Ein Laptop für jeden Schüler!

Nicht nur als Mitglied der Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestags haben mich die folgenden Zahlen besonders beeindruckt: Nach einer Recherche des britischen Beratungsunternehmens „Pingdom“ wurden im vergangenen Jahr ca. 36 Milliarden Bilder auf Facebook hochgeladen und pro Tag 2 Milliarden Videos auf Youtube angeklickt. Dazu wurden nach einer Schätzung weltweit 107 Billionen E-Mails versendet. Um das zu verdeutlichen und anschaulich zu machen, möchte ich diese Zahl einmal ausschreiben: 107.000.000.000.000 E-Mails. Unvorstellbar oder?

Schon als die Shell-Jugendstudie 2010 erschienen ist, haben mich die neuen Erkenntnisse zum Thema Internet und Jugend positiv überrascht. Danach verfügen 96 % der Jugendlichen in Deutschland über einen Internetanschluss und nutzen diesen ca. 15 Stunden pro Woche für unterschiedlichste Interessen. Ganz oben im Kurs steht dabei die Nutzung sozialer Netzwerke. Über die Hälfte der Jugendlichen gaben an, mehrmals am Tag soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und Co. zu benutzen. Dabei bewegen sich viele – und nicht nur Jugendliche, sondern auch Eltern und andere – auf einem schmalen Grad zwischen Spaß und Nutzen aber eben auch zwischen Gefahren und Risiken. Eine ganz offensichtliche „Gefahr“, die aber vielen anscheinend nicht bewusst ist, ist das Preisgeben von persönlichen Daten. Bei der Studie gaben über die Hälfte der Jugendlichen an, die Privacy-Option, die ermöglicht, den Kreis der Menschen zu reduzieren, die Zugriff auf die hinterlegten Informationen haben, nicht zu nutzen. Es ist anzunehmen, dass die Zahlen bei den Erwachsenen entsprechend gleich hoch sind. Aber woher soll ich diese Funktion kennen? Und warum ist sie für mich überhaupt wichtig? Diese Frage kann nur beantworten, wer über das verfügt, was wir Medienkompetenz nennen.

Wir leben heute in einer Welt, in der wir ständig von Medien umgeben sind. Wir nutzen Medien und mediale Inhalte um uns zu informieren, um zu kommunizieren und um uns zu präsentieren. Dabei sind vor allem die elektronischen Medien zu einem zentralen Bestandteil unseres Lebens geworden, denn diese eröffnen uns ein völlig neues Spektrum an kultureller und gesellschaftlicher Teilhabe. Aber diese Medienwelt befindet sich wie nie zuvor in einem ständigen Wandel und bringt täglich neue Herausforderungen mit sich. Diese Herausforderungen zu erkennen und mit ihnen umgehen zu können, aber auch das kritische Reflektieren von Angeboten und Inhalten, beschreibt unter anderem den Begriff der Medienkompetenz. Diese Kompetenz soll darüber hinaus auch ein allgemeines, grundlegendes Wissen verschaffen; beispielweise die Bedienung von Geräten oder das strukturelle Arbeiten mit dem Internet soll Teil des Wissens über Medien beinhalten.

Aktuell suchen viele Experten der Medienbranche eine Antwort auf die Frage, wie man denn Medienkompetenz am besten erlernt? Ich persönlich glaube, dass ein wesentliches Element der selbstverständliche Umgang mit dem Computer ist. Ein wichtiger Schritt nach vorne wäre es daher, wenn alle Schülerinnen und Schüler in Deutschland (und natürlich die Lehrerinnen und Lehrer) einen Laptop zur Verfügung gestellt bekommen. In anderen Ländern gibt es solche Projekte bereits – und die Erfolge können sich sehen lassen. Neuseeland beispielsweise stellt allen Pädagogen einen Rechner zur Verfügung. So wird nicht nur gespielt, sondern Schülerinnen und Schüler können ihre Hausaufgaben und Rückfragen zur Klausurvorbereitung per Email an den Lehrer schicken. Eine tolle Sache. Die SPD hat im Zuge der Diskussion um die Hartz-IV-Reform gefordert, 7.500 Schulsozialarbeiter in die Schulen zu schicken. Für das Geld könnte man auch alle Schülerinnen und Schüler mit einem Laptop ausstatten. Eine durchaus sinnvollere Alternative zum Vorschlag der SPD wäre das und mit den 2,7 Milliarden Euro – die die Schulsozialarbeiter jährlich kosten würden – ohne weiteres mögliches.

Die Schulen haben wie keine andere Institution die Möglichkeit, Kinder von klein an schrittweise den Umgang mit Medien zu vermitteln und ihnen dabei theoretisches und praktisches Wissen im allgemeinen Lernprozess der Schule beizubringen. Hier sind aber auch die Eltern gefragt. Die Kinder können zu Hause Vieles lernen, das über den Unterricht in der Schule hinausgeht. Außerdem ist es wichtig, dass die Kinder Spaß an der Sache haben. Auch hier können die Eltern ihre Kinder unterstützen, sie aber auch bewusst vor gefährlichen Inhalten schützen und ganz nebenbei noch etwas für sich selbst über Medien lernen.

Ich denke, dass man anhand der 25 Milliarden Tweets und den 107 Billionen E-Mails die im Jahr 2010 verschickt wurden, sehen kann, dass es eine große Nachfrage nach medialer Teilhabe in der Gesellschaft gibt. Ob nun alt oder jung, erfahren oder unerfahren: jeder kann sich in der Welt der Medien zurechtfinden und seinen ganz persönlichen Nutzen daraus ziehen. Es ist Aufgabe der Politik und Verantwortung von Eltern und Pädagogen, dass die junge Generation auf diesem Weg selbstbestimmt voranschreitet und wir sie ermutigen und daran teilhaben und nicht skeptisch und ablehnend daneben stehen. Für die Zukunft unserer Demokratie und Volkswirtschaft hängt viel davon ab.

5 Kommentare zu “Ein Laptop für jeden Schüler!

  1. Ob jeder Schüler unbedingt einen eigenen Laptop braucht oder nicht, darüber kann man sicher streiten. Allerdings halte ich es schon für sinnvoll, dass es in jeder Schule PCs gibt und die Schüler einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Medium Internet beigebracht bekommen.

  2. Ich weiß nicht ob Laptops 7500 Schulsozialarbeiter ersetzen können. Denke eher nicht. Ein Computer kann nie den persönlichen Umgang mit Menschen ersetzen. Ich glaube hier sollte es nicht „entweder oder“ heißen, sondern eher ein „und“ 😉

    Ich halte es für notwendig, dass jeder Schüler einen Computer hat. In der Schule wird von den Lehrern erwartet, dass die Kinder zu Hause am Rechner arbeiten. Diejenigen die keinen eigenen Computer haben sind stark benachteiligt.
    Außerdem muss ich ihnen recht geben damit, dass man Medienkompetenz am besten lernen kann, wenn man lernt im Unterichtsalltag damit zu leben. Ein spezielles Fach Medienkompetenz wird ist da nicht genug praxisnah drauf vorbereiten.

  3. Hallo Herr Dr. Tauber,

    erstaunliche Zahlen und ich stimme Ihnen zu das unsere Kinder so früh wie möglich Medienkompetenz lernen sollten. Natürlich gehört dazu eine entsprechende Infrastruktur in den Schulen, ein Unterricht der die Nutzung dieser Werkzeuge sinnvoll einbindet. Ob man dafür auf die von der SPD geforderten Sozialarbeiter verzichten sollte vermag ich nicht zu beurteilen.

    Dennoch möchte ich Sie und Ihre Leser einladen einen gerade für mein eigenes Blog übersetzten Text von Paul Saffo, einem Technology-Forecaster im Silicon Valley der als Gastdozent im Stanford Media X Network arbeitet, zu lesen. Saffo hat einen recht interessanten Aufsatz verfasst und auf whatmatters.mckinseydigital.com gepostet. Er ist der Meinung das wir in ein neues Zeitalter eintreten. Meine Übersetzung ist noch holprig, aber durchaus lesbar und nützlich auch und gerade um zu begreifen warum Medienkompetenz heute so wichtig ist und wie sich die Entwicklung der digitalen Medien in die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der letzten rund 100 Jahre einreiht. Es ist zwar nichts generell neues was Saffo hier darstellt, in seiner Kompaktheit und in der Gesamtschau aber ist es eine interessante Perspektive. Ob man Saffos Argumentation folgen mag ist eine andere Sache, ich halte seine Sichtweise auf jeden Fall für einen interessanten Beitrag. Dies sprengt zwar nun das Format eines Kommentars bei weitem, ich versuche es trotzdem mal hier unterzubringen. Lesen Sie hier meine Übersetzung (Link zum englischen Originaltext am Ende des Kommentars):

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    „Die von Immobilienzusammenbrüchen angeschobene Marktverschiebung in den USA ist weit mehr als eine Rezession. Sie führt uns geradewegs in ein neue Ökonomie, ein neues Zeitalter. Die Konsumer-Ökonomie, die in den 50ger Jahren entstand taumelt ihrem Ende entgegen und eine neue „Creator-Ökonomie“ entsteht. Diese Verschiebung repräsentiert die nunmehr dritte ökonomische Wende in knapp mehr als einem Jahrhundert. Ein Blick zurück auf die Vorgänger lässt uns ahnen worauf wir uns einzustellen haben.

    1900: Das entstehen der Hersteller-Ökonomie

    Die Hersteller-Ökonomie zeichnete sich dadurch aus das sie die materiellen Bedürfnisse einer blühenden Arbeiterklasse und einer sich bildenden Mittelklasse befriedigte. Dies war das Zeitalter in dem die großen Marken des 20. Jahrhunderts geboren wurden. Dieses Zeitalter versprach den Menschen eine schwindelerregende Masse an Produkten die das Leben angenehmer machten: Von Spülmaschinen über Photoapparate, Plattenspielert bis hin zu Autos.

    Die Hersteller-Ökonomie versprach Überfluss, die zunächst von Knappheit gekennzeichnet war. Effizienz wurde zum Mantra des Managements. Das Gespenst der Knappheit wurde am deutlichsten in den beiden Weltkriegen. In dieser Zeit mussten die Menschen Rationierungen hinnehmen. Alles mögliche von Metallteilen bis hin zu alten Auto- oder Fahrradreifen wurde receycelt und ging in Kriegsmaterial auf. Als die Industrie jedoch wieder dazu zurückkehren konnte zivile Güter herzustellen gerieten sie in die Gefahr der Überproduktion. Sie erzeugten weit mehr Produkte als die Menschen benötigten. In diesem Moment kam die Hersteller-Ökonomie zu ihrem Ende.

    1950: Die Konsumer-Ökonomie beginnt

    Die Konsumer-Ökonomie begann als die Firmen realisierten das sie eher ein Bedarfsproblem hatten denn ein Produktionsproblem. Also begannen sie ihre Ressourcen darauf auszurichten neue Vermarktungswege zu finden um ihre Produkte an den Mann zu bringen. Der „Kunde“ ersetzte den Arbeiter als den zentralen Akteur. Dies resultierte in einer dramatischen Kräfteverschiebung. Innerhalb der Firmen wanderte die Macht zusehends von der Herstellung in die Vertriebs- und Marketingabteilungen ab um noch mehr Bedarf für die Produkte die man herstellte zu generieren.

    Eine wichtige Rolle für diese Wende spielte das in diesem Zeitalter entstandene Fernsehen. 1950 hatten etwa 9% der US-Haushalte ein TV-Gerät. 10 Jahre später waren es 90 Prozent. Die Vermarkter erzeugten neue Bedarfe für allerlei Gerätschaften bis hin zu Automobilen. Die hohe Verbreitung von TV-Werbung tat das ihre um Begehrlichkeiten zu wecken. Diese neuen durch das TV gebotenen Möglichkeiten beförderten 2 Entwicklungen: Erstens, das TV half entscheidend Kategorie-dominierende große Marken zu schaffen (Superbrands), wie zum Beispiel die großen Waschmittelmarken „Tide“,(hierzulande wohl eher Henkel/Persil). Zweitens kamen völlig neue Produkte auf, die ohne TV praktisch nicht möglich gewesen wären. Beeinflusst durch die Massenmedien lernten die Menschen plötzlich das ihr Leben unkomplett war ohne vielerlei Dinge von denen sie ohne TV nichts wüssten wie z. B. Schwimmflossen, Frischhaltefolien, Fertiggerichte und natürlich Hula-Hop Reifen. Die Massenmedien stilisierten die Produkte der Konsumer-Ökonomie zu Götzen eines neuen Lebensstils. Die Konsumenten warteten nicht mehr bis ein Produkt kaputt war um es durch ein anderes zu ersetzen, sie kauften einfach ein neues oft nur weil die Farbe aus der Mode gekommen war und weil man „in“ sein wollte.

    Die Konsumer-Ökonomie kehrte die Einstellung der Menschen um. Sich zu verschulden um den Lebensstil zu finanzieren wurde zu allgemein akzeptierten Verhalten. Das Zeitalter wandelte sich von einem Produzenten-Zeitalter hin zu einem Konsumenten-Zeitalter. Die Verschuldung der US-Haushalte schwoll von weniger als 20 Billionen in 1950 auf 2,8 Trillionen Dollar in 2008 an. Verschuldung wurde zum Schlüssel des Wachstums der Konsumer-Ökonomie auf eine ähnliche Art wie die Effizienz der Produktionsprozesse die Hersteller-Ökonomie antrieb.

    Je mehr die Menschen hatten um so mehr wollten sie haben: Die Kräfte die den Erfolg der Konsumer-Ökonomie ausmachten schoben diesselbe nun zu ihrem unvermeidlichen Ende das sich im Finanzcrash von 2008 manifestierte. Dies war der Moment in dem der kollektive Schuldenberg übermächtig wurde. Ebenso wie die Hersteller-Ökonomie zu einem Ende kam durch Überproduktion kommt nun die Konsumer-Ökonomie zu einem Ende durch Überkonsumierung und Gier.

    2008: Die Creeator-Ökonomie winkt…

    Nun halten wir Einzug in ein drittes Zeitalter in dem der zentrale Akteur derjenige ist, der sowohl konsumiert als auch produziert (oder kreiert) und zwar gleichzeitig. Ich mag den Terminus „Creator“ für diesen neuen Typus, denn der neue Akteur tut etwas fundamentaleres als die Summe seines gleichzeitigen Produzierens und Konsumierens. „Creators“ sind gewöhnliche Menschen deren tägliche Aktivitäten einen Wert erzeugen.

    Ebenso wie die Massenmedien essentiell waren für das Aufkommen der Konsumer-Ökonomie machen die auf dem Plan erscheinenden Personal-Media Plattformen die neue Creator-Gesellschaft möglich. Das Musterbeispiel für „Creation“ ist eine einfache Google Suche. Vor 20 oder 25 Jahren kostete die Online Suche noch richtig Geld in Form von monatlichen Gebühren. Doch heute, dank Google, ist die Online-Suche kostenlos. Doch ist sie das wirklich? Der Suchende bezahlt jedesmal mit dem Suchstring den er eingibt. Demjenigen der seinen Text in das Suchfeld eingibt erscheint der Textstring wertlos, doch wenn alle Sucheingaben zusammengefasst und analysiert werden dann machen diese Google inzwischen zu einem der wertvollsten Unternehmen weltweit. Eine einfache Google-Suche zeigt was die „Creator-Ökonomie“ ausmacht: Ein kreativer Wert der zur gleichen Zeit in beide Richtungen fliesst.

    Andere Beispiele solcher Transaktionen finden sie zum Beispiel in YouTube und Wikipedia. Interaktivität ist das verbindende Element und dies macht Sinn, weil Interaktivität die „Creator-Ökonomie definiert. Die Emergenz von Interaktivität ist nicht weniger exotisch wie die Möglichkeit das sich in den 50iger Jahren Menschen Dinge leisten konnten die wenige Jahrzehnte zuvor noch Luxusgüter waren. Heutzutage erzeugt jeder Werte wenn er sein tägliches Leben lebt, jeder ist ein „Creator“. Diese Transaktionen mögen keine Kunst oder Prosa sein, aber sie stellen Werte dar. Ebenso wie die Uhr die Hersteller-Ökonomie symbolisierte und die Kreditkarte die Konsumer-Ökonomie, so wird die Computermaus oder das moderne iPad zum Symbol der entstehenden Creator-Ökonomie.

    Sicher, nicht alles in der Creator-Ökonomie benötigt Interaktion, ebenso wie die Herstellungsprozesse der Hersteller-Ökonomie nicht verschwanden als die Konsumer-Ökonomie aufkam. Doch die erfolgreichsten Firmen werden diejenigen sein die es verstehen sich den Instinkt der Creators zunutze zu machen. Und die größten Gewinner werden diejenigen sein die es verstehen sich die kleinsten kreativen Akte zunutze zu machen. Mehr Menschen schauen Video auf Youtube als eigene Inhalte zu posten, ein Video zu erstellen ist nunmal Arbeit. Mehr Menschen lesen Blogs statt eigene Blogs ins Netz zu stellen weil es nunmal schwerer ist lange Texte zu erstellen.

    Doch die im Telegrammstil verfassten updates von Tweets, SMS und Facebook werden zu allgegenwärtigen Akten von Creator-Haiku. Jeder kann ein paar Worte für einen Google-Suche verfassen und dies war der Grund das Google am Ende andere Firmen der Craetor-Ökonomie schlucken konnte.

    Es wird möglicherweise eines Tages eine Firma geben die Google schluckt. Ich kennen ihren Namen noch nicht, aber ich weiß wie sie wachsen wird–Click by Click.

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    Hier der Link zum englischen Originaltext auf whatmatters.mckinseydigital.com.

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