Präimplantationsdiagnostik

Am Donnerstag wird im Deutschen Bundestag erstmals beraten, ob die sog. Präimplantationsdiagnostik (PID) zugelassen oder verboten werden soll. Was sich zunächst einmal sperrig anhört, bewegt nicht nur mich, sondern auch eine große Anzahl von Menschen im Main-Kinzig-Kreis. Bei nur wenigen Themen hat mich eine vergleichbare Anzahl von Zuschriften erreicht. Ich wurde größtenteils dazu aufgefordert, für ein Verbot der PID zu stimmen und in meiner Fraktion für ein solches Abstimmungsverhalten zu werben. In der Tat handelt es sich bei dieser Abstimmung um eine sog. Gewissensentscheidung. Es gibt keine einheitliche Meinung innerhalb der Fraktionen und schon gar nicht eine Vorgabe, wie die Abgeordneten abzustimmen haben. Auch die vorliegenden Gesetzesentwürfen werden von Abgeordneten quer durch alle Fraktionen unterstützt oder abgelehnt.

Aber um was handelt es sich bei der PID eigentlich? Mit der PID ist es möglich, künstlich erzeugte Embryonen vor der Übertragung in die Gebärmutter einer Untersuchung auf Krankheiten oder genetische Defekte zu unterziehen. Liegt ein genetischer Defekt vor, kann der Embryo von der Übertragung in die Gebärmutter ausgeschlossen werden. Ob ein solches Verfahren und der Umgang mit dem menschlichen Leben aus moralischer und ethischer Sicht vertretbar ist, ist in allen Bundestagsfraktionen heftig umstritten.

Meine ganz persönliche Entscheidung steht in diesem Zusammenhang schon seit einiger Zeit fest. Nach reiflicher Überlegung habe ich mich entschlossen, für ein Verbot der PID zu stimmen. Eine Zulassung der PID ist für mich moralisch bedenklich: Darf der Mensch tatsächlich über Leben verfügen und eine Selektion in „lebenswert“ oder „lebensunwert“ vornehmen? Kann der Mensch überhaupt abschätzen, wie sich Krankheiten entwickeln und ob sie in der Zukunft nicht vielleicht doch heilbar sind? Ist das Aussortieren eines Embryos nicht die stillschweigende Akzeptanz des Tötens von Leben im frühesten Stadium seiner Existenz?

Schon seit der Antike werden diese Fragen streitig diskutiert. Bereits damals wurde zwar die Selbsttötung und die Hilfe zum Tod nicht unbedingt als verwerflich angesehen, das Verbot der ärztlichen Hilfe zu Tötungshandlungen entsprach jedoch einem allgemein anerkannten und verbindlichen moralischen Grundsatz. Besonders der christliche und jüdische Einfluss auf unsere Gesellschaft hat dazu geführt, dass ein Bewusstsein entstanden ist, dass nur Gott über das Leben verfügen darf und nicht die Menschen. Dies hat sich nach unserer Ansicht bis heute nicht verändert und darf es auch nicht.

Die heute diskutierte Frage nach der Zulässigkeit der Präimplantationsdiagnostik stellt sich, da der Bundesgerichtshof geurteilt hat, aus dem geltenden Embryonenschutzgesetz gehe ein Verbot der PID nicht hervor. Für eine Zulassung der PID bleibt aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Spielraum. Die Durchführung der PID an Embryos verstößt nicht nur gegen das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 unseres Grundgesetzes, sondern ebenso gegen das Diskriminierungsverbot von Behinderten nach Art. 3 Abs. 3 des Grundgesetzes und vor allem gegen die Menschenwürdegarantie aus Art. 1 Abs. 1 unserer Verfassung.

Bereits 1975 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Recht auf Leben schon vor der Geburt beginnt. Ein Embryo ist dabei ein Mensch im frühesten Stadium seiner Existenz. Folge der PID ist, dass einem kranken oder behinderten Kind das Recht auf Leben schon vor der Geburt verwehrt wird. Der in Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG verankerte Gleichheitsgrundsatz enthält einen Zusatz, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden darf. Die Präimplantationsdiagnostik hat den Zweck, Embryos nach Krankheiten oder Behinderungen zu untersuchen und eine Übertragung in die Gebärmutter zu verhindern. Es findet somit eine gezielte Ungleichbehandlung zwischen lebenswertem und vermeintlich lebensunwertem Leben statt. Art. 1 Abs. 1 unseres Grundgesetzes enthält zudem das Verbot, einen Menschen wie eine Sache zu behandeln. Die Würde des Menschen beschreibt gerade seinen Anspruch auf die Achtung allein aufgrund des Menschseins. Wenn im Rahmen der PID der menschliche Embryo einer Selektion unterworfen wird, so wird der Embryo nicht mehr als Subjekt sondern lediglich als Objekt behandelt.

Die dargelegten verfassungsrechtlichen Bedenken lassen für mich nur einen Schluss zu: Ein ausdrückliches und umfassendes Verbot der PID muss beschlossen werden.

5 Kommentare zu “Präimplantationsdiagnostik

  1. Der Verfasser sowie die meisten Gegner der PID verkennen, dass es bei manchen Paaren nicht darum geht, zu entscheiden ob man ein behindertes Kind bzw. ein Kind ohne Gendefekt bekommen will oder nicht. Es gibt auch Paare, bei denen es ohne PID gar nicht so weit kommt! Der Embryo geht auf Grund der schwerwiegenden Behinderungen schon im Anfangsstadium der Schwangerschaft zu Grunde! Sollen diese Menschen, die an so einem schweren Chromosomendefekt leiden, gar kein Recht auf ein eigenes Kind haben? Meine Schwester zB würde sogar ein behindertes Kind auf die Welt bringen! Leider ist es ihr verwehrt, in dieses Stadium überhaupt zu gelangen, da bisher alle befruchteten Embryonen auf Grund des schwerwiegenden Chromosomendefekts ihres Mannes vorher abstarben! Was sagen Sie zu solchen Paaren? Diese wollen NICHT über menschen(un)würdiges Leben entscheiden sondern über Leben überhaupt! Und das ist bei diesen wenigen Menschen nur durch PID möglich! Also bevor sie sich für ein vollständiges Verbot von PID aussprechen, berücksichtigen Sie bitte auch ALLE Aspekte!

  2. Nachtrag: Es heißt natürlich „transferiert“ statt „implantiert“.

    Zusätzlich gebe ich zu bedenken, dass 1995 (unter einer schwarz-gelben Regierung) § 218a StGB geändert wurde. Der Schwangerschaftsabbruch mit embryopathischer Indikation gilt seitdem nicht mehr als Straftat gegen das Leben, die 24. Woche (!) seitdem nicht mehr als zeitliche Grenze. D.h. lt. deutscher Gesetzgebung können Mütter bei medizinischer Indikation straffrei einen Embryo mit „Herz, Hirn und Seele“ töten.

    Die PID zuzulassen könnte in vielen Fällen verhindern, dass werdende Mütter vor eine so unglaublich schwerwiegende Entscheidung gestellt werden. Und noch einmal: Bei PID in der Petrischale ist der Embryo ein Acht- oder Sechzehnzeller bzw. befindet sich maximal im Morula-Stadium.

  3. Sehr geehrter Herr Tauber,
    wie viele Kollegen entscheiden Sie – meines Erachtens – in diesem Fall mit Scheuklappen, da Sie die Aufmerksamkeit nur auf die PID nicht jedoch auf Künstliche Befruchtung insgesamt richten.
    Bei den meisten ‚Zyklen‘ einer künstlichen Befruchtung werden mehr Embryonen gezeugt, als – nach deutschem Gesetz – der behandelten Frau anschließend implantiert werden können. Die überzähligen Embryonen werden ‚verworfen‘ – man könnte auch sagen „weg geworfen“, sofern nicht das behandelte Paar die Kosten für eine Lagerung („Einfrieren“) selbst trägt. Viele Paare nehmen dies aus unterschiedlichen Gründen auf sich: Erstens, weil sie kein Leben wegwerfen möchten, zweitens, weil sie der behandelten Frau einen weiteren Behandlungszyklus ersparen möchten.
    Die Tatsache, dass die Kosten NICHT von den Kassen (auch nicht von den Privaten) getragen werden, zeigt meines Erachtens die Verlogenheit der PID-Debatte: Bei der Entscheidung kranker/gesunder Embryo ist das Verwerfen ethisch untragbar, bei überzähligen gesunden Embryos nicht?!
    Bei PID möchten Sie ‚dagegen‘ stimmen, weil hier vermeintlich ’selektiert‘ wird. Bei jedem Zyklus einer ’normalen‘ künstlichen Befruchtung werden ebenfalls diejenigen Embryonen ausgesucht, die sich am Besten entwickelt haben, die anderen – wie oben erwähnt – in vielen Fällen ‚verworfen‘.
    Ich selbst habe ‚meine Embryonen‘ damals unter dem Mikroskop gesehen – es waren 8- und 16-Zeller. Keine süßen Babys. Kein Gehirn, kein Herz. Ironie des Schicksals: Letztlich betrachteten die Embryonen mich und meinen Körper wohl als ‚unwert‘, ihre Mutter zu werden. Jedenfalls erblickten sie nie das Licht der Welt.
    Da bei künstlicher Befruchtung und jetzt bei PID die Politik bzw. jeder einzelne von Ihnen über eine tragfähige Gesetzesgrundlage entscheiden muss, hat die emotionale Haltung von Betroffenen wenig Aussagewert und solche Betroffenen müssen tolerieren, dass in einer Demokratie unsere demoktratisch gewählten Vertreter und nicht wir selbst bestimmen.
    So lange PID in Nachbarländern weiterhin erlaubt ist, bleibt Familien mit gravierenden Erbkrankheiten ja immer noch die Reisemöglichkeit und somit weiterhin die Möglichkeit, eigene ethische Entscheidungen zu treffen.

    Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis am Donnerstag – und würde mich freuen, wenn Sie es twittern, so bald es offiziell ist. Vielen Dank, CK (und wir können gerne einmal live darüber diskutieren)

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