Der Schriftführer

Einer meiner größten Fehler ist, dass ich nicht so gut „nein“ sagen kann. Darum habe ich auch „ja“ gesagt, als mich ein Abgeordnetenkollege gefragt hat, ob ich nicht an seiner Stelle das Amt eines Schriftführers übernehmen könne. Er habe gesundheitliche Probleme. Jetzt bin ich also auch noch Schriftführer. Jeder kennt die jeweils zwei meist mit regungslosem Gesicht attestierenden Abgeordneten, die neben dem amtierenden Bundestagspräsidenten in der Plenarsitzung sitzen.

Doch was machen diese Schriftführer eigentlich? Die Aufgabe ist relativ schnell umrissen. Der linke Schriftführer erstellt die Rednerlisten für die Tagesordnungspunkte. Oft sieht man daher auch die jeweiligen parlamentarischen Geschäftsführer nach vorne gehen. Meist wird dann noch ein Redner ausgetauscht oder die Redezeit innerhalb einer Fraktion neu verteilt. Für diese Punkte ist der linke Schriftführer zuständig. Der vom Präsidium aus gesehen rechts sitzende Schriftführer führt hingegen die jeweilige Rednerliste. Er notiert die Dauer der jeweiligen Rede und die für die Fraktionen verbleibende Redezeit. Außerdem vermerkt er Kurzinterventionen und Zwischenfragen der Abgeordneten. Auch notiert er Wortmeldungen und im Zweifel unterstützen die Schriftführer den Bundestagspräsidenten auch, wenn es bei Zwischenrufen darum geht festzustellen, ob diese „unparlamentarisch“ und damit zu rügen sind.

Beide Schriftführer unterstützen den Bundestagspräsidenten aber auch, wenn es darum geht, die Mehrheitsverhältnisse im Plenum festzustellen. Sobald Schriftführer und Präsident hierüber kein Einvernehmen herstellen können, kommt es zum so genannten „Hammelsprung“, bei dem alle Abgeordneten den Plenarsaal verlassen müssen, um dann durch drei Türen, die mit der Überschrift „Ja“, „Nein“ und „Enthaltung“ versehen sind, wieder in den Saal hineinzugehen. Dabei werden die Abgeordneten gezählt, um die Mehrheit festzustellen. Auch hier wirken dann die Schriftführer mit.

Vor allem ist dieses Amt aber zeitraubend. Auch wenn man in der Regel nur vier Stunden – jede „Schicht“ dauert zwei Stunden – Dienst hat, so sind das eben vier Stunden, die für andere Termine und Aufgaben fehlen. Ich hatte bis jetzt meist in den Randzeiten Dienst. Mein erster Dienst begann um 21.00 Uhr und endet mit dem Plenum um kurz nach 23.00 Uhr. Der letzte Dienst am vergangenen Freitag fand in der Mittagszeit statt. Die erste Herausforderung, die ich dabei zu bewältigen hatte, war, dass ich eigentlich während meines Dienstes von meiner Fraktion für eine Rede eingeteilt war. Zum Glück fand sich ein Kollege, der für diese Zeit meine Vertretung im Präsidium übernahm.

Am Ende verrate ich an dieser Stelle übrigens noch ein kleines „Staatsgeheimnis“. Der Bundestagspräsident trinkt zwar dasselbe Wasser wie die Schriftführer und die Redner im Plenum, doch sein Wasserglas, das direkt neben der großen alten Glocke steht, die er im Zweifel bei Tumult oder Unruhe im Saal benutzt, steht auf einem gehäkelten Untersetzer aus schwarz-rot-goldener Wolle. Der Würde des hohen Hauses sozusagen angemessen. Sie glauben das nicht? Hier der Fotobeweis!

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