht lesbar. Der Nutzer profitiert von einer solchen Regelung, die eine Annäherung der digitalen an die analogen Regelungen bedeuten würde. Dass die Verlage dabei Schaden nehmen würden, kann ich nicht recht glauben.

Ein weiteres Beispiel: die Karikatur aus der Tageszeitung hat mir ausgesprochen gut gefallen und zwar so gut, dass ich gerne meine Freunde auf Facebook daran teilhaben lassen möchte. Ich kopiere also die Karikatur von der Internetseite der Tageszeitung und poste sie auf meinem Profil. Und schon habe ich eine Urheberrechtsverletzung begannen. Dieses tägliche Ereignis und der damit verbundene Rechtsbruch sind den meisten „Übeltätern“ gar nicht bewusst. Die spannende Frage ist, ob hierbei ein Schaden entstanden ist. Ich behaupte nein – vielleicht ist sogar das Gegenteil passiert. Ich habe meine Freunde darauf aufmerksam gemacht, wie treffend in der Zeitung ein politisches Ereignis auf die Schippe genommen worden ist. Im Zweifel kaufen sie künftig die Zeitung oder schauen sogar öfters nach Karikaturen bzw. Büchern des entsprechenden Zeichners. Um es deutlich zu machen: damit rechtfertige ich nicht, dass Kopieren von Texten und Aufsätzen von Journalisten, Autoren und Bloggern, um damit Geld zu verdienen. Ich denke, der Unterschied in beiden Vorgängen liegt auf der Hand!

Für genau solche Fälle brauchen wir ein Urheberrecht, das der digitalen Zeit gerecht wird. Der Blick auf die andere Seite des großen Teichs und das im dortigen Urheberrecht verankerte fair-use-Prinzip könnte ein Lösungsansatz sein. Dabei geht es nicht darum, die Rechte von Verlagen, Musik- und Filmindustrie zu beschneiden oder abzuschaffen. Aber es geht darum, einen gerechten Ausgleich zwischen den Nutzern auf der einen Seite und den Inhalteanbietern und Produzenten auf der anderen Seite zu erreichen. Ich unterstütze daher die Initiative www.faires-urheberrecht.de und bin gespannt, wie die Debatte weitergeht. Der Wirtschaftsrat der CDU hat sich bereits positiv bezüglich eines solchen Ansatzes geäußert (http://tinyurl.com/cjorda7). Das lässt hoffen.

9 Kommentare zu “Was ich unter einem „fairen“ Urheberrecht verstehe

  1. Hallo, schöner Blogeintrag und passt soweit. Ich als Besitzer eines „privaten Kinos“ (Kinoraum im Keller mit 3m breiter Leinwand und 13 echten Kinosesseln auf 3 Ebenen (ja ich liebe Kino)) fühle mich immer gegängelt und veräppelt das ich nicht so ohne weiteres meine BR’s mal auf das NAS überspielen kann um so die ultimative Movie Jukebox für das Heimkino zu bauen. Auch frage ich mich was aus meinen Schätzen wird die mit DRM zwangsgesichert sind (itunes und PS3/xbox360 digital Einkäufe) wenn die Firmen mal keine Lust mehr haben ihre DRM Server laufen zu lassen – da kommt noch ein großes Erwachen auf uns zu.
    Allerdings sollen wir die USA nicht zu sehr als Vorbild nehmen – wenn man sieht wie mächtig die Filmlobby ist und sogar EU Bürger, die in der EU leben demnächst in die USA „ausliefern“ lässt, wird mir um die Zukunft der Welt Angst und Bange. Siehe: http://www.bbc.co.uk/news/uk-england-south-yorkshire-16544335

  2. Klar entsteht einer Zeitung ein Schaden wenn das Bild von einer Internetseite kopiert und auf Facebook veröffentlicht wird: Werbeeinnahmen gehen verloren.
    Ein Link auf die Internetseite hätte wohl gereicht und es käme auch der Zeitung zugute.
    Vielmehr ist es hier wichtig eine Gesetzesgrundlage für Thumbnails zu schaffen. Thumbnails sind ein wichtiger Teil eines Internets geworden und sollten (jedenfalls bis zu einer gewissen Auflösung) erlaubt sein. Genau so muss gewährleistet sein, dass eine kurze Einleitung eines Artikels für einen Links zitiert werden dürfen, wobei das schon das bestehende Urheberrecht abdecken sollte.
    Bilder für nicht gewerbliche Kopien frei zugeben halte ich dagegen als einen falschen Weg.

    Man kann von einem Verlag auch nicht verlangen, dass digitale Medien frei weiter verkauft werden dürfen. Das würde einen enormen Aufwand bedeuten (ein zentrales DRM-System) und letztendlich auch den Anwender einschränken.
    Es wird in Zukunft mit Sicherheit auch neue Vertriebsformen geben, die einen Weiterverkauf von digitalen Medien unnötig macht.
    Vielmehr sollte man hier überlegen, inwieweit die Buchpreisbindung in die moderne Zeit passt und inwieweit diese gelockert werden muss.

    1. Das Argument mit dem Link kann man eingeschränkt gelten lassen. Facebook zeigt beim Setzen eines Links allerdings das Bild auf das man verlinkt schon an – zumindest in kleinerer Auflösung. Insofern bleibt das „Problem“ bestehen. Dem anderen Einwand kann ich überhaupt nicht folgen. Wenn ich ein Buch kaufe, dann kann ich es a) beliebig oft verleihen (und in dem Moment selbst nicht lesen) und b) es auch weiterverkaufen. Warum soll das mit einem Ebook nicht auch funktionieren? Zumindest der Verleih eines Ebooks funktioniert bei Amazon in den USA reibungslos. In dem Moment wo ich das Ebook verleihe ist es auf meinen eigenen Ebookreader gesperrt (für die Dauer des Verleihs). Wir können darüber reden, wie oft ein digitales Buch verliehen werden kann – die gedruckten Bücher werden ja auch nicht besser je öfters man sie verleiht – auch um den Interessen der Verlage Rechnung zu tragen, aber es auszuschließen halte ich für nicht in Ordnung.

      1. Wegen dem zusätzlichen Bild, welches Facebook einfügt erwähnte ich auch, dass es eine Regelung für Thumbnails braucht.

        Was Ebooks betrifft finde ich es falsch, wenn der Staat vorschreibt wie Bücher vertrieben werden sollen. Ebooks sind ein neues Medium, welches man nicht wirklich mit einem Buch aus Papier vergleichen kann. Wie stark ein Buch altert hängt ja auch nicht nur davon ab, wie häufig es gelesen wurde, sondern auch ob Notizen ins Buch gemacht wurde oder wie sorgsam mit dem Buch umgegangen wird. Das alles auf ein Ebook zu übertragen sehe ich als schwierig an. Ein Ebook ist im Prinzip nur noch Inhalt. Deshalb fände ich es besser, wenn die Buchpreisbindung gelockert wird, um dem Markt die Möglichkeit zu geben eine Richtung zu finden. Dann können Amazon, Google oder Apple Vertriebsmöglichkeiten aushandeln und anbieten. Warum nicht auch einen Rückkauf von Büchern.

  3. Der Beitrag ist gut und interessant. Ich sehe das Thema ganz ähnlich. Aber ich hätte eher eine grundlegende Kritik: Das Internet basiert auf Links und deshalb sollte man diese auch setzen. Warum sind die beiden URLs nicht verlinkt? Versehen oder Absicht?

    Jan

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