Es gibt sie: die digitale soziale Marktwirtschaft

Vergangene Woche habe ich Angela Merkel zu einem Abend mit Vertretern der Digitalwirtschaft begleitet. 40 Gründerinnen und Gründer waren auf Initiative der Bloomy Days-Gründerin Franzi von Hardenberg und des Geschäftsführers von Door2Door, Tom Kirschbaum, zusammengekommen, um bei einem lockeren Kamingespräch über Trends, Herausforderungen und durchaus auch Privates zu sprechen.

Dieser Abend war ein hervorragender Auftakt zu einer Tour durch Unternehmen der Digitalwirtschaft, die ich in dieser Woche unternommen habe. Die Gründerszene in Berlin ist ungemein vielseitig und zahlreiche Unternehmen haben in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich gearbeitet. Zudem unterhalten viele Firmen mittlerweile größere Büros in Berlin .Man spürt, welche Chancen hier für unsere Volkswirtschaft liegen.

Gesetze gelten online wie offline

Begonnen habe ich bei Facebook, das in der Hauptstadt mittlerweile über 40 Mitarbeiter beschäftigt. Besonders interessiert hat mich natürlich, welche neuen Trends und Nutzungsmöglichkeiten sich im zurückliegenden Präsidentschaftswahlkampf gezeigt und bewährt haben. Nicht alles lässt sich eins zu eins auf Deutschland übertragen, aber manche Idee werden auch wir für unsere Wahlkämpfe adaptieren können. Intensiv diskutiert haben wir über die im Augenblick virulenten Themen Fake-News und Hatespeech. Klar ist: Auch für Plattformen wie Facebook sind diese Erscheinungen nicht nur ein großes Ärgernis sondern mitunter auch geschäftsschädigendes Problem. Diesen Phänomenen Herr zu werden bleibt eine zentrale Herausforderung, bei der sowohl das Unternehmen wie auch die Politik noch Arbeit vor sich haben. Die jüngste Initiative der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, im Zweifel Facebook stärker in die Pflicht zu nehmen, ist daher nur konsequent. Neben der Verantwortung von uns als Nutzern und der Verantwortung des Unternehmens braucht es klare gesetzliche Vorgaben, um Persönlichkeitsrechte zu schützen, Hass und Volksverhetzung zu unterbinden und damit Regeln, die offline gelten auch online durchzusetzen.

Zum ersten Termin meiner Digitaltour bei Facebook / Foto: Patrick Broniewski

Danach ging es um knallharte Zahlen: Umsätze, Investitionen, Mitarbeiter. Zuerst habe ich bei Zalando vorbeigeschaut. Der enstehende Campus des Unternehmens in Berlin versinnbildlicht die Erfolgsgeschichte dieses Konzerns, der dem Status eines Start-Ups längst entwachsen ist und weiterhin stetig wächst. Am Beispiel Zalando zeigt sich auch, wie durch die Digitalisierung Arbeitsplätze entstehen – und zwar nicht nur im Technologie- oder Informatikbereich. An seinem Logistikstandort in Erfurt beschäftigt Zalando mittlerweile 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter viele, die über Jahre hinweg ohne Job waren oder gebrochene Erwerbsbiographien aufweisen. Insgesamt arbeiten 12.000 Menschen in Deutschland für Zalandon – vom einfachen Lagerarbeiter bis zum Software-Entwickler.

Auch bei Zalando habe ich vorbeigeschaut / Foto: Patrick Broniewski

Auf Fashion folgte Reisen mit einem Gespräch im Berliner Büro von Booking.com. Das niederländische Unternehmen ist seinerzeit mit 80 Mitarbeitern in Deutschland gestartet, mittlerweile arbeiten hier rund 1.000 Menschen. Die vielfältigen Buchungs- und Vergleichsmöglichkeiten von Unterkünften, die solche Portale bieten, kennen viele ja. Für mich war es spannend, einmal zu erfahren, welche Chancen fernab der großen Hotellketten gerade kleine Landgasthöfe und Pensionen, die Familienbetriebe sind, durch die Plattform haben, Gäste zu gewinnen. Von der Unterstützung bei der Gestaltung der Webseiten bis hin zu maßgeschneiderten Möglichkeiten des Anbietens von Zimmern wird ihnen ein breites Portfolio an Hilfestellungen geboten, von der letztlich beide Seiten profitieren. Und auch ein halbes Dutzend Hotels aus Gelnhausen sind dabei!

Zum Gespräch bei Booking.com / Foto: Tobias Koch

Die große Internationalität und kulturelle Vielfalt der Mitarbeiterschaft, die mir bei meinen ersten Besuchen begegnete, traf ich auch bei Delivery Hero an. Über 50 Nationen sind in dem umgebauten Gebäude des Fernsprechamts vertreten, in dem es bei weitem nicht nur um das Ausliefern bestellter Pizzen und Burger geht, sondern wo intensiv über Zukunftstrends nachgedacht wird. Denn so wie sich etwa das Nutzungsverhalten und die Notwendigkeit eines eigenen Autos durch Car-Sharing in Städten deutlich verändert haben, könnten sich auch die Gewohnheiten im Hinblick auf die Gastronomie verändern. Bedarf es in einigen Jahren noch einer eigenen Küche? Gibt es bald Restaurants und Küchen, die sich ausschließlich auf Lieferessen spezialisieren? Sollten bei der Konzeption von Restaurants zukünftig eigene Zugänge für Lieferdienste bedacht werden? Spannende Fragen, die eindrucksvoll zeigen, wie vielfältig die Möglichkeiten sind.

Im Gespräch mit dem CEO von Delivery Hero, Niklas Östberg. / Foto: Tobias Koch

Zum Abschluss meiner Tour habe ich auf dem Campus von Movinga vorbeigeschaut. Diese Truppe hat sich auf Umzüge in Deutschland und Frankreich spezialisiert und bietet sowohl Umzugswilligen wie auch Speditionsunternehmen einen breiten Service. Der Vergleich von Angeboten fällt deutlich leichter und schlechte Erfahrungen bleiben angesichts des Bewertungssystems meist aus. Denn viele, auch ich, kennen das Gefühl, bei einem Umzug eher im Geiste eines „Wir-sehen-uns-ohnehin-nicht-wieder…“ behandelt zu werden. Für die Speditionen hingegen entsteht beispielsweise die Möglichkeit, ihre Strecken zu optimieren und durch Folgeaufträge auch an anderen Orten Leerfahrten zu vermeiden.

Zum Abschluss meiner Tour habe ich bei Movinga vorbeigeschaut / Foto: Tobias Koch

Was nehme ich mit? Was sind die Ergebnisse?

So unterschiedlich die Geschäftsfelder auch waren – einige Themen kamen überall zur Sprache: Um im weltweiten Wettbewerb mit außereuropäischen Anbietern wie Amazon bestehen zu können, braucht es ein level playing field auf Augenhöhe mit den USA. So erschwert unsere Bürokratie den Kampf um gute Mitarbeiter, ein Kampf der schon lange global geführt wird. Etwa drei Monate dauert es, bis ein Visum bzw. eine Arbeitsgenehmigung vorliegt – das ist zu lang. Die CDU hat darum ja auch beschlossen, die Regeln neu zu bündeln und zu vereinfachen. Ein Einwanderungsgesetz ist ein Projekt für die nächste Legislaturperiode. Auch in Fragen der Regulierung, etwa beim Datenschutz, wünschen sich die Unternehmen mehr Einheitlichkeit und weniger Kleinstaaterei, die sich immer wieder als ein Hemmschuh erweist. Da müssen wir wettbewerbsfähiger werden.

Die ausgebeuteten und schlecht bezahlten Mitarbeiter, das neu entstehende digitale Proletariat sind übrigens ein Mythos. Die Zulieferer bei Foodora und Co. bekommen alle Mindestlohn, die Software-Entwickler sind so gefragt, dass sie gegenseitig abgeworben werden. Was dringend geregelt werden muss ist aber ein flexibles und den Bedürfnissen sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber angepasstes Arbeitsrecht. Neben flexiblen Arbeitszeiten wollen viele eben nicht mehr fest angestellt arbeiten. Hier müssen kluge Regelungen für die Sozialversicherungen her – zum Beispiel eine klar geregelte Einbeziehung von Selbständigen in die Renten- und Krankenversicherung.

Mein Fazit nach zwei Tagen intensiver Gespräche: Deutschland und Berlin genießen eine hervorragende Reputation und die Möglichkeiten bleiben riesig. Ich habe viele motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus aller Welt kennengelernt, die gerne zu uns kommen und mit ihrer Energie, ihrer Kreativität und ihrer Leidenschaft eine echte Bereicherung für unser Land sind. Und wie das aussieht, wenn diese Leute reisen, zeigt dieses Video, das aus den Urlaubsaufnahmen von Booking.com-Mitarbeitern zusammengestellt wurde – ein Schmankerl, das ich Euch nicht vorenthalten möchte:

Ich wünsche mir, dass sich diese Innovationskraft, diese Weltoffenheit, diese Neugier und dieser Unternehmergeist auch weiterhin in Deutschland zu Hause fühlen. Das ist digitale soziale Marktwirtschaft.

2 Kommentare zu “Es gibt sie: die digitale soziale Marktwirtschaft

  1. Zitat: “ ..Die Möglichkeit einer Chance Für Alle..“

    Die Chance besteht nicht, ebenso wenig, wie in einem Wettlauf alle Gewinner sein können. Eine Hülse für alle Schwachen ist das Versprechen nur dann nicht, wenn der Staat „in weiser Voraussicht“ bereit ist, teilweise in seinen Grenzen die hemmungslosen Gesetze der Märkte zu mildern oder außer Kraft zu setzen, ohne die positiven Kräfte eines Leitungsvergleiches (>Markt) zu schmälern. Das wurde bisher schon national oder regional (EU) gemacht und immer wieder auch mit negativem Ergebnis versucht. Global, und so ist künftig der Maßstab, dürfte das wesentlich schwieriger werden. Auf jeden Fall ist die von den Liberalen glorifizierte gnadenlose Macht des Marktes zutiefst unchristlich. Aber man muss ja nicht gleich mit dem sozialistischen Pendel das Gegenteil fordern. „To big to fail“ ist auf jeden Fall eine kriminelle Konsequenz einer unkontrollierten Marktmacht. Auch sollte man sich im Grundsatzprogramm davon verabschieden, dass immer der bestmögliche Fortschritt, der auch ein Nachteil für Abgehängte sein kann, dass immer die optimale Leistung der Maßstab von jedem „Good Government“ ist. Und diese Programmänderung darf nicht erst erfolgen, wenn die negativen Folgen der digitalen Revolution unumkehrbar geworden sind. Die Programmänderung ist sofort einzuleiten, auch wenn die SPD ihr hämisches Grinsen über diese, den neuesten Entwicklungen geschuldete Erfahrung, nicht wird verbergen können. Die SPD hat die Behinderungen der Märkte (Verstaatlichungen, Eingriffe) immer als ein Instrument zur Gleichmacherei verstanden. Ein „gleichgerichtetes Wahlvolk“ ist ja wohl auch leichter zu indoktrinieren. Im Widerspruch dazu sollte eine soziale digitale Marktwirtschaft der CDU nach wie vor die persönliche Leistung als Motor des Wohlstandes und einer optimalen gesellschaftlichen Weiterentwicklung bewerten. Denn anders als die SPD, die LINKEN, die GRÜNEN und die hoffnungslosen kirchlichen Idealisten es verstehen wollen, sind die menschlichen Schwächen „göttlich“ und unausrottbar. Die CDU hat sich dieser Schwächen anzunehmen und gleichzeitig die Stärken zu fördern. Das geht nur über eine ideologiefreie Bildung. Zu der werden aber SPD, LINKE und GRÜNE nie bereit sein, denn ohne ihre Ideologien (Sozialismus, zurück zur Natur) sind sie nichts.

  2. Gibt es sie wirklich oder ist die digitale soziale Marktwirtschaft nur ein mühsam herbeigeredetes Wunschdenken?

    1. Die reine Marktwirtschaft kann niemals sozial sein. Einkauf und Verkauf bilden den Markt. Ich will meine Arbeitskraft teuer verkaufen und billig einkaufen. Das bedeutet sozial und gut für mich, unsozial und ärmlich für den Anderen. Immer seltener werden ausgewogene Preis/Leistungsverhältnisse. Der Widerspruch des Käufers und Verkäufers in einer Person ist nicht zu beheben. Ein Schwächerer oder Hungriger wird immer das Opfer des Mächtigen sein. Der gute Staat hat die Aufgabe, diesen Widerspruch zu mildern. Beseitigen kann er ihn nicht. Auch unsere christlichen Werte werden in Fernost nicht anerkannt.

    2. Die digitale Welt lässt dem keine oder immer weniger Chancen, der aus persönlichen oder (IQ!) sonstigen Gründen (Fehler) den immer neuen und höheren Anforderungen nicht gerecht werden kann. Der flexible und sprachbegabte Weltgewandte nutzt alle digitalen Vorteile. Der bodenständig vom Dialekt geprägte „Provinzler“ bleibt langsam zurück.

    Die digitale Welt wird noch stärker als bisher zwischen den geborenen „Gewinnern“ und den „verdammten“ Verlierern polarisieren. Und diese Polarisierungen werden keineswegs nur Personen treffen. Auch Staaten werden Opfer sein. Denn die besonders auch bei uns kostentreibenden kulturellen und sozialen Ansprüche und diese bei den Konkurrenten fehlenden Belastungen machen in wenigen Jahren den entscheidenden Preisunterschied.

    Das umso mehr, als bereits in naher Zukunft global alle Marktteilnehmer alles können, was nur wir bisher zu können glaubten. Viele bisherigen „Könner“ werden nicht mehr alles können. Können wir noch die ganze Palette der IT-Technik, der Textilien? Die USA sind bereits nachhaltig geprägt von dieser Dissonanz. Denn es waren ja besonders die weißen „Abgehängten“, die ihrem gewohnten Konsum nicht mehr eine gleichwertige Leistung entgegenstellen können und aus dieser Verzweiflung den Lügner gewählt haben. Wir sind nicht mehr Herr im eigenen Haus. Die Container zeigen uns die Wege.

    Wer dennoch von der Möglichkeit einer Chance für Alle in einer digitalen sozialen Markwirtschaft spricht, handelt mit Hülsen ohne Inhalt für Alle und mit Perlen für die Wenigen.

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