Der Regulierer im eigenen Haus erspart das Gesetz

Nach dem gescheiterten Jugendmedienschutzstaatsvertrag gibt es nun diverse Anläufe, dass Thema Jugendschutz im Internet neu auf die Tagesordnung zu setzen. Das Ansinnen ist löblich, denn in der Tat gilt es Kinder und Heranwachsende davor zu bewahren, sich das eine oder andere „Unschöne“ im Netz anzusehen oder damit konfrontiert zu werden. Die Frage ist aber zunächst einmal, mit welchem Ziel das geschieht. Wenn der Anspruch ist, Kinder und Jugendliche von allem fern zu halten, was einen schlechten Einfluss ausüben könnte, dann wird diese Form des Jugendschutzes kläglich scheitern. Trotz aller Gewaltprävention lässt sich schließlich auch nicht jede Schulhofschlägerei verhindern und ganz ehrlich – Kinder und Jugendliche darauf vorzubereiten, dass es im Leben nun mal oft nicht gerecht zu geht, sondern dass es Unbill und Ärgernisse gibt, denen man sich stellen muss – auch das ist etwas, dass Kinder lernen müssen. Entscheidend ist also nicht, Kinder von der Lebenswirklichkeit abzuschotten (und das gilt auch für das Internet), sondern sie dabei zu begleiten, wenn sie das Internet für sich entdecken.

Das hierzu notwendige Stichwort ist „Medienkompetenz“. Es ist daher wichtig, dass die Enquete-Kommission diesem Thema eine eigene Projektgruppe unter der Leitung von Thomas Jarzombek gewidmet hat. Deutlich ist bei den konstruktiven Diskussionen geworden, dass Medienkompetenz unter dem speziellen Gesichtspunkt des Internets eine Querschnittsaufgabe ist. Keineswegs geht es nur darum, Heranwachsende zu begleiten und ihnen das Handwerkszeug zu vermitteln, um sich im Netz sicher und selbstbestimmt bewegen zu können. Gleiches gilt nämlich für Pädagogen aber vor allem auch für Eltern. (Nebenbei bemerkt: auch politische und gesellschaftliche Entscheidungsträger müssen ein Mindestmaß an Medienkompetenz mitbringen, wenn sie sich mit netzpolitischen Fragen befassen.) Daraus folgt, dass Medienkompetenz auch eine permanente Aufgabe ist und man mit Blick auf den Jugendschutz nur schwerlich einen Zustand erreichen wird, bei dem Politiker ein Gesetz machen und man sich dann entspannt zurück lehnen kann. So wird das nicht funktionieren.

Unter dem Gesichtspunkt des Jugendschutzes springt daher aus meiner Sicht der Ruf nach gesetzli-chen Regelungen viel zu kurz. Auch die Selbstregulierung von Inhalteanbietern im Netz, die analog zur Filmindustrie diskutiert wird, kann nur ein weiterer Baustein sein. Das Internet führt uns hier deutlich die Begrenztheit staatlicher Eingriffsmöglichkeiten vor Augen, wenn wir in einem Abwä-gungsprozess von Jugendschutz und staatlicher Regulierungsmöglichkeiten nicht Freiheitsrechte im Internet beschneiden wollen. Meine Position ist klar: ich will das nicht und bin deswegen auch ein erklärter Gegner von Netzsperren (was natürlich nicht einem Freibrief zur Verbreitung illegaler Inhalte im Netz gleichkommt).

Wenn man von der unzureichenden Möglichkeit staatlicher Regulierung im Jugendschutz mit Blick auf das Internet überzeugt ist, dann muss der Blick zweifelsfrei auf die Eigenverantwortung des Einzelnen fallen. Es ist bezeichnend, dass viele Eltern nach der Politik rufen, um unliebsame Inhalte aus dem Internet zu verbannen, aber viel zu wenige Mamis und Papis sich einmal daheim hinsetzen, um die oft kostenlose Jugendschutzsoftware auf dem heimischen Rechner zu installieren. Und es wäre fahrlässig, wenn die Politik weiter den Eindruck vermittelt, sie könne dieses Problem den Eltern abnehmen. Das entledigt den Staat nicht einer gewissen Fürsorge, die aber nur darin bestehen kann, Eltern und Pädagogen das notwendige Werkzeug in die Hand zu geben, um den Jugendschutz zu gewährleisten. Darauf haben Eltern und Pädagogen durchaus einen Anspruch. Dann sind sie aber auch selbst gefragt! Neben der Frage guter Software im Bereich des Jugendschutzes sind Eltern nämlich aufgefordert, mit den Sprösslingen das Gespräch zu suchen und darüber zu reden, was sie da im Internet gesehen haben. Machen wir uns nichts vor: es gibt sicherlich angenehmere Gespräche als mit dem eigenen Nachwuchs über Pornografie und Gewalt sowie politischen Extremismus im Netz zu sprechen. Auch hier kann der Staat ihnen die Erziehungskompetenz kaum abnehmen, sondern allenfalls durch geschultes Personal in Betreuungseinrichtungen und Schule Hilfestellungen geben. Ansätze gibt es vielfältige – wie beispielsweise die Schulungsmaßnahmen der Heraeus-Bildungsstiftung im Bereich social media für Lehrerinnen und Lehrer.
Ich bleibe aber bei der Überzeugung: Der Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen zu Hause geht den Staat aber nichts an. Hier sind die Eltern gefragt. Und wer wieder nach staatlicher Regulie-rung ruft: jedes Kind hat zwei Regulierer zu Hause. Ein so hohes Maß an staatlicher Aufsicht wäre gar nicht zu leisten.

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